Für VISIONS 185 haben wir uns mit Chuck Ragan im August 2008 über seine Leidenschaft unterhalten.
Dein Hobby ist Angeln…
Chuck Ragan: Es ist mehr als ein Hobby. Ich bin damit aufgewachsen, es ist Teil meiner Familiengeschichte, Teil meines täglichen Lebens. Einige meiner frühesten Erinnerungen drehen sich darum, wie ich mit vier oder fünf Jahren mit meinen Eltern und Großeltern angeln war. Es ist nicht nur ein Hobby, es ist eher eine Art Religion für mich.
Deine ganze Familie angelt?
Ja. Mein Großvater mütterlicherseits war sehr traditionell. Er hat von dem Land gelebt, das er bewohnte. Er ging jagen, er ging angeln, er baute Gemüse an. So bin auch ich aufgewachsen. Ich sehe Angeln nicht als Sport, sondern als Lebensart. Ich mache das nicht zum Zeitvertreib, es liegt mir im Blut. Wenn ich am Wasser bin, egal an welcher Art von Gewässer, komme ich zur Ruhe, kriege einen klaren Kopf. Und ich fange das Abendessen. (lacht) Ich gehe oft mit meinem Bruder angeln oder mit meiner Frau.
Wie angelst du – von einem Boot aus?
Wir haben ein paar Boote, ja, aber es hängt immer davon ab, was man fangen will. Man kann in Flüssen in den Bergen angeln, an der Küste oder draußen im Meer. Im Salzwasser richtet man sich am besten nach den Gezeiten, die bringen die Fische ganz von selbst zu dir. In Süßwasser, wenn man etwa in Flüssen fischt, geht man am besten früh morgens oder abends los, wenn es nicht zu heiß ist, weil das die Fische träge macht. In kälteren Gegenden ist es allerdings genau andersherum, da wartet man auf die Mittagssonne.
Was für Köder benutzt du?
Je nachdem, was man fangen will. Am besten ist, verschiedene Lebendköder zu benutzen. Fische fressen kleinere Fische. Und die muss man zuerst fangen. Man nimmt Fischreste, zermahlt sie und wirft alles ins Wasser. Das Öl und Blut ziehen dann die kleinen Fische an, und man kann sie mit einem Netz fangen.
Was ist mit Würmern?
Ich habe eine Wurmzucht zu Hause. Das sind Tausende. Sie kompostieren das Essen, das ist gut für den Garten, und die Würmer sind gut für die Fische. Es ist ein Kreislauf.
Woher weiß man, welche Fische man mit welchen Ködern fangt?
Wenn wir einen Fisch fangen, schneiden wir ihn als Erstes auf und gucken nach, was drin ist und was er zuletzt gegessen hat. Dann weiß man, welchen Köder man braucht.
Sind immer kleinere Fische drin oder gibt es auch Pflanzenfresser unter den Fischen?
Es gibt auch vegetarische Fische. Aber die schmecken meist nicht so gut.
Wirfst du manche zurück ins Wasser?
Ständig. Ich gebe ihnen einen Kuss und lasse sie wieder los. (lacht) Das sind einige der schönsten Momente überhaupt, wenn man einen großen Fisch fängt und ihn dann wieder zurückwirft und davonschwimmen sieht.
Und wenn du sie doch behältst, tötest du sie direkt?
Manchmal. Normalerweise hänge ich sie an einem Stringer ins Wasser, damit sie weiterleben und frisch bleiben. Wenn ich eine Kühlbox dabeihabe, lege ich sie aber auch direkt hinein. Man braucht sie nicht erst töten, sie erfrieren einfach.
Kochst du selbst?
Klar. Man kann Fisch auf so viele Arten zubereiten. Wir grillen viel, wir essen gerne Fisch-Tacos, wir braten Fisch, wir backen ihn. Es gibt auch viele tolle Fische, die man roh essen kann. In Kalifornien gibt es den Yellowtail oder Hamachi, den kann man direkt auf dem Boot mit ein bisschen Wasabi und Sojasoße essen.
Isst du viel Fisch, wenn du auf Tour bist?
Ich esse immer gerne Fisch. Ich würde auch gerne selbst angeln gehen, wenn ich unterwegs bin, aber ich habe so selten einen freien Tag. Fisch schmeckt so viel besser, wenn man ihn selbst gefangen hat und weiß, woher er kommt. Daheim jage ich auch, vor allem Wild und Truthahn. Meine Eltern leben in Alabama und haben ein riesiges Grundstück, auf dem ich jagen gehe. Natürlich kaufe ich auch im Supermarkt ein und gehe in Restaurants, aber am liebsten ist mir, was ich selbst gefangen habe. In den Städten haben wir unseren Instinkt dafür verloren. Wir haben ihn durch Bequemlichkeit ersetzt. Aber wenn ich mich in die alten Tage des Jagens und Sammelns zurückbegebe, ist das ein unglaublich befreiendes Gefühl. Es ist wie vor 2.000 Jahren. Du beobachtest die Vögel, das Wasser, und die Natur sagt dir, wo die Fische sind. Und dann bringst du einen Fisch nach Hause, um deine Familie zu ernähren.
Gibst du die Tradition weiter?
Auf jeden Fall. Ich habe noch keine Kinder, aber wir nehmen unsere Nichten und Neffen mit zum Angeln. Ich will es ihnen allerdings nicht aufzwingen, manche Leute können etwas damit anfangen und manche eben nicht.
Und wie stehst du zu Leuten, die komplett dagegen sind, Tierrechtsorganisationen oder Kampagnen gegen das Angeln?
Nun ja, ich halte mich an die Gesetze. Und ich glaube, wenn das mehr Menschen täten, gäbe es nicht so viele Kampagnen. Es gibt so viele verantwortungslose Leute, die machen, was sie wollen und die Umwelt dabei zerstören. Das sind nicht nur einzelne Menschen, sondern auch kommerzielle Fischereibetriebe. Ich verstehe diese Kampagnen, auch wenn ich offensichtlich nicht völlig mit ihnen übereinstimme. Ich bin eben anders aufgewachsen. Nicht in der Stadt, wo man distanziert lebt, sondern auf dem Land, wo wir das meiste Essen selbst angebaut oder gejagt oder gefangen haben. So hat meine Familie schon immer gelebt. Und vor gar nicht so langer Zeit haben alle Menschen so gelebt.