2023 waren Shybits aus Berlin viel unterwegs. Neben zahlreichen Festivalshows waren sie unter anderem mit den Nerven, Art Brut und Yard Act auf Tour, an einem zweiten Album haben sie auch gearbeitet. Das erfolgreiche Jahr beenden sie nun mit einem Labelwechsel zu Anomic Records und der ersten Single seit ihrem Debüt “Body Lotion” von 2022. “Blame” heißt diese und erscheint heute.
Der Song ist ein flockiger, sommerlicher Janglepop-Track, der aber in der Garage bleibt und so nicht gleich in den Dreampop abdriftet. Dabei wirken Shybits sehr adoleszent, wozu auch der Text über Selbstreflexion und Reue im Nachgang einer Trennung passt. Das Video zum Song wurde von Neus Hoffmann und Anton Guttenberg gedreht und entstand bei einer Show der Band im Berliner Astra Kulturhaus.
Schon ab Januar 2024 werden Shybits wieder live zu sehen sein, diesmal als Support für die erste Hälfte der Tour von Van Holzen, mit denen sie zwischen dem elften und 19. Januar acht Konzerte in Deutschland und Österreich spielen.
VISIONS empfiehlt: Shybits (Support für Van Holzen)
Vom 8. bis 10. August wird bei dem Festival in Püttlingen im Saarland unter anderem die Polit-Punks Rise Against auftreten, die im letzten Jahr ihre EP “Nowhere Generation II” veröffentlicht hatten und im nächsten Jahr auch unter anderem auf dem Highfield Festival spielen werden.
Außerdem mit dabei: Alligatoah, der momentan noch ein Geheimnis um seine musikalische Zukunft macht, aber erst letzte Woche den Song “So raus” mit Limp Bizkit-Sänger Fred Durst veröffentlicht hat. Das Rocco Del Schlacko kündigt in der zweiten Bandwelle außerdem Feine Sahne Fischfilet, Bülent Ceylan und Newcomerin Esther Graf an.
Aktuell sind noch Early-Bird-Tickets für das Festival für 126 Euro über die Festivalwebseite verfügbar, ein Campingticket muss bei Bedarf noch für 24 Euro dazugekauft werden.
Mit dabei ist neben einer kurzen Tour durch Australien und Neuseeland sowie drei weiteren UK-Shows nun auch wieder ein Termin in Deutschland, die am 6. Juni in der Berliner Columbiahalle stattfindet. Im näheren europäischen Ausland gibt es dazu ein weiteres Konzert im Atelier in Luxemburg am 8. Juni, am 2. und 3. Juli ist Skinner außerdem für gleich zwei Abende im Melkweg in Amsterdam zu sehen. Karten für die Konzerte in Berlin und Luxemburg kann man bei Eventim bereits vorbestellen, für Amsterdam gibt es die Tickets direkt beim Veranstalter.
Das am 13. Oktober veröffentlichte “The Darker The Shadow, The Brighter The Light” ist das erste offizielle Album des Rappers, nachdem er 2011 zunächst das Ende von The Streets bekannt gab. Mit “None Of Us Are Getting Out Of This Alive” erschien bereits 2020 ein neues Mixtape von ihm.
Was Skinner über seine neue Platte zu sagen hat, könnt ihr in unserem Interview mit ihm nachlesen.
Live: The Streets
06.06. Berlin – Columbiahalle
08.06. Luxemburg – Den Atelier
02.07. Amsterdam – Melkweg
03.07. Amsterdam – Melkweg
Wege aus der Krise: Mit Kanonen auf Spatzen schießen, Feuer mit einer Atombombe löschen – und Suffocation lachen auf ihrer neunten Platte “Hymns From The Apocrypha” (Nuclear Blast, 03.11.) nur milde. Denn das hier ist das Übermaß von allem. Das sind Leute, die das Haus wegsprengen, wenn eine Spinne in der Küche sitzt. Sicher ist sicher. Sicher ist auch, dass der vertrackte, hochtechnische und -musikalische Death Metal der New Yorker rein physikalisch nicht mehr brutaler werden kann – von zarten Nadelstichen ins Auge bis eben zur Atombombe ist alles abgedeckt. “Seraphim Enslavement” oder “Descendents” suchen ihre Extreme bisweilen nicht nur in der Zerstörung, sondern in fast unerträglichem Spannungsaufbau. Wenn diese mutwillige Zerstörung nicht so filigran, fast zart wäre, könnte man glatt von Expressionismus sprechen, liebe Kunststudenten.
Ja, vieles ist gerade mies, aber es gibt auch gute Nachrichten: Herzlich Willkommen zurück, Year Of The Knife. Die Band aus Delaware ist im Juli in einen schrecklichen Autounfall verwickelt, alle Verletzungen aufzuzählen, die sie davongetragen hat, würde den Rahmen sprengen. Besonders Sängerin Madi Watkins (vormals am Bass) geht noch immer durch die Reha. Ihre zweite Platte “No Love Lost” (Pure Noise, 27.10.) darf daher durchaus als kleines Wunder gesehen werden und zusammen mit Produzent Kurt Ballou (Converge) hauen Year Of The Knife eine gerade mal zwanzigminütige Grußkarte raus: Derbster und fein transparent rausproduzierter Hardcore Schrägstrich Powerviolence Schrägstrich Death Metal. Devin Swank von Sanguisugabogg kotzt sich als Gast bei “Wish” aus, Dylan Walker von Full Of Hell in “Last Laugh”. Und das ist alles ganz großartig.
Aaron Osborne alias Aglo arbeitet auf seiner zweiten Platte “Build Fear” (Brilliant Emperor, 10.11.) mit beeindruckend grobem Brett: Doom Death mit rollendem Panzer, genüsslich breitgetretener Schwerfälligkeit. “Storm Of Fears” erinnert an Fingerhakeln zwischen Eyehategod, My Dying Bride und Paradise Lost (mit Cowbell) und “Warhead” schmeichelt mit dieser warmherzigen Crowbar-Energie, während sich “Relativity Undone” in sagenhafter Schwermut dem Ende entgegenrollt. Die Mittel, mit denen Osbourne seiner Seele Lüftung verschafft, mögen begrenzt sein, aber immerhin reizt er sie voll aus. Denn mitunter ist das derart heavy, man könnte ganze Stadtteile damit plattwalzen.
Einen gehörigen Fall von Death-Metal-Rückverdichtung gibt es von Elitist aus Kopenhagen auf deren Debüt “A Mirage Of Grandeur” (Indisciplinarian, 17.11.). Schon klar: sinnvoll zusammenrücken, dann ist mehr Platz für alle – Death Metal, Thrash, Prog, Noiserock, Gehacke, schräger Scheiß und ein steter Quell an überraschenden Wendungen. Wahrscheinlich wurde seit “Altars Of Madness” von Morbid Angel oder Hate Eternal nicht mehr so viel in Death Metal gepackt. Aber dank dieser Rückverdichtung geht da noch viel mehr: absolut psychotisch und fantastisch ist etwa, was die Dänen im Mittelteil von “Vacuous Magnificence” veranstalten. Das hier ist die Zukunft als eine Verfeinerung der Gegenwart.
Gute Nachrichten auch aus Portland, Oregon: Rank And Vile sind auf ihrer zweiten Platte “Worship” (Modern Grievance, 17.11.) noch immer stinksauer. Von der Körperverletzung zum Hüftschwung brauchen die grindigen Death Metaller in “Bishop” gerade mal 19 Sekunden und auch die restlichen 100 Sekunden werden mit Nachdruck, schwedischer HM2-Kreissägen-Verzerrung und Bulldozer gereicht. Doch eben derart rabiat, subtil musikalisch und uneitel, wie es das seit Trap Them niemand mehr hinbekommen hat. Es ist schließlich immer wieder bezaubernd, wenn einem hochaggressive Gefühlswallungen ohne Stinkstiefeligkeit und Testosteronsuff gegen die Stirn geklatscht werden.
“Es wird Zeit, dieses Projekt zu beenden. Es ist zu viel für mich”, so Damon Albarn in einem Interview. “Es war das Richtige und eine große Ehre, diese Songs noch einmal zu spielen, Zeit mit diesen Jungs zu verbringen, ein Album zu machen, blah-blah-blah.”
Ganz in Rente schicken will Albarn Blur dann aber doch nicht: “Ich sage nicht, dass ich es nicht wieder tun würde, es war ein schöner Erfolg, aber ich hänge nicht in der Vergangenheit.” Stattdessen fokussiert sich Albarn lieber auf die Zukunft und kündigt an, dass er momentan an einer Oper mitarbeiten würde, die nächstes Jahr in Paris Premiere feiern soll. Außerdem will er sich wieder mit Grafiker Jamie Hewlett zusammentun, um an einem neuen Gorillaz-Album zu arbeiten – das hatte er auch bereits im Juli in einem Podcast erwähnt.
Im Mai hatten Blur recht überraschend ihr erstes Album seit 2015 angekündigt, das dann im Juli unter dem Namen “The Ballad Of Darren” erschien. Auch live gab es die Band im Rahmen von einigen Arena- und Festivalshows zu sehen, unter anderem beim diesjährigen Roskilde Festival. Mindestens einer seiner Bandkollegen dürfte auch ohne Blur genug zu tun haben: Graham Coxon ist momentan mit seiner Band The Waeve im Vorprogramm von Elbow im Vereinigten Königreich unterwegs, Anfang des Jahres hatte er mit seiner Band ein Album veröffentlicht.
Blur haben seit ihrer Gründung 1988 bereits mehrere Pausen durchgemacht: Von 2003 bis 2009 etwa hatte sich die Band aufgelöst, von 2016 bis 2022, nach der Veröffentlichung von “The Magic Whip” hatten sie bis 2022 eine Bandpause eingelegt. Albarn hat in der Zwischenzeit zahlreiche Soloalben veröffentlicht, zuletzt 2021 “The Nearer The Fountain More Pure The Stream Flows” und sich sonst seiner Comic-Band Gorillaz gewidmet, mit denen er erst dieses Jahr das Album “Cracker Island” veröffentlicht hat.
Shane MacGowan soll vor seinem Tod vergangene Woche noch ein letztes Soloalbum aufgenommen haben. Die Platte soll 15 Songs umfassen, inklusive einiger Cover. Das verriet zumindest Johnny Cronin dem Boulevardmagazin The Irish Sun. Er ist Frontmann des irischen Alternative-Projekts Cronin und arbeitete wohl zusammen mit seinem Bruder Mick als Produzent an MacGowans letztem Album.
Auch die ehemaligen Pogues-Mitglieder Spider Stacey (Tin Whistle) und Jem Finer (u.a. Gitarre, Banjo, Mandoline) sollen laut ihm unter anderem an der Platte mitgewirkt haben. Cronin sagte, dass MacGowan “bis zum Schluss eine gute Stimme” gehabt hätte. “Shane war krank, aber er wollte weiterarbeiten. Ich bin nach Dublin gefahren, um seinen Gesang in seinem Haus aufzunehmen”, so Cronin.
MacGowan, der sein bislang letztes Soloalbum “The Crock Of Gold” bereits 1997 mit The Popes veröffentlicht hatte, hat laut Cronin die letzten sieben Jahre seines Lebens mit der Arbeit an der Platte verbracht. “Shane hatte immer das Sagen, wenn wir ins Studio gingen, er sagte uns, was wir spielen sollten und wo wir es spielen sollten”, erklärte Cronin den Aufnahmeprozess. “Wenn ich versuchen würde, es zu beschreiben, wäre es wie die Aufnahmen, die Johnny Cash mit dem Produzenten Rick Rubin am Ende seiner Karriere gemacht hat.”
Ein festes Veröffentlichungsdatum für das posthume Album steht noch nicht fest. Cronin bekräftige aber, dass “Shane wollte, dass diese Platte erscheint, also wird sie auch erscheinen, aber wir denken im Moment nicht darüber nach”.
Auch an die letzten Momente, in denen er MacGowan sah, erinnerte sich Cronin: “Shane war sehr schwach, aber er lächelte und war immer noch in der Lage, sich zu amüsieren. Wir saßen an seinem Bett und schwelgten in Erinnerungen.”
Bereits Anfang November, als die Screaming Females ihre verbleibenden Konzerte für 2023 aufgrund familiärer Notfälle absagen mussten, hatte die Band Nachholtermine dafür bis auf Weiteres ausgeschlossen. Heute, nur einen Monat später, gaben sie nun in einem ausführlichen Statement via Instagram ihre Auflösung bekannt. Gründe für das jähe Ende der Indie-Punk-Band wurden im Post nicht genannt.
Die Band schreibt in einem kurzen Statement, dass es zu viele Leute gäbe, bei denen man sich bedanken müsse und zu viele Dinge, die zu sagen wären, man im Moment aber vor allem restliches Merch loswerden wolle. Zuvor beschwört die Band ihre DIY-Attitüde und blickt auf ihre 18-jährige Karriere zurück: “Wir haben selbst die Platten finanziert und gemacht, die wir machen wollten. Wir haben unsere eigenen Artworks gemacht. Wir haben einen Großteil unseres Merchs selbst gemacht. Wir haben uns selbst gemanaged. Am wichtigsten ist aber vielleicht, dass wir unseren Van mit unserem Equipment vollgeladen haben und um die Welt gereist sind, um überall dort Shows zu spielen, wo wir willkommen waren.”
Die Screaming Females wurden 2005 in New Brunswick von Marissa Paternoster, Jarrett Dougherty und Mike Abbatte gegründet und veröffentlichten seitdem insgesamt acht Alben. Das letzte davon, “Desire Pathway”, erschien im Februar dieses Jahres.
Ian, in unserem Gespräch soll es vornehmlich um Inspiration gehen. Wo sie herkommt, in welcher Form sie sich offenbart, was aus ihr entsteht.
Ian MacKaye: Wirklich? Mir sagte man, wir sollen über einen meiner musikalischen Helden sprechen. Dabei habe ich gar keinen Helden.
Um so besser.
Nicht unbedingt. Inspiration ist auch kein ideales Thema, es ist viel zu esoterisch für einen pragmatischen Typ wie mich. Alles, woran ich denke, ist die Arbeit, die vor mir liegt. Mich interessiert nicht, wie ich mich mit genug Inspiration füttern kann, um sie möglichst schnell oder umfassend erledigen zu können. Was mich dabei antreibt, ist das, was andere geleistet haben; Menschen, die über sich hinaus gewachsen sind. Dabei ist es völlig egal, was sie tun, ob sie kreativ arbeiten, Musiker:innen sind oder Bäcker:innen. Wenn sie etwas dazu beigetragen haben, um das große Ganze zu komplettieren oder wenigstens zu verbessern, dann möchte ich diesen Gefallen zurückgeben, indem ich selbst härter arbeite. Inspiration ist für mich also nicht das spirituelle Glühen, eine Phase oder Aura, sondern etwas, das tatsächlich existiert – etwas von Menschenhand Geschaffenes.
Welche Klientel beeinflusst dich mehr in dem Wunsch, hart arbeiten zu wollen: die Kreativen und Künstler:innen oder die Arbeiter:innen?
Ich mache da keinen Unterschied. Ich habe genauso viel Respekt vor Feuerwehrleuten wie vor einem Lehrer:innen, Journalist:innen oder Astronaut:innen – alles völlig legitime Jobs. Obwohl ich schon zugeben muss, dass mich diejenigen, die etwas mit den eigenen Händen erschaffen, mehr beeindrucken als die, die mit möglichst geringem Aufwand das meiste Geld machen. Aber was weiß ich schon? Ich habe nie eine Ausbildung gemacht oder studiert, ich habe einfach immer nur gelebt.
Glaubst du, dass es vielen Menschen in ihrem Leben an Inspiration mangelt? Dass sich so viele für einen Nine-to-five-Job entscheiden, nur weil sie nicht die Möglichkeit hatten, ihre wahre Bestimmung zu finden?
Möglich. Ich habe mich intensiv mit der psychologischen Wirkung von Computerarbeit auf den Menschen beschäftigt. Damit, was es bedeutet, wenn sich nach acht bis zehn Stunden vor dem Bildschirm nichts um einen herum bewegt hat. Ich meine: nichts! Alles ist genau so, wie es war, als man morgens das Büro betreten hat. Früher hatte man wenigstens noch Papier, das man von einem Stapel auf den nächsten wuchten konnte, aber heute hat jeder das Gefühl, er sei ineffektiv – denn seine Arbeit hat für ihn oder seine Umwelt kein sichtbares Ergebnis. Ich sage nicht, dass Menschen keine Computer nutzen sollen, aber ich frage mich, welchen Effekt Technologie auf die Kultur hat? Wie wird sie genutzt, wo wird sie eingesetzt und wie lautet die kreative Antwort darauf? Meine Meinung: Die meisten Leute benutzen Technologie, weil jeder andere sie auch benutzt. Mir als Punk widerstrebt diese Denkweise. Ich bin der Ansicht, dass das, was alle anderen machen, für mich nicht das Richtige sein kann.
Wieso bist du Punk geworden und nicht Jazz-Musiker oder Folk-Sänger?
Als ich 17 war, war Punkrock mich das, was in den 40ern Jazz, in den 50ern Folk und in den 60ern Rock’n’Roll war: Gegenkultur. Freigeist. Symbol der Veränderung. Eine Währung, die man unter Gleichgesinnten austauscht. Eine Möglichkeit, sich gemeinschaftlich zu verbünden. Ein Freiraum, in dem sich diejenigen treffen, die lieber ein selbstdefiniertes Leben führen als eins nach Vorschrift.
Die Art, wie du dein Leben gestaltet hast, hat auch viele deiner Fans nachhaltig geprägt – nicht nur musikalisch, sondern auch in Bezug auf vegane Ernährung oder politischen Aktivismus. Hast du das Publikum beim Songwriting immer im Hinterkopf, oder ist das Komponieren für dich ein einsamer, egoistischer Prozess?
Ich glaube, ich habe ein Talent, meine Gedanken so zu verpacken, dass sich andere damit identifizieren können. Aber habe ich mein Publikum deshalb beim Songwriting vor Augen? Nein, denn ich habe keine Ahnung, wer mein Publikum ist. Damals auf der Highschool, als ich es mit den Slinkees, den anderen vier Punks der Schule, beweisen wollte, da schon. Und auch später mit Minor Threat wusste ich ungefähr, welche anderen hundert Leute die Songs interessieren würden. Ich fühlte mich damals wie jemand, der seinen Teil zum Underground-Kanon Amerikas anstimmt, nach dem Motto: Hier ist, was die Leute in Washington umtreibt, hier ist, was “wir” hier denken, in unserer Stadt, in unserer Szene. Punk war damals alles andere als ein föderales Phänomen, alles spielte sich außerhalb von Fernsehen und Radio ab.
Trotzdem hat es unzählige andere dazu inspiriert, es dir gleichzutun.
Das stimmt. Und es war mir bewusst. Was man dabei allerdings nicht vergessen darf: Ich war 23 oder 24 und hatte selbst noch nie das Land verlassen. Alles, was ich transportierte, war ein regionales Gefühl, meine Vorstellung von Freiheit, die andere auf eigene Ideen brachte. Selbst als ich später mit Embrace oder Fugazi größere Aufmerksamkeit bekam, hatte ich noch immer den gleichen Wunsch, das gleiche Verlangen.
Nämlich?
Eine der Konstanten, die sich durch mein Leben zieht, ist das Streben nach dem Moment, in dem Band und Publikum gemeinsam einen Song singen. Es geht dabei nicht so sehr darum, dass man mit jedem Anwesenden die gleiche Philosophie teilt, sondern darum, gemeinsam den Moment zu leben, ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Wenn es diesen Augenblick gibt, diese Strophe oder Refrain, dann ist das phänomenal, elektrisierend, eine transzendente Erfahrung.
Fast wie in der Kirche.
Nein, wie im Leben. Ich verstehe, warum du diesen Vergleich ziehst, aber denk mal darüber nach: Imitiert die Kirche nicht nur das reale Leben? Immerhin gab es Kirchen und religiösen Glauben erst weit nach der Entstehung menschlichen Lebens, und sie vereinnahmten Stück für Stück sämtliche menschliche Verhaltensweisen und pappten ihren Copyright-Aufkleber daran. Das ist wie mit einer Flasche Wasser. Auch Wasser ist ein völlig natürliches Produkt, das man heute abgefüllt in Flaschen bekommt, etikettiert mit dem Logo einer Firma, die mit dessen Entstehung nichts zu tun hat, sondern es nur aufbereitet. Die Religionen waren schlau genug, sich des Gesangs anzunehmen, einer Form der Kommunikation, die schon lange vor den Sprachen existierte und die Menschen verband.
Inwiefern ist Alter ein Quell der Inspiration? Du bist 50, gibt es da nicht Unmengen an Erfahrungen, die es zu verarbeiten gilt?
Natürlich, aber ich habe dabei nicht das Gefühl, dass meine Zeit bald abgelaufen ist und ich bis dahin noch möglichst alles gesagt haben muss. Ich bin keine sehr ambitionierte Person, ich bin nicht ziel- oder ergebnisorientiert. Ich lebe im Moment und verschwende meine Zeit nicht damit, was passieren “könnte”, wenn ich tot bin. Der menschliche Verstand ist ohnehin nicht in der Lage, die Entstehung von Leben oder den Tod zu begreifen, also habe ich meinen Frieden mit der Unergründlichkeit dieser Phänomene gemacht. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, ich glaube, dass ich jetzt dran bin, in diesem Moment. Wenn mich das Leben etwas gelehrt hat, dann dass es “jetzt” passiert. Das hier ist es, und es gibt keine zweite Chance. Gebt euch also Mühe, es nicht zu versauen.
Obwohl in den vergangenen Jahren recht regelmäßig Platten von The Pineapple Thief erschienen, waren neue Songs zuletzt vor über drei Jahren auf “Versions Of The Truth” zu hören. Am 9. Februar soll sich das mit dem neuen Album “It Leads To This” ändern.
Das 15. Album der britischen Progrocker befand sich lange in Arbeit und war laut Bandchef Bruce Soord die Platte mit dem bisher intensivsten Schaffensprozess: “Ich bin weit über meine Limits gegangen, was aus einer künstlerischen Perspektive klasse ist, aber auch sehr herausfordernd aus einer persönlichen”, sagt er. Das eigentliche Konzept von “It Leads To This”, das sich mit dem Finden des Lebenssinns und Soords Auseinandersetzung mit seiner Umwelt auseinandersetzt, sei dabei schon früh gefunden worden, die finale Aufarbeitung mit Text und Musik brauchte jedoch sehr viel Arbeit.
Ein erstes Ergebnis des Arbeitsprozesses kann man seit letzter Woche in Form der ersten Single “The Frost” hören und sehen, der in knapp sechs Minuten eine sehr rockig formulierte Variante moderner Progmusik zeigt. Sehenswert ist dabei auch das in Island gedrehte Video von Jeremy George, das nicht nur mit beeindruckenden Naturkulissen glänzt, sondern auch eine emotionale Geschichte erzählt.
Das komplette Album wird in sieben verschiedenen Varianten verfügbar sein, darunter zwei verschiedene Boxsets, eine Blu-ray-Variante sowie CD und Vinyl. Neben der regulären Vinyl-Version in schwarz werden dabei drei limitierte Sondereditionen erhältlich sein. Eine rote Pressung im Onlineshop von KScope und der Band, eine grüne, exklusiv in unabhängigen Plattenläden erhältliche und eine cremefarbene, die nur in Deutschland und Österreich vertrieben wird. Außerdem enthalten sowohl das Boxset als auch die Blu-ray das Bonusalbum “Y Aqui Estamos”. Vorbestellen kann man die gesamte Produktpalette mit Ausnahme der Vinyl-Editionen “Grün” und “Creme” im Shop von KScope.
Bereits vor einigen Wochen haben The Pineapple Thief zudem eine Tour zum Album angekündigt, die im Frühjahr 2024 stattfindet und im Februar und März auch fünf Termine in Deutschland einschließt. Tickets dafür gibt es im Shop der Band.
The Pineapple Thief – “It Leads To This”
01. “Put It Right”
02. “Rubicon”
03. “It Leads To This”
04. “The Frost”
05. “All That’s Left”
06. “Now It’s Yours”
07. “Every Trace Of Us”
08. >”To Forget”
Live: The Pineapple Thief
26.02. Neunkirchen – Gebläsehalle
27.02. Aschaffenburg – Colos Saal
09.03. München – Technikum
14.03. Berlin – Kesselhaus
15.03. Köln – Carlswerk Victoria