Das Angst Macht Keinen Lärm Festival geht in diesem Jahr bereits in die sechste Runde und bleibt für die Ausgabe 2023 erstmals in der Location, in der das Festival bereits letztes Mal stattgefunden hat. Wie 2019 wird das Festival in diesem Jahr in und um den Schlachthof in Wiesbaden stattfinden. Nun haben die Veranstalter:innen auch erste Bands bestätigt.
Wenig überraschend handelt es sich dabei um die Stammgäste Pascow & Turbostaat. Weitere Bands und Künstler:innen sollen demnächst folgen. Neben der Hauptbühne soll es noch zwei weitere Bühnen geben: Eine Open Air und eine im benachbarten, kleineren Kesselhaus für ein “Aftershow-Konzert”. Bei der bisher letzten Ausgabe 2019 in der Dresdener Tante Ju waren neben Pascow und Turbostaat unter anderem Love A und Duesenjaeger aufgetreten. Tickets für Das Angst Macht Keinen Lärm Festival 2023 gibt es ab sofort auf www.tantegurilla.com und shop.turbostaat.de.
Pascow haben im Januar ihr neues Album “Sieben” veröffentlicht und gerade erst die dazugehörige Tour beendet. Turbostaat haben erst vor wenigen Wochen nach monatelanger krankheitsbedingter Zwangspause ihre neue Single “Der weiche Kern” veröffentlicht und eine handvoll Konzerte angekündigt.
VISIONS empfiehlt:
Das Angst Macht Keinen Lärm Festival
16.09. Wiesbaden – Schlachthof
Live: Turbostaat
01.06. Hamburg – Grünspan
02.06. Dresden – Tante Ju
03.06. Berlin – SO36
06.06. Düsseldorf – Zakk
Was bedeutet es, als unabhängige:r Künstler:in zu arbeiten und Teil eines Bandgefüges zu sein? Diesen Fragen widmet sich die Sludge- und Post-Metal-Band Spotlights in ihrem Kurzfilm “Discerning Alchemy”. Die Doku erscheint im Rahmen der Veröffentlichung von “Alchemy For The Dead” und nähert sich der Band und ihrer Philosophie anhand des Entstehungsprozesses der neuen Platte. Einen Vorgeschmack auf die Doku liefert der 42-sekündige Trailer.
Wie es zur Entstehung des Films kam, erklärt Sänger und Gitarrist Mario Quintero: “Anfang 2022 trat John [Pope] an uns heran […] mit der Idee, ein ‘Making of’-Video zu drehen. Damals waren wir uns nicht sicher, ob wir jemanden bei den Aufnahmen in unseren Räumen haben wollten. […] Aber als wir Johns Arbeit sahen und die Gelegenheit hatten, uns hinzusetzen und seine Vision zu hören, waren wir zu 100 % überzeugt.” Zudem lobt er auch Popes bisherige Arbeiten: “Er ist ein absoluter Meister seines Fachs und hat ganz allein ein Werk geschaffen, das unserer Meinung nach wirklich zeigt, wer wir als Band und als Menschen sind […] Wir freuen uns sehr, dass die Leute es sehen können! Es ist eine perfekte Ergänzung zum Album.”
Eine ersten Vorgeschmack auf das kommende Album gab es bereits mit den beiden Singles “Algorithmic” und “Sunset Burial”. Das Epizentrum der Platte bildet das Kreisen um die Frage nach Tod und Vergänglichkeit, kombiniert mit inhaltsschweren Texten, Saxofon-Einschüben und Sludge-Metal-Gitarrenriffs.
Anschauen kann man sich den von John Pope gedrehten Kurzfilm ab dem 23. April auf Bandcamp. Die neue LP erscheint am 28. April via Ipecac und kann bereits vorbestellt werden.
Tracklist: “Alchemy For The Dead”
01. “Beyond The Broken Sky”
02. “The Alchemist”
03. “Sunset Burial”
04. “Algorithmic”
05. “False Gods”
06. “Repeat The Silence”
07. “Ballad In The Mirror”
08. “Crawling Toward The Light”
09. “Alchemy For The Dead”
Mac DeMarco war in der Zeit von 2018 bis heute alles andere als untätig: Nicht nur hat er seine zwei Alben “Here Comes the Cowboy” (2019) und “Five Easy Hot Dogs” (2023) veröffentlicht; er hat an einer ganzen Menge weiterer Songs gearbeitet. Der kanadische Indie-Singer/Songwriter, Multi-Instrumentalist und Produzent veröffentlicht nun sein fünftes Album “One Way G”.
Die Songs sind nach ihrem Aufnahmedatum benannt und chronologisch sortiert. Einige – bei 199 Songs verhältnismäßig wenige – haben noch einen Titel angehängt, wie “20191012 Fooled By Love”. Das Album ist gewohnt minimalistisch, mit Instrumenten wie Synthesizern, Gitarre und Perkussion sowie seichtem Gesang versehen. Von dieser Anzahl an Songs sind einige im zweieinhalb-minütigen Bereich angesiedelt, DeMarco geizte aber nicht, als er sich auch für Längen von 4, 6, 14 oder 23 Minuten entschied. Insgesamt kommt das Album, das wohl eher als Demo-Compilation anstatt vollwertiges Album zu sehen ist, auf eine Länge von etwa 9 Stunden.
“One Way G” ist mit gerade einmal drei Monaten der Nachfolger des im Januar erschienenen Instrumental-Albums “Five Easy Hot Dogs”. DeMarco nahm die Songs auf seiner Reise von Gualala nach Rockaway auf und benannte sie nach der jeweiligen Stadt, in der er sie produziert hatte.
DeMarco hat auch eine Tour angekündigt, die in von Juli bis August auch nach Paris und London führt. Termine in Deutschland gibt es noch nicht. “Five Easy Hot Dogs” ist bereits auf CD erhältlich, das Vinyl für den 16. Juni kann vorbestellt werden.
Das Trio ist bekannt für seine Mischung von Stoner, Garage, Psych, Grunge und Fuzz. Auf ihrem bislang letzten Album “God Of Spinoza” 2021 bewiesen Daily Thompson aber auch ihre Vielschichtigkeit und ihren Hang zu 90s-Alternative.
Mit dem neuen Song “Raindancer (From Outta Space)” greifen sie wieder auf knarzende Gitarren zurück und wecken das Verlangen, auf einer schier unendlichen verlassenen Straße durch die Wüste zu fahren.
Genau das hatte die Band für das Musikvideo sogar getan. Wer die Wüste im Video für ein Areal rund um das alte Walzwerk in der Nähe des Dortmunder Hauptbahnhofs hält, liegt leider falsch – verschiedene Locations in den USA und Spanien haben für die Aufnahmen hergehalten.
Ab Anfang Mai spielen Daily Thompson mehrere Termine in Deutschland, unter anderem auf dem Desert Fest Berlin. Ob “Raindancer (From Outta Space)” der erste Vorgeschmack auf eine neue Platte sein soll, ist noch nicht bekannt, aber nicht unwahrscheinlich. Es wäre das erste Studioalbum mit dem neuen Drummer Thorsten Stratmann, der 2022 Matthias Glass ersetzte.
VISIONS Empfiehlt:
Daily Thompson
17.05.2023 Hannover Lux Hannover
18.05.2023 Kiel Schaubude
19.05.2023 Bremen Zollkantine
20.05.2023 Backnang Jugendzentrum Backnang
21.05.2023 Berlin Desertfest
23.05.2023 Leipzig Moritzbastei
24.05.2023 Langenberg KGB
25.05.2023 Würzburg Immerhin
26.05.2023 Konstanz Open See Festival
27.05.2023 Karlsruhe P8
Die Wände zieren Fußballtrikots, an der Decke baumeln Fanschals aus der ganzen Welt, es gibt Pokale, Wimpel, Schnickschnack – die Gaststätte Rote Erde im Rostocker Hansaviertel ist einer der Orte, an denen das Interieur allein schon die Geschichten erzählt. Hier wird Skat gekloppt und in den Mai getanzt, der Seniorenverein der “Neptunwerft” tagt hier, in Lichtbildervorträgen werden schon mal die Geheimnisse der Tiefsee erforscht, und egal ob Hansa Rostock im nahegelegenen Ostseestadion drei Punkte einfährt oder mit einer Heimniederlage dem Abstieg näherkommt – bei Ladenchefin Kerstin Rüdiger wird im Anschluss gefeiert oder getröstet oder beides. Diesmal hat sie die Gaststätte extra für Monchi, Hauke und Olaf aufgeschlossen. Ein neues Album ihrer Band Feine Sahne Fischfilet steht an, und weil sich die Fahrt nach Greifswald in den Proberaum an diesem Apriltag als etwas zu langwierig erweist, wird die Rote Erde zum Treffpunkt für das Interview mit VISIONS.
Im Frühjahr 2022 habt ihr den Ausstieg von Gitarrist Christoph Sell und Trompeter Jacobus North publik gemacht. Was war los?
Olaf: Wir hatten noch zusammen ein Album geplant, aber es gab einfach viele Differenzen darüber, wie wir weitermachen, wie wir Songs schreiben.
Woran hakte es genau?
Monchi: Ich kann nicht für andere sprechen. Es gibt sicherlich viele Momente, wo wir gerne mal was sagen würden, etwas richtigstellen, aber habe ich Bock auf Rosenkrieg im Internet? Auf so einen Kindergeburtstag? Wie oft haben wir im letzten Jahr gedacht: Los, lass online gehen! Wieder der nächsten Scheiße sofort widersprechen. Und haben es dann doch gelassen. Im Internet ist das ein Kampf gegen Windmühlen, wenn man sich auf dieses Spiel einlässt. Man kann am besten nur bei sich bleiben. Ich kann dir jedenfalls sagen, was Feine Sahne Fischfilet für mich ist: Das sind Freunde, das ist Mecklenburg-Vorpommern, mit den coolen Leuten hier zusammen etwas zu reißen. Die können so unterschiedlich sein, wie wir es im Lied “Freaks der Stadt” beschreiben: ein bunter Haufen von Punkern, Ultras, Hools bis hin zu total unpolitischen Leuten, von hart bis herzlich. Scheitern und Verstehen, kein Stillstand, sich verändern. Dinge verbessern, nicht zum Vollidioten zu werden, aber eben auch nicht zum selbstgeißelnden Hoschi, der sich das ganze Leben zerredet. Wir haben Bock auf Leben, wir lieben das Leben, mit allen Facetten.
Im Mai 2022 kommt es über die Website “Niemand muss Täter sein” zu einem Shitstorm. Es ging um den Vorwurf von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt seitens der Band, vornehmlich auf dich bezogen, Monchi. Wie weit vorher wart ihr im Bilde, dass so etwas auf euch zukommt?
Monchi: Es gab ja eine Woche vorher einen Countdown. Wir wollen jetzt nicht im Selbstmitleid ertrinken, aber wenn man sich anschaut, wie die die Öffentlichkeit angeheizt haben, unser Logo manipuliert, Songtexte verändert – klar bekommt man das mit. Wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, ansprechbar zu sein. Wie oft kamen Leute im letzten Jahr zu uns und sagten, sie hätten dieses oder jenes Gerücht gehört. Da ist die linke Szene punktuell, also wirklich punktuell, nicht besser als die Bild-Zeitung. Stille Post lieben alle. Auch wenn wir es mehrfach versucht haben, diese Seite zu kontaktieren, worum es denn gehen solle, es wurde uns niemals irgendwas Konkretes von den Menschen dahinter gesagt. Auch auf die Mail-Adresse, die eingerichtet und von externen Leuten betrieben wurde, kam Nichts. Natürlich ist es kein Spaß, immer wieder darüber zu reden, aber wir wollten auf keinen Fall irgendwelche Ansagen machen, dass dazu keine Fragen kommen dürfen in Interviews. Trotzdem hast du Schiss, dass da ein womöglich missverständlicher Satz rausgenommen wird, aber damit müssen wir lernen umzugehen. Wir haben solche Kontroversen ja auch schon vorher gehabt, mit anderen Themen, mit Nazis etwa. Für uns ist auf jeden Fall wichtig: Ja, wir wollen reflektieren, aber wir lassen uns auch nicht mehr komplett mit Scheiße vollkippen. Wir sind Sturm gewohnt. Das ist etwas, das unsere Band von Anfang an begleitet.
Was war diesmal anders?
Monchi: Da würden jetzt viele sagen, die Tatsache, dass es von den eigenen Leuten kommt. Ich muss dazu sagen, dass ich mich nie als einen von den Guten gesehen habe. Wenn die Leute mir vorwerfen, ich hätte mich noch nie mit mir auseinandergesetzt, kann ich nur sagen: Lies dir mal mein Buch durch. Lies unsere Interviews, unsere Texte. Haben wir uns jemals als die megatollen Leute hingestellt? Nein. Aber klar, es war und ist immer noch eine sehr intensive Erfahrung, das alles. Es wäre Quatsch zu sagen, dass uns das kaltgelassen hätte.
Olaf: Wir sprechen auch heute noch darüber, wenn wir uns sehen. Wir haben uns mit den verschiedensten Leuten getroffen, um Meinungen zu hören. Das war alles krass. Du wachst schon mit Bauchschmerzen morgens auf und denkst: Was kommt heute?
Monchi: Der Song “Gib mir mehr” handelt davon. Es hat seinen Grund, warum ich zwischenzeitlich wieder 30 Kilo zugenommen hatte. Für uns geht es jetzt darum, sich auf die positiven Sachen zu konzentrieren, die Musik, dieses Album, die Freunde. Wir finden es richtig, sich mit vielen Sachen auseinanderzusetzen, bestimmt kann man vieles an uns kritisieren, aber auf die Art und Weise, wie das gelaufen ist? An schlechten Tagen denke ich: Fickt euch alle! An guten Tagen, dass eben nicht alle Idioten sind. Ich bin kein Experte für Feminismus, aber ich will zuhören, will Sachen lernen. Wir haben mit unserer ganzen Crew kurz vor Weihnachten einen Workshop zum Thema Awareness und sexualisierte Gewalt gemacht, zum Thema Sexismus, dazu müssen wir aber nicht jedes Mal ein offizielles Statement raushauen. Wenn wir was machen, dann in erster Linie für uns selbst. Nicht fürs Internet.
Hat die Musik dabei geholfen, die Dinge für euch klarzubekommen?
Monchi: Dieses Album zu machen, “Alles glänzt”, war unser Rettungsanker. Wenn Leute sagen: “Alter, wie könnt ihr denn in so einer Phase Musik machen und nicht reflektieren?”, dann kann ich nur antworten: “Digger, scheiß drauf, wir können das auch gleichzeitig!” Ganz großartig war es, jemanden wie Hauke kennenzulernen, mit ihm an Musik zu arbeiten, Texte zu schreiben. Es wurden ja sogar Leute um uns herum eingeschüchtert. Wenn ihr mit denen zusammenarbeitet, fliegt ihr bei uns raus, hieß es. Da standen Menschen aus der Crew vor mir und haben geheult. Die Leute von der Internetseite, die das alles losgetreten haben, haben immer wieder Lügen verbreitet. Die haben einfach behauptet, ich hätte jemanden verklagt und Schmerzensgeld kassiert. Was machst du mit den 15.000 Euro, hat mich einer gefragt. Ich sag: “Digger, ich habe niemanden verklagt, ich hab noch nie jemanden angezeigt. Ob meine Hand ins Lagerfeuer gehalten wurde oder einer meine Vorderzähne ausgeschlagen hat, noch nie!” Ich sage aber nicht, dass ich das ewig durchhalte. Das “Spiegel”-Interview kommt raus und ich bekomme Morddrohungen. Um es noch mal zu sagen: Ich habe bestimmt Sachen gemacht, von denen ich heute denke: Alter, war das erbärmlich! Aber zeig mir einen, der rundum super ist. Wenn da was war, dann stelle ich mich dem. Das habe ich immer so gemacht. Aber wir lassen uns nicht mehr wie die letzten Vollwichser darstellen, denen alles egal ist. Ist es uns heute nicht, war es uns nie. Es ging den Leuten ja auch nicht um Aufklärung. Die fand nicht statt. Das mussten wir selbst erst mal verstehen. Es war ein reiner Zerstörungswille.
Kommen wir zu positiveren Entwicklungen: Hauke, wie bist du zur Band gekommen?
Hauke: Unser Monitortechniker Peter ist ein gemeinsamer Freund. Er meinte irgendwann zur Band: “Fragt doch mal Hauke, vielleicht passt das.”
Monchi: Christoph und Jacobus waren zu dem Zeitpunkt schon länger raus, auf unsere Initiative, um es noch mal klar zu sagen. Aber wir haben jetzt nicht 30, 40 Leute ausprobiert, um jemanden für den Posten zu finden.
Olaf: Wir wussten, wenn es Hauke nicht wird, dann haben wir auch erst mal keine weitere Option.
Wie sehr hattest du die Band auf dem Schirm, Hauke?
Hauke: Geht so, aber wenn man in Rostock wohnt, dann kennt man Feine Sahne natürlich. Ich war vorher in anderen Genres unterwegs, habe aber schnell gemerkt, dass die Band Bock auf was Neues hat, auf meine Ideen, dabei aber auch den Kern des Ganzen zu bewahren. Das hat gut gepasst. Persönlich fand ich Feine Sahne Fischfilet als Phänomen immer spannend, musikalisch war es mir oft aber zu rumpelig. Das neue Album ist in der Hinsicht ein Riesenschritt nach vorner: die Trompete, die Gitarren-Arrangements, der ganze Vibe…
Olaf: Das fühlt sich für uns genauso an. Wir haben als Band wieder richtig gut zusammengefunden. Wir haben uns hingesetzt, uns Zeit genommen für die Lieder. Da war eine neue Lust an der Musik, die sich krass angestaut hatte.
Hauke: Von Oktober bis April haben wir sehr viel Zeit miteinander verbracht und auch schon die ersten Songs geschrieben. Irgendwann haben wir Philip Hoppen, unseren Produzenten, dazugeholt. Als das ganze Team komplett war und jeder seine Meinung abgeben konnte, hatte ich das Gefühl, dass wir bereit sind.
Feine Sahne Fischfilet (Foto: Erik Weiss)
Wie würdest du deinen Anteil daran beschreiben?
Hauke: Vielleicht ein etwas anderer Sound, eine andere Art, Gitarre zu spielen.
Monchi: Das ist es, was Feine Sahne für mich ausmacht: Im Fundament sind wir dieselbe Band wie eh und je, aber immer aufgeschlossen, was Neues zu machen. So empfinde ich die Platte. Das ist nicht irgendeine abgefuckte Kunstscheiße, aber wir sind auch nicht stehengeblieben. Man muss sich das noch mal vorstellen: Eines der ersten Konzerte für Hauke war in Köln mit den Toten Hosen vor 40.000 Leuten.
Hauke: Das war schon sehr aufregend, aber auch echt schön. Durchgestanden, okay gespielt, nicht alles richtig, aber mit den Shows immer sicherer geworden, so lief das etwa. Irgendwann stellte sich dann auch echte Vorfreude ein.
Wie groß sind eure Befürchtungen, dass das Publikum nach dem Shitstorm wegbleibt?
Olaf: Natürlich stellst du dir solche Fragen, ich bin mir sicher, dass das bei allen von uns so ist. Wir sind eine Band, die eine große Dankbarkeit hat, für das, was uns widerfährt. Wenn alles weniger werden sollte, wäre das trotzdem nie ein Grund, nicht mehr in dieser Band zu spielen. Wenn die Clubs kleiner werden, dann reißen wir eben die ab.
Monchi: Wir haben jahrelang vor 300 Leuten gespielt. Klar denkst du mal, ob Wuhlheide jetzt ein bisschen zu groß war. Der Punkt aber ist: Wir waren noch nie so geile Feine Sahne wie jetzt, sowohl menschlich als auch bandmäßig. Wenn es jetzt runtergeht mit den Läden, dann ist das eben so. Schlimmer wäre es, in großen Hallen zu spielen und die Band nicht mehr zu fühlen.
Stand die Auflösung je zur Debatte?
Olaf: Für mich nicht. Das alles hört ja nicht auf, nur weil man die Band auflöst.
Monchi: Wenn man sich das alles anschaut, die Morddrohungen, Sprengstoff-Räumungen vor Konzerten, Drohbriefe, scharfe Patronen in Briefkästen von Freunden – da fragst du dich schon: Ist es das wert? Ich lebe im Bewusstsein, dass jeder mein Gesicht kennt. Wenn ich zum Bäcker gehe und da sitzen fünf Thor-Steinar-Typen, erkennen die mich sofort. Ich habe sofort in einen Modus zu gehen, ich muss hart sein. Wer da Schwäche zeigt, geht kaputt. Das ist natürlich schwer. Ich will schwach sein können, aber ich habe diese Wahl nicht mehr. Umso wichtiger ist es aber, sich darauf zu besinnen, was man hat. Und das ist nun mal die Band. Ich finde es geil, in großen Hallen zu spielen. Ich finde es geil, Festivals zu spielen, aber ich will erst mal, dass wir eine geile Band sind. Dann kommen auch andere Sachen. Guck dir das neue Album an. Wir geben da so viel rein, jedes Lied, jeder Text hat eine persönliche Geschichte. Es geht nicht darum, dass wir die dicksten Eier haben, es ist von hart bis herzlich alles dabei. Ich hab halt eine große Fresse, und wer eine große Fresse hat, braucht nicht zu heulen, wenn er mal aufs Maul bekommt. Für mich ist es das größte Geschenk, mich in diesen Liedern, in meinen Geschichten ausdrücken zu können.
“Wenn es jetzt runtergeht mit den Läden, dann ist das eben so. Schlimmer wäre es, in großen Hallen zu spielen und die Band nicht mehr zu fühlen.” – Monchi
Deine Texte scheinen diesmal introspektiver ausgerichtet, es geht mehr um den Blick ins Innere, ins Persönliche.
Monchi: Ja, aber auch, weil wir uns immer weiterentwickeln. Bei den ersten Platten war das noch Parolen-Gedresche, aber guck dir “Scheitern & Verstehen” an, “Bleiben oder Gehen”, da wird es immer persönlicher. Wenn ich den Kids von meiner Ex-Freundin, für die ich Stiefpapa war und mit denen ich noch gut bin, das Lied “Tage zusammen” vorspiele, oder meinem Kumpel Dariusz, der in der Seenotrettung arbeitet, das Lied “Wenn wir uns sehen” geben kann, ist das sehr dicht an mir dran. Es gab in letzter Zeit auch einige Enttäuschungen, umso schöner ist es, sich bei diesen Freunden zu bedanken und ihnen sagen zu können: “Schön, dass es dich gibt!” Irgendwelcher oberflächlicher Scheiß berührt mich nicht. In erster Linie geht es für mich darum, dass mich die Texte berühren und dass es eigene Geschichten sind. Feine Sahne wird aber niemals ein Kirchenchor-Konzert machen, wir stehen auch für Eskalation. Das ist es ja, worauf die Leute Bock haben, gerade nach der Corona-Zeit wollen sie abgehen.
“Wenn wir uns darauf besinnen, was Man On Man ist und sein wird, kommen uns sofort zwei Dinge in den Sinn: Energie und Gemeinschaft. Und ‘Showgirls’ ist all das”, so Roddy Bottum in Bezug auf den neuen Song. “Showgirls” ist die erste Singleauskopplung aus dem kommenden Album “Provincetown”: Angelehnt an eine Varieté-Show aus den 90er Jahren, hisst das Stück im dazugehörigen Video die Regenbogenfahne und läutet damit Wechsel von Schwarz-Weiß zu Bunt ein.
Genauso lustvoll wie die Tracks des Vorgänger-Albums, zelebriert der Indierock-Song “Showgirls” das offen ausgelebte Schwulseins des Duos um Roddy Bottum und Joey Holman sowie deren gemeinsame Liebe inmitten queerer Gemeinschaft. Der Schwarz-Weiß-Clip beginnt mit einem Männer-Mosh-Pit und endet in einer regenbogenbunten Orgie, der die Blaupause für die von Bottum beschrieben Energie und Gemeinschaft liefert. War das Debütalbum eine Ausformulierung ihrer aufkeimenden Liebesbeziehung, stellt die neue Platte eine Auseinandersetzung mit der Frage nach queerem Begehren dar: Was bedeutet es in einer Gesellschaft offen queer zu sein, die immer stärker in konservative Gefilde abdriftet?
Sowohl die erste Singleauskopplung als auch das Album “Provincetown” sind eine Hommage an die gleichnamige Stadt in Massachusetts. Diese ist seit den 70er Jahren eine Pilgerstätte der queeren Community. Gleichzeitig ist an dem Ort, an dem Bottum und Holman ihren ersten gemeinsamen Wohnsitz hatten, ein Großteil des Albums entstanden.
Gegründet hat sich Projekt um Fait No More-Keyboarder Roddy Bottum und seinen Partner Joey Holman während der Pandemie: 2020 erschien mit “Daddy” die erste Single des Duos. Diese wurde prompt von Youtube entfernt. Begründung: Der Clip verstieße gegen die “sex and nudity policy”. Wenig später wurde allerdings zurückgerudert und das Video ging wieder online. 2021 folgte das gleichnamige Debüt. Seitdem lustwandelt das Duo unverblümt ehrlich und mit jeder Menge Humor zwischen Indie-Rock, Shoegaze und Dream-Pop.
Das neue Album wird am 16. Juni via Polyvinyl erscheinen und kann bereits vorbestellt werden.
Vor vier Jahren kündigte Kraftklub-Frontmann Felix Kummer überraschend ein Soloprojekt an. Gleichzeitig erklärte er allerdings auch, dass Kummer ein einmaliges, zeitlich begrenztes Projekt sein werde. Das Album “Kiox”, mit teilweise sehr persönlichen Texten, wurde zudem in physischer Form nur ein einziges Mal aufgelegt, im extra dafür gegründeten eigenen Plattenladen verkauft und wird auch in Zukunft nicht wieder hergestellt. Nach einer ausverkauften Tour und einer pandemiebedingten Zwangspause, gab es im Sommer 2022 dann zwei Shows in der Berliner Wuhlheide, die das Ende von Kummer darstellen. Diese beiden Konzerte stehen auch im Mittelpunkt der nun angekündigten Dokumentation “Bye, Bye Kummer”.
Darin werden die letzten Tage des Projekts intensiv vor und hinter der Bühne begleitet und mit Bildmaterial aus “drei turbulenten Jahren Kummer” zu einem dreiteiligen Dokumentarfilm und Konzertmitschnitt zusammengefasst. Folge 1 der Dokumentation begleitet die Anfänge der Albumproduktion und die Aktivitäten rund um den Release. Folge 2 beschäftigt sich mit der Pandemie, dem Lockdown und den damit verbundenen Hürden wie geschlossene Venues, Terminverschiebungen und Einlassbeschränkungen. Die abschließende Folge steht dann ganz im Zeichen der letzten beiden großen Konzerte.
Die dreiteilige Konzert-Doku ist ab dem 5. Mai 2023 in der ARD Mediathek zu sehen. Das rbb Fernsehen sendet die Folgen 1 und 2 am Dienstag, den 9. und 16. Mai, um 23:30 Uhr. Folge 3 wird in der Nacht vom 23. auf den 24. Mai um 00.00 Uhr gezeigt.
Mit Kraftklub hatte Felix Kummer zuletzt im September das Album “Kargo” veröffentlicht. Anschließend folgt eine ausgedehnte und zu Großteilen ausverkaufte Tour. Im kommenden Sommer sind Kraftklub dann auf zahlreichen Festivals unterwegs, unter anderem auf dem Hurricane, Southside oder Juicy Beats.
Platte der Woche: The St. Pierre Snake Invasion – “Galore”
Das dritte Album von The St. Pierre Snake Invasion ist eine explosive Reise zu Frontmann Damien Sayells inneren Dämonen: Mit preschenden Gitarrenriffs und simplen Beats, kommt die Platte einer Therapiesitzung gleich, bei der Sayell zwischen Sprechgesangs-Einlagen sein Innerstes auf Wut und Kontrollverlust abklopft. Nicht nur eines der persönlichsten Alben der Noise-Band, sondern vielleicht sogar das Beste.
The Mars Voltas Akustik-Naschschlag läutet eine kleine Zäsur ein: Zwischen karibischen Vibes und Folk-Klängen kommt das Akustikalbum deutlich abgespeckter daher, als sein poppiges Gegenstück. Eine dezente Rückbesinnung, für die Cedric Bixler-Zavala sogar seinen Gesang zugunsten der Instrumente zurückfährt.
Dystopisch und ohne sich in übermäßigem Pathos suhlen, beschwören Grave Pleasures zwischen unterkühlten Synthies die bittersüße Schönheit des Untergangs. Damit halten sie sich und der Gesellschaft den Spiegel vor und knüpfen inhaltlich zwar an den Vorgänger an, setzen aber eine persönlichere Note.
War das sechste Album von Enter Shikari ein Abgesang auf die Menschheit, stimmen sie mit “A Kiss For The World” optimistischere Töne an: Zwischen Trance-Pop und krachenden Gitarren betont die britische Post-Hardcore-Band Zusammenhalt in Zeiten von Klimakollaps und zunehmenden Krisen.
The Heavy senden mit ihrer neuen Platte ein lautes “Amen” an die Welt und zimmern sich ein Crossover-Soundmobiliar aus souligen R’n’B-Balladen und Country-esken Stücken wie “Ain’t A Love”. Eine abwechslungsreiche Platte, die ihre Akzente zwischen Old-School-Vibes und Garage-Rock-Elementen setzt. Amen!
Auf seinem gleichnamigen Debütalbum begibt sich Jim Lawton alias Electric Enemy zwischen peitschenden Gitarrenriffs und Klavierklängen auf eine Reise inmitten unruhiger Gewässer und zeigt, wie man sich mit Soul in der Stimme durch schwierige Beziehungen und psychische Hochs und Tiefs navigiert. Identifikation und Schmerzlinderung gleichermaßen.
Als wäre man in einen Topf voll mit Patschuli gefallen: Auf ihrem zweiten Album beamen The Doghunters sich mit dem von groovigen Melodien getragenen Space-Rock geradewegs Richtung 70er und kundschaften mit nostalgischem Eskapismus jegliche Soundgrenzen zwischen Flamenco und Psychedelic-Rock aus.
Mal bleischwer, mal leichtfüßig lassen Black Moon Circle auf ihrem Album die Geister der Vergangenheit hinter sich und nehmen sich dafür alle Zeit der Welt: Wo sich der Opener noch jenseits der Elf-Minuten-Grenze bewegt, sprengt das Schlusslicht “Radian Sun” mit der epischen Länge von 22 Minuten alle Grenzen.
Pearl Jam haben der Ticketanbieter Ticketmaster untersagt, das neuartige Modell der “dynamischen Preisgestaltung” auf die Tickets ihrer kommenden US-Tour anzuwenden. In einem Statement erklärt die Band um Frontmann Eddie Vedder, man wolle so “den Zugang der Fans zu Tickets zu fairen Preisen weiterhin schützen”. Außerdem will man überall da, wo es möglich ist, die Tickets “nicht übertragbar machen”, um den Schwarzmarkthandel so weit wie möglich einzudämmen. “Pearl Jam werden auf dieser Tournee zum ersten Mal All-in-Preise verwenden”, heißt es. “Das bedeutet, dass der Ticketpreis, den ihr seht, der volle Preis inklusive Gebühren ist, damit es keine Überraschungen beim Check-out gibt.” Damit reagiert die Band auf unverhältnismäßig hohe Gebühren bei Vorverkauf über Ticketmaster.
Mit dem Kampf gegen überteuerte Ticketpreise in den USA sind Pearl Jam nicht alleine. Auch The Cure hatten den Verkauf ihrer Tickets mit “dynamischer Preisgestaltung” im März untersagt. Nachdem die Plattform anschließend hohe Gebühren verlangt, die die Ticketpreise selbst teilweise sogar überstiegen, ging Frontmann Robert Smith auf Twitter auf direkten Konfrontationskurs und sorgte für eine Entschädigung der Fans. Zudem unterbinden The Cure den Schwarzmarkthandel und haben in der Vergangenheit bereits mehrere tausend Tickets für ungültig erklärt, die über nicht-autorisierte Anbieter angeboten worden.
Mit dem in den USA entwickelten Modell des “dynamic pricing” richtet sich der Ticketpreis, ähnlich wie bei Flügen oder Hotelzimmern, nach dem Angebot und der Nachfrage. Klicken zum Beispiel bei einem Vorverkaufsstart viele User:innen auf die Seite der Ticketanbieter, erhöht sich der Preis – teilweise um ein Vielfaches. So wurden in den USA manche Tickets für die Touren von Bruce Springsteen oder Taylor Swift für mehrere Tausend Dollar angeboten – dann zum Beispiel als “Platin-Ticket” deklariert. Einen Mehrwert zu Tickets derselben Kategorie zum ursprünglich aufgerufenen Preis bekommt man allerdings nicht. Das US-Justizministerium ermittelt in diesem Zuge bereits wegen möglichem Machtmissbrauchs.