Wer im Netz bei der Suche die Begriffe “album” und “dead” kombiniert, findet eine ausgewogene Mischung an Features, die entweder feststellen, das Album sei tot, oder das komplette Gegenteil davon formulieren: Das Album sei eben nicht tot. Eine Story im Businessmagazin Forbes bringt diesen Entweder-oder-Zustand auf den Punkt, wenn es heißt: “The music album is dead, but not everyone’s accepted it yet.” Was denn nun?
Schaut man auf den großen Pop-Markt, zeigen Daten des Online-Musikvertriebs Ditto Music, dass dort die Anzahl veröffentlichter Alben seit 2016 um 25 Prozent zurückgegangen ist; um fast genau diesen Anteil zugelegt haben in diesem Zeitraum EPs, die “kleinen Schwestern” des Albums, mit vier bis sechs Tracks sowie Laufzeiten von 15 bis 22 Minuten, wie Ditto Music die Grenzen definiert. Unter den Gründen für diesen Trend führt das Unternehmen auf, dass EPs – zumal als Digital-only-Veröffentlichungen – deutlich günstiger zu produzieren sind, jedoch wie Alben die Funktion erfüllen, sowohl neue Fans zu gewinnen als auch alte zu bedienen. Mehr noch: Wenn sich die Nutzer der Streamingportale, wie es bei Alben der Fall ist, gleich durch ein Dutzend oder mehr Tracks hören müssen, könnte das eher abschreckend wirken, vermutet man bei Ditto Music. Die EP wirke daher einladender, weil sie niemanden überfordere.
Eine Erfindung des digitalen Zeitalters ist die EP-Methode nicht, die britische Indie-Szene arbeitete schon in den 80ern mit diesem Format, um neue Hype-Bands zu etablieren. Shoegazer wie Ride oder Proto-Britpopper wie die Stone Roses, The Charlatans, Inspiral Carpets oder Suede bekamen bei den Weekly-Magazines bereits Coverstorys, bevor sie ein Album draußen hatten. Mehr noch, als die LP dann in die Läden kam, war der Hype manchmal schon wieder vorbei. Im Streaming-Zeitalter ergibt sich durch EP-Veröffentlichungen ein neuer Vorteil: Bei den großen Portalen sind Algorithmen am Werk, die ständig auf der Suche nach Neuem sind. Eine Single-Auskopplung aus einem bereits mehrere Monate alten Album fällt nicht in diese Kategorie. Die Kernsingle einer gerade gedroppten EP sehr wohl. Und weil das Geld bei den Streaming-Diensten nicht mit Alben, sondern mit Hilfe massenhaft abgerufener Tracks verdient wird (die sich dafür in Playlists befinden müssen), ist die EP/Single-Kopplung kommerziell erfolgversprechender.
Lässt man den Kommerz außen vor, ergibt sich kein Bild einer Wachablösung. Ob in den gedruckten oder digital verfügbaren Musikmagazinen, ob bei Youtube-Influencern wie Anthony Fantano oder in den Schaufenstern der Plattenläden – es sind 2022 weiterhin die Alben, die besprochen und herausgestellt werden. Das liegt, ganz profan, daran, dass viele EPs eben gar nicht als haptische Produkte erscheinen. Der Streaming-Welt ist das Schnuppe. Der weiterhin stark produktbezogenen Alternative-Welt nicht. Rivers Cuomo von Weezer ist sich dessen bewusst, als er mit Weezer 2022 vier jahreszeitlich sortierte EPs veröffentlicht, die jeweils auch als CD sowie 12-Inch-Vinyl zu haben sind, wobei diese Platten mit sieben Stücken (auf der Vinyl-Veröffentlichung findet sich dann jeweils noch ein Bonustrack) und bis zu 24 Minuten Spielzeit auch als Mini-Alben durchgehen würden.
Nun spielen Weezer bereits seit einigen Jahren mit den Formaten (man denke an die Metal-Motto-Platte “Van Weezer” von 2021 oder die “Africa”-Tausch-Single mit den Mainstream-Rockern Toto). Andere Gruppen bleiben jedoch dem traditionellen Albumformat treu. “Wenn ich als Künstler eine größere Story zu erzählen habe, dann wähle ich als Format das Album, denn nur so kann ich der Geschichte gerecht werden”, formuliert Brett Anderson, Chef von Suede, zum 2022er-Album “Autofiction”, einer Platte, auf der er sich intensiv mit seiner persönlichen Entwicklung beschäftigt.
Dass einige Künstler mit reinen EP-Veröffentlichungen wohl die Befürchtung verbinden, unter dem Radar zu bleiben, beweist die jüngste Kampagne von Johnny Marr: 2021 und 2022 veröffentlicht der Gitarrist, Songschreiber und Sänger drei EPs mit dem Titel “Fever Dreams I”, “II” und “III”, bevor Ende Februar 2022 das Doppelalbum “Fever Dreams Pts 1-4” erscheint, mit den Stücken der drei EPs plus Songs eines vierten Teils, den es als EP aber gar nicht gab. Warum diese Stücke noch einmal auf ein Album packen, wenn sie doch größtenteils als EP-Tracks längst kursieren? Im Interview sagt er, dass es schon eine Rolle gespielt habe, dass “Fever Dreams Pts 1-4” nun seine vierte Studio-LP sei – und er damit seine Ex-Band The Smiths bei der Zahl der Albumveröffentlichungen eingeholt habe. Die Langformate sind es also, die eine Diskografie prägen. Nicht die Singles und EPs.
Es gibt in diesem Jahr dennoch Bands, die bewusst auf Singles gesetzt haben. Jimmy Eat World etwa bringen im Verlauf der zurückliegenden zwölf Monate die neuen Songs “Something Loud” und “Place Your Debts” heraus, die ersten Veröffentlichungen auf ihrem eigenen Label. Ein Album folgt nicht; die Band entscheidet sich dafür, die post-pandemischen Monate des Jahres 2022 mit zahlreichen Auftritten zu verbringen, statt isoliert im Studio zu arbeiten. In einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian sagt Sänger Jim Adkins, hinter der Veröffentlichungsstrategie habe der Wunsch gestanden, sich noch einmal so frei zu fühlen wie eine junge Band, die nicht in LP-Rhythmen denkt, sondern Singles raushaut, wann immer sie Bock dazu hat: “Wir alle identifizieren uns auch weiterhin mit einem 19-Jährigen, der schläft, wo er will, und abends zu irgendeinem Live-Gig geht. Wir sehen uns zu einem Teil selbst als solche Kids, das ist es, was uns antreibt.” Die Aufnahmen zum jüngsten Jimmy-Eat-World-Album “Surviving” von 2019 seien, der Titel verrät es bereits, dagegen sehr aufreibend gewesen. Entsprechend war der Rhythmus aus Singles und Konzerten ein Weg, die mentale Gesundheit der Band aufrechtzuerhalten. Zumal man sich mit Digital-only-Veröffentlichungen den Stress mit den Presswerken erspart: Wer immer 2022 Vinyl veröffentlichen will, muss lange Wartezeiten und immens gestiegene Rochstoffpreise in Kauf nehmen. “Mal eben” ein Album rauszuhauen, das funktioniert auf Vinyl bis auf Weiteres nicht mehr. Vielleicht wird es sogar nie wieder funktionieren. Weshalb die schnelle, digitale One-off-Single als Tour-Booster, Lebenszeichen oder spontane Aktion für einige Künstler weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Andere Veteranen arbeiten 2022 ganz anders: Die Red Hot Chili Peppers feiern 2022 die Rückkehr von Gitarrist John Frusciante mit zwei Doppelalben, “Unlimited Love” und “Return Of The Dream Canteen”; die Zusammenkunft der Traumbesetzung hat kreative Energie freigesetzt, die Bands wie die Red Hot Chili Peppers weiterhin am liebsten in Alben umsetzen. Bei NoFX ist keine Rückkehr, sondern das nahende Ende der Boost: Fat Mike kündigt für 2023 die Auflösung der Band an, verbunden mit finalen Veröffentlichungen. So folgt auf das “Single Album” von 2021 (nach fünf Jahren ohne Langformat) Ende 2022 das “Double Album”; weitere Alben sollen bereits fertiggestellt sein. Torschlusspanik? Resteverwertung? Oder einfach nur Bock darauf, noch einmal alles zu geben? Die vielen begeisterten Fanreaktionen lassen auf letzteres schließen.
Vermutlich deutlich weniger begeistert sind die meisten Hörer von dem, was die Smashing Pumpkins ihren Fans 2022 um die Ohren hauen: Mit “Atum” hat die Band ein Drei-Akte-Werk konzipiert, das im Laufe von rund sechs Monaten in drei Teilen erscheint, jeder Akt umfasst dabei ein ganzes Album – und die Trilogie steckt schon jetzt nach dem ersten Teil knietief im qualitativen Morast. Selbst eine Persönlichkeit wie Billy Corgan verfügt offenbar über genug Selbstschutz, einen unfassbar miesen Song wie “Hooray!” – wenn überhaupt – nur als zehnten von elf Albumstücken zu veröffentlichen. In diesem Sinn bleiben Alben auch weiterhin die beste Möglichkeit, schlechte Musik zu verstecken. Auch wenn sie sonst das Maß der Dinge bleiben.
Die Konzerte sind zurück – aber wo sind die Zuschauer? Im Juli waren wir dieser Frage in VISIONS 353 in einer großen Reportage nachgegangen, weil der Neustart der Konzertbranche holprig verlief. Offenbar waren Teile des Publikums noch zu verunsichert von ihren Pandemie-Erfahrungen und blieben nun den Shows fern. Seitdem hat sich die Lage in einigen Bereichen stark verbessert, in anderen wurde sie dagegen noch dramatischer. Kannte die Branche fast zwei Jahre lang nur den Winterschlaf, Social-Distancing-Open-Airs und Streaming-Konzerte, bewegt sich das klassische Live-Segment nun in alle Richtungen auf einmal. Seit dem Sommer vertrauen die Fans anscheinend wieder stärker darauf, dass Konzerte sicher sind und auch wirklich stattfinden, viele Shows – von der gehypten Club-Band bis zum Stadion-Act – sind ausverkauft. Andere Musiker:innen müssen dagegen ganze Touren aus vielfältigen Gründen absagen, im Graubereich dazwischen werden Konzerte aufgrund phänomenal großer oder niedriger Nachfrage hoch- und runterverlegt, und das genreübergreifend. Auf die lange Zwangspause, insbesondere den Lockdown im Winter 2021/22, folgt ein prallgefüllter Sommer und Herbst, der Veranstalter:innen und insbesondere Bands vor große Probleme stellt – und zwangsläufig viele Opfer fordert.
Absagen mit Ansage
Kommunizieren Bands in diesen Monaten mit ihren Fans über die sozialen Medien, fallen oft Worte wie “abgesagt”, “verschoben” und “logistische Gründe”. Letztere sollen demnach dafür verantwortlich sein, dass in den vergangenen Monaten Bands wie Primus oder Shinedown ihre Europa-Touren absagten. Bands also, deren Konzerte üblicherweise Besucherzahlen im vierstelligen Bereich verzeichnen. Dasselbe gilt für die Thrash-Legenden Anthrax, deren Bassist Frank Bello erklärt, dass sich die Kosten der im Vorjahr geplanten und kalkulierten Tour verdreifacht hätten – wodurch selbst bei vollen Hallen ein Minusgeschäft drohe. Genau ein solches macht unter anderem das Ruhrpott Rodeo, das größte Punk-Festival Deutschlands. Das hat zwar fast so viele Tickets verkauft wie vor der Pandemie, hätte im Vorverkauf aber 20 Euro mehr pro Karte nehmen müssen, um die gestiegenen Kosten zu decken.
Bands wie Rammstein füllen auch 2022 Stadien, andere können sich Touren kaum noch leisten (Foto: Olaf Heine)
Ging es im Sommer vor allem um die Frage, warum zu wenige Menschen im Vorfeld Tickets kaufen, gesellt sich nun noch das Problem dazu, dass selbst Vorverkaufszahlen, die bislang in Ordnung gewesen wären, nicht mehr gut genug sind. Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass zumindest im Moment Touren relativ problemlos durchzuführen sind, wenn die Verkäufe stimmen. Wer wie Rammstein ganze Fußballstadien innerhalb von Stunden ausverkauft, muss sich weniger Sorgen machen, selbst die größte Produktion ohne logistische Probleme aufzufahren. Vereinfacht kann man bereits an dieser Stelle festhalten: Ohne Corona-Maßnahmen ist derzeit der Vorverkauf der bestimmende Faktor dafür, ob Konzerte stattfinden. Als Tocotronic Teile ihrer Tour auf 2023 verschieben, erklären sie: “Wir wollen ganz ehrlich sein: Im Augenblick sind die Vorverkäufe zu schwach, als dass sich eine Durchführung der Tour für die Clubs, die örtlichen Veranstalter:innen, uns und unsere Crew gerechnet hätte.”
Im Sommer waren wir gemeinsam mit Veranstalter:innen und einem Eventpsychologen auf Spurensuche gegangen, warum das Publikum beim Vorverkauf zögert; im Winter ist das Problem nun zwar immer noch vielschichtig, der Auslöser aber einfacher zu benennen: 10,4 Prozent Inflation herrschten im Oktober 2022 in Deutschland – wer plötzlich deutlich weniger für sein Geld bekommt, spart schnell am Luxusgut Konzert. Bands und Veranstalter*innen leiden hier gleich doppelt: Einerseits steigen die Kosten für die Durchführung eines Konzerts rapide an, gleichzeitig sinkt der Ticketabsatz aufgrund nachlassender Kaufkraft. Unter anderem die portugiesische Goth-Metal-Band Moonspell hat explizit die Inflation für sinkende Ticketverkäufe verantwortlich gemacht. Auch das Bremer Metal-Duo Mantar findet deutliche Worte. “Wir sind am Arsch”, lässt die Band verlauten und erklärt, was hinter den “logistischen Gründen” einer Absage meist steckt. “Der Grund dafür ist einfach: Es werden viel zu wenige Tickets gekauft.” Laut Mantar liegt der Vorverkauf nur bei etwa 30 bis 50 Prozent des Vor-Pandemie-Niveaus, teilweise sogar niedriger.
Dass eine Band, die noch im Juli mit ihrem aktuellen Album auf Platz 2 der deutschen Albumcharts stand, die Clubs nicht zu füllen vermag, zeigt, dass Erfolg 2022 schwieriger denn je zu messen ist. Auch sind die Märkte nicht überall für alle Bands gleich. Dadurch entstehen teilweise absurde Situationen. Während Emil Bulls auf ihrer jüngsten Tour in Deutschland öfters vor ausverkauftem Haus spielten, sagten sie die Konzerte in Österreich und der Schweiz wegen mangelndem Ticketabsatz ab.
“Shows abzusagen ist ein längerer Prozess”, sagt Fabian Livrée, Gitarrist der Dortmunder Surf-Punks Drens. “Man verfolgt den Vorverkauf und weiß, dass man dem Van-Verleiher zum Beispiel bis zu einem gewissen Zeitpunkt absagen muss. Die Crew blockt sich auch die Termine, das kann man nicht alles kurzfristig absagen. Also versucht man die Entscheidung eher früher zu treffen.” Mit anderen Worten: bevor im Vorverkauf überhaupt das letzte Wort gesprochen ist. Zwar waren Drens in der glücklichen Lage, nur einzelne Shows absagen zu müssen und den Großteil der Tour erfolgreich spielen zu können, dennoch ist die momentane Situation für eine solch junge Band deutlich schwieriger. Drens haben in diesem Jahr ihr Debütalbum veröffentlicht, wollen (und müssen) nun spielen, wann und wo immer möglich, um ihre Fanbase zu festigen und zu erweitern. Zumal das Interesse an der Band durchaus groß ist und sich lediglich nicht im Vorverkauf spiegelt.
Foto: Jonas Wenz
»Wenn man es nicht schafft, darüber zu reden, ändert sich nichts.«
Fabian Livrée, Drens
“Bei den Konzerten, die stattgefunden haben, war die Abendkasse nochmal ein erheblicher Faktor”, sagt Livrée. “Nach den Absagen haben uns viele Fans geschrieben, dass sie auf jeden Fall kommen wollten und sich schon verabredet hatten”, sagt Fabian Livrée. “Das freut uns zwar und wir glauben das. Aber ohne die feste Zusage durch den Vorverkauf können wir nicht planen. Und das tut doppelt weh, denn man enttäuscht damit die Leute, die kommen wollten.”
Wie bereits im Sommer gilt: Vor allem fehlt ohne einen ausreichend großen Vorverkauf schlicht das Geld, um die Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Venues und Technik müssen gebucht, Transport organisiert und Visa beantragt werden. Und zwar bevor an der Abendkasse das letzte Ticket verkauft wird. Die vage Hoffnung auf Hunderte verkaufte Karten am Veranstaltungstag nützt nichts, wenn im Vorverkauf nur ein Dutzend Tickets über den virtuellen Ladentisch gehen und das unternehmerische Risiko unkalkulierbar wird. Vor allem, wenn im Endspurt deutlich wird, dass die Menschen nach über zwei Jahren Pandemie immer noch nicht so spontan wie zuvor sind. “Normalerweise zieht der Vorverkauf in den sechs Wochen vor dem Festival noch mal an”, sagt Slime-Schlagzeuger und Ruhrpott-Rodeo-Veranstalter Alex Schwers. “Dieses Mal ist da gar nichts mehr passiert. Auch bei anderen Festivals.”
Hohe Logistikkosten sind indes nicht nur in Deutschland mit seinen hohen Benzinpreisen ein Problem. So sagte etwa die Arena-Rock-gewordene Metalcore-Band Architects jüngst ihre US-Tour ab – ebenfalls aus logistischen und ökonomischen Gründen. Die Post-Grunge-Band Cold hingegen erklärte in ihrer Absage, schlicht und ergreifend keinen einzigen Bus auftreiben zu können. Weil in diesem Jahr dreimal so viele Bands auf Tour wollten, gehen manche leer aus. Für die Bands ist eine Absage auch aus einem weiteren Grund problematisch: dem eigenen Status. Wer zugibt, zu wenig Tickets verkauft zu haben, gibt sich in den Augen von Booking-Agenturen und Festivals die Blöße. Warum jemanden buchen, der nicht mal ein paar hundert Karten verkauft? Für Größeres empfiehlt man sich aus wirtschaftlicher Perspektive mit Ehrlichkeit nicht. “Abseits davon ist es ja auch einfach eine wahnsinnige persönliche Enttäuschung”, sagt Livrée. “Das tut unfassbar weh. Aber wenn man es nicht schafft, darüber zu reden, ändert sich nichts.”
Groß und Klein
Wie bereits im Sommer trifft auch diese Krise nicht alle Künstler:innen gleichermaßen. Das bestätigt Veranstalter Axel Ballreich, der in Nürnberg das Concertbüro Franken und die Clubs Hirsch und Löwensaal betreibt. “Bei uns funktionieren große Arena-Themen wie AnnenMayKantereit oder SDP durchgängig sehr gut”, sagt er. “Was sehr schlecht geht, ist der Sektor Newcomer und der Indie-Bereich.” Nehmen große Mainstream-Bands indirekt den kleineren die Butter vom Brot? “Das Konzertgeschäft für kleinere Bands läuft wirklich miserabel, die haben es schwerer, auf eine schwarze Zahl zu kommen”, sagt Chris Chohan, der als Lichttechniker und Produktionsleiter für Bands wie Turbostaat, Donots und Antilopen Gang arbeitet. Das ist auch eine Frage der Verfügbarkeit: Die Clubband, die gefühlt jedes Jahr tourt, lässt das Publikum eher mal sausen als den internationalen Headliner, der sich rarmacht.
Generell gilt: Wer die Jugend mobilisieren kann, steht im Moment gut da. “Die jungen Menschen bis 25 sind tatsächlich veranstaltungsgeil”, sagt Ballreich. “In dem Segment läuft es im Moment eigentlich besser als vor der Pandemie – auch wenn das wohl eine temporäre Erscheinung ist.” Dass ausgerechnet die Generation mit dem wenigsten Geld bereit ist, das meiste im Vorverkauf auszugeben, wirkt überraschend, ergibt aber Sinn. Für einen Teenager sind 50 bis 100 Euro für eine Arena-Show zwar viel Geld, aber eine weniger riskante Ausgabe, wenn man sonst seinen Lebensunterhalt nicht allein bestreitet und von Inflationsfolgen noch vergleichsweise abgeschirmt ist. Und es ist auch die Generation, die zwei Jahre lang nicht raus und etwas erleben konnte. “Je älter das Publikum ist, und je mehr es im Alltag aus Familie, Kinder und Beruf steckt, umso schwieriger ist es, die Leute auf ein Konzert zu ziehen”, sagt Booking-Agent Humberto Pereira von Kikis Kleiner Tourneeservice (KKT). Bei den Gruppen, die finanzielle Verantwortung tragen, schlägt die Inflation deutlich stärker zu. Dadurch sind Konzerte für diese Zielgruppe oft schwächer besucht. Ausnahmen wie jüngst The Cures höchst erfolgreiche Arena-Tour bestätigen die Regel.
Insbesondere deutsche Bands spielen außerdem oft auf prozentualer Basis, tragen also auch einen Teil des Risikos. Das kann bei gutbesuchten Konzerten lukrativer sein als eine feste Gage, führt bei nur 30 Prozent Belegung aber schnell in die Miesen. Sie tendieren also dazu, bei schwachem Vorverkauf eher die Reißleine zu ziehen als internationale Bands, die gewisse Summen als Garantie einfordern, ähnlich wie es bei Festivals der Fall ist. Für die sind die Kosten einer Europa- oder Deutschlandtour allerdings auch höher. Band, Crew, Equipment – alles muss erst teuer eingeflogen und verschifft werden. Selbst internationale Popstars kommen hier an die Grenzen, darunter die Alt-Pop-Größe Lorde. “Eine Bühne um die Welt zu verfrachten, kostet inzwischen dreimal so viel wie vor der Pandemie. Ich weiß nichts über Geld, aber doch genug, um zu verstehen, dass es in keiner Industrie eine so große Profitmarge gibt”, sagte die Musikerin. Vorerst bleibt den meisten Bands und Veranstalter:innen nur, die Kosten an die Konzertbesucher:innen weiterzugeben. Das wiederum können sich nur Bands mit regem Zulauf und viel Hype leisten. Ansonsten bricht das Interesse des Publikums erneut ein – und mit ihm der Vorverkauf.
Foto: Alexandra Ballreich
»Dass viele Bands jetzt voreilig ihre Touren auf 2023 verschoben haben, war eigentlich sehr ungeschickt«
Axel Ballreich, Concertbüro Franken
Bereits im Frühjahr wurde deutlich, dass die Verknappung von Ressourcen und Personal noch große Probleme nach sich ziehen würde. “Techniker, Security, Catering und die Energiekosten sind alle um 30 bis 40 Prozent gestiegen, da tut es richtig weh”, so Ballreich. Bei einer großen Halle summieren sich etwa die neuen Energiepreise gerne mal auf mehrere 1.000 Euro pro Abend – fressen also oftmals genau das wieder auf, was im Vorfeld einer Tour als Gewinn für die Bands eingeplant war. “Die Miete in Hallen ist ebenfalls gestiegen”, sagt Pereira. “Natürlich auch, weil sie einen relativ langen Zeitraum hatten, in dem sie nicht vermieten konnten.” Finanzielle Schieflagen entstehen gerade allerdings durch das Zusammenspiel von steigenden Kosten an allen Stellen gleichzeitig – auch denen, an die man nicht gleich denkt.
Je größer das Event, desto mehr Infrastruktur muss geschaffen werden. Und deren Bausteine sind inzwischen so knapp wie teuer. “Sanitäre Anlagen sind zum Beispiel richtig teuer geworden, und das nicht nur bei der Miete, sondern auch dem Transport”, sagt Alex Schwers. Die Container, die sie beherbergen, sind 2022 nicht nur auf Festivals im Dauereinsatz, sondern wurden auch oft als Corona-Schnelltestzentren in ganz Deutschland verstreut. Oder sie sind Teil der Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine. So wirkt sich der russische Angriffskrieg auch weit über den Februar und März hinaus auf den Live-Sektor aus. “Teilweise haben Lieferanten sie aber bei sich stehen”, so Schwers weiter. “Sie bekommen sie nur nirgendwohin, weil es an Transportern und Fahrern fehlt.” Die Fahrer fehlen in der ganzen Branche, vom Equipment-Truck bis zu den Nightliner-Bussen für Bands und Crew. “Wir haben zuletzt quasi eine Ausbildungstour gemacht”, sagt Chohan. “Die Fahrer sind davor nur Stadtbus gefahren und haben niemals mit Anhänger in so einem Festival-Kontext rangiert.” Insbesondere die Busse sind auf absehbare Zeit ausgebucht und eigentlich nur noch spontan durch Absagen zu bekommen. Und können inklusive Fahrer stramme fünfstellige Summen für einen Monat auf Tour kosten.
Der Stundensatz für Personal abseits der Veranstaltungsfachkräfte, also etwa für Security, Catering-Personal und Stagehands, ist aufgrund riesiger Nachfrage ebenfalls gestiegen – mal mehr, mal weniger, oft stark abhängig vom Verhältnis der einzelnen Firma zum jeweiligen Veranstalter. Da in diesen Bereichen öfter Nebenjobber arbeiten, standen nach zwei Jahren Brache viele nicht mehr zur Verfügung – etwa Student:innen, die in der Zwischenzeit ein Studium abgeschlossen haben und Vollzeit arbeiten. “Die wurden oft genug auch einfach scheiße behandelt”, sagt Chohan. “Die stehen bei 30 Grad auf dem Feld und bekommen nicht mal Getränke hingestellt – natürlich kommen die nicht zurück. Ich habe von genug Produktionsleitern gehört, die oftmals nur zehn Prozent der angeforderten Stagehands bekommen. Und das sind dann nur Leute, die das noch nie gemacht haben. Die kann man im Grunde gar nicht einsetzen.”
Fachkräftemangel
Eine Rückkehr zur Normalität war dieses Jahr dringend notwendig, gleichzeitig war die Branche für die Masse an Veranstaltungen und parallelen Touren nicht bereit. Im Zuge der pandemiebedingten Joblosigkeit sattelten viele Menschen auf andere Berufe um. Aus Licht- und Tontechniker:innen wurden Elektriker:innen, wer im Bühnenbau arbeitet, ist ohnehin oftmals schon Schreiner:in, und Rigger:innen, die die Trassen für Licht und Soundanlage in luftiger Höhe fixieren, sind ja nichts anderes als Industriekletterer:innen. Auch mit dem IT-Bereich gibt es einige Überscheidungen. Viele von ihnen haben Sicherheit, Vorhersehbarkeit und traditionelle Arbeitszeiten zu schätzen gelernt. Oder die Branche auf andere Weise verlassen. “Viele Menschen aus der Branche haben die Pandemie nicht gut verkraftet; sie sind schwer krank geworden und haben sich teilweise auch das Leben genommen”, sagt Chohan. Bei denen, die geblieben sind, greifen Angebot und Nachfrage – eine gute Crew ist essenziell für das Gelingen einer Tour.
“Techniker, die ein paar Jahre wenig bis nichts hatten, nehmen jetzt natürlich erstmal alles mit und pokern den für sie besten Preis heraus”, sagt Ballreich. “Und natürlich ist deine ganze Kalkulation hin, wenn der Rigger statt 450 Euro pro Tag jetzt das doppelte nimmt.” Das klingt erstmal fast so, als wären Techniker:innen gerade unsolidarisch. Eine goldene Nase verdienen die sich aber auch nur in wenigen Fällen – eher mildern sie Verluste und Härten, die sie in den vergangenen Jahren erdulden mussten. “In NRW gab es ja Corona-Soforthilfen, die aber zweckgebunden waren”, erklärt Tontechniker Lucas Schmitz. “Betriebsausgaben haben Soloselbstständige aber ja eher wenige. Diese Gelder muss man jetzt zurückzahlen. Teilweise habe ich also auch Geld auf dem Konto, das ich jeden Tag angucken kann, aber es ist nicht meins.”
Foto: Mirja Nicolussi
»Eine Rückkehr zu alten Preisen wird es kaum geben.«
Alex Schwers, Ruhrpott Rodeo
Schmitz hat die Chance ergriffen und nach langer Zeit ohne Jobs den Sommer durchgearbeitet – und konnte dennoch nur die Hälfte der Jobs übernehmen, die ihm angeboten wurden. “Ich habe jeden Tag drei Anrufe bekommen, ob ich nicht irgendwo aufspringen könnte, weil zum Beispiel jemand krank geworden ist”, fügt Chohan hinzu. “Gleichzeitig musste ich als Produktionsleiter dasselbe machen.” Wer spontan bei einer Tour aufspringen kann, hat es im Moment deutlich leichter. Dennoch betreffen die Eventabsagen auch viele Techniker:innen. Allerdings sind die aufgrund der Nachfrage meistens in der Lage, spontan einen Ersatzjob zu finden. Eine gewisse Unsicherheit ist aber letztendlich auch hier vorhanden. Schmitz arbeitet aufgrund der größeren Sicherheit nun häufig im Theater. Hier ist die staatliche Förderung groß, Absagen selten.
Der Fachkräftemangel und insbesondere auch die nun rasant steigenden Lebenshaltungskosten haben auch in diesem Teil der Livebranche zu einer Erhöhung der Tagessätze geführt. “Wenn ich eine Anfrage bekomme, kann ich natürlich sagen, dass ich noch andere Jobs offen habe, die mir 600 statt 500 Euro bezahlen”, sagt Schmitz. “Ich habe allerdings auch schon Preisanstiege mitbekommen, die niemand bezahlen kann und will.” Wer es sich – auch dank eines stabilen Vorverkaufs – leisten kann, fragt Techniker:innen schon weit im Vorfeld an. Die freut es, da die Selbstständigkeit so planbarer wird. Das war vor der Pandemie anders, und die 100-Prozent-Verdienstausfall-Zeiten von damals haben bei vielen Spuren hinterlassen, egal wie rosig die Zeiten jetzt gerade für sie sind. “Die Angst schwingt natürlich die ganze Zeit mit”, sagt Schmitz.
Viele Dienstleister berechnen nun Beträge, die früher so nicht möglich waren, weil händeringend Leute gesucht werden – zu Recht? “Diese Leute arbeiten unter schwersten Bedingungen”, sagt Humberto Pereira. “Und dass Menschen, die viel gearbeitet haben, nach nur drei Monaten Pandemie Finanzprobleme bekamen, lag vielleicht auch daran, dass die Tagessätze einfach viel zu niedrig waren.” Das kann man so sehen: Möglicherweise ist manchen Techniker:innen erst seit 2020 schmerzhaft bewusst geworden, dass sie ihre Arbeit viel zu günstig anbieten. Dass Bands ihrer Crew jetzt höhere Tagessätze zahlen müssen, schlägt sich auch an anderer Stelle nieder. “Beim Booking für 2023 habe ich auch gemerkt, dass Bands teilweise massiv mehr Geld haben wollen, ohne dass man das mit einem Sprung in der Karriere oder der Popularität begründen kann”, sagt Alex Schwers. Stattdessen werde mit gestiegenen Kosten argumentiert. “Wenn zum Beispiel eine sechsköpfige Band mit Backliner, Front-of-House-Mischer und Tourmanager von Kiel nach München fährt, die Crew statt 300 aber 600 Euro am Tag bekommt und man die gestiegenen Spritkosten einrechnet, hat diese Band allein hier schon 1.500 Euro Mehrkosten.” Allerdings gilt: Je größer die Band, desto geringer fallen diese Mehrkosten im Vergleich zu Headliner-Gagen aus. “Wie wenig da zum Beispiel an die Crews weitergegeben wird, das ist schon unverhältnismäßig”, fügt Humberto Pereira hinzu. Die letzten Besucher:innen erkaufen sich Festivals in der Regel mit teuren Bands im Line-up. Das wird bei drastisch steigenden Gagen in absehbarer Zeit so nicht mehr möglich sein.
Also müssen Bands und Veranstalter:innen sparen. Nur wo? Kann man auf Teile der Crew verzichten, noch günstigere Hotels buchen oder einen Teil der Produktion zuhause lassen? “Ich habe volles Verständnis, wenn Künstler:innen sagen: ‘Mein künstlerisches Konzept funktioniert nur so.’ Aber wir haben geschaut, was man umstellen kann, um Kosten zu sparen”, sagt Drens-Gitarrist Fabian Livrée. Solche Bemühungen erlebt auch Chris Chohan: “Natürlich wird von Seiten des Managements an uns herangetragen: Wird denn alles gebraucht? Bei großen Bands, die Hallen ausverkaufen, ist das natürlich scheißegal. Aber da an allen Ecken und Enden Leute fehlen, weiß ich nicht, ob solche großen Produktionen sinnvoll oder gar nachhaltig sind.” Auch Humberto Pereira und KKT versuchen, ihren Bands Impulse zu geben. “Material und Transport zu sparen, führt natürlich auch dazu, dass man bewusster ein Konzert plant. Unsere Branche ist ja stark geprägt von einer Höher-Schneller-Weiter-Attitüde. Denn je größer eine Band wird, umso mehr Show wird auch erwartet. Bands können sich nicht mehr einfach auf die Bühne stellen und spielen. Es muss die ganze Zeit etwas passieren.” Allein aufgrund der Kostensteigerung müssen viele Bands einen Weg finden, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Neue Normalität
“Dass viele Bands jetzt voreilig ihre Touren auf 2023 verschoben haben, war eigentlich sehr ungeschickt”, sagt Axel Ballreich. “Dieses Jahr haben wir noch Hilfsfonds wie den Sonderfonds Kultur, die Wirtschaftlichkeitshilfe und Neustart Kultur.” Für 2023 gilt das nicht mehr. Bands und Veranstalter:innen stehen also vor der Herausforderung, ohne Hilfen und angesichts steigender Kosten schwarze Zahlen zu schreiben. Genau dabei war aber die Wirtschaftlichkeitshilfe ein wertvolles Instrument. Auch für Drens war diese Unterstützung entscheidend dafür, dass viele ihrer Konzerte stattfinden konnten – ohne, dass Investoren die Chance nutzen und finanziell in Schieflage geratene Clubs übernehmen. “Da kann eine Abwärtsspirale entstehen, wenn dann Firmen anfangen, die Venues zu kaufen und sich Monopole bilden”, sagt Fabian Livrée. Der wegen seiner Preispolitik und Geschäftspraktiken immer wieder in die Kritik geratene US-Konzertriese Live Nation drängt etwa seit der Pandemie verstärkt auf den deutschen Markt. Bands, unabhängige Venues und Booking-Agenturen tragen so auch die Verantwortung füreinander.
Einsparpotenzial existiert indes kaum. “Kleinere Veranstaltungen muss man jetzt abwickeln und hoffen, dass man mit einem blauen Auge davonkommt. Jetzt werden neue Veranstaltungen mit neuen Kalkulationen aufgesetzt, und wir müssen sehen, wie die vom Publikum angenommen werden, wenn der Eintrittspreis zehn bis zwanzig Prozent steigt”, sagt Axel Ballreich. Ähnlich schildert es auch Alex Schwers: “In meiner Welt steigen gerade die Eintrittspreise gewaltig. Und eine Rückkehr zu alten Preisen wird es wohl kaum geben.” Vielleicht wird es sich nicht so deutlich entwickeln wie bei Sportarten wie Skifahren, Segeln oder Golf, aber: Konzerte könnten künftig stärker zu einem Privileg für die werden, die es sich leisten können. Vermutlich wird kein Veranstalter seine Tickets demnächst wieder günstiger anbieten. Umgekehrt kann auch das zu Schwierigkeiten führen. “Eine Steigerung bei den Ticketpreisen führt zwangsläufig dazu, dass du Probleme bekommst, diese Tickets zu verkaufen”, sagt Pereira. Weil Besucher:innen nicht einfach zahlen, was sie können, sondern immer nur, was ihnen die Bands wert sind.
Foto: Lucja Romanowska
»Es wird für kleine Bands ein Luxus werden zu touren.«
Humberto Pereira, KKT
Das massive Überangebot an Konzerten wird sich nach dem Stau der vergangenen Jahre wieder einpendeln. Aber insbesondere bei internationalen Größen wurde laut Informationen aus der Branche Deutschland für 2023 aus dem Tourplan genommen. Grund war die im Vergleich zum Ausland striktere Corona-Politik der vergangenen zwölf Monate. Für kleinere Bands, die sich ein Publikum erspielen wollen, ist zurzeit anscheinend die beste Option, bei etablierteren Acts als Support aufzuspringen, um ohne Verluste zu touren – zumindest, wenn sie von deren Management ausreichend gut bezahlt werden. Aber auch bei den “Großen” gilt, dass viele der Konzerte, die diesen Herbst aus allen Nähten geplatzt sind, einen Vorverkauf von teils über zwei Jahren hatten. Ob all diese Bands bei angespannter Wirtschaftslage mit weniger Vorlaufzeit und höheren Preisen bei der nächsten Tour ähnlich viele Tickets verkaufen, ist keineswegs sicher.
Das junge Publikum will auf Konzerte gehen, hat aber auch weniger Geld in der Tasche. Geht man dann zum Arena-Act für 100 Euro, bleiben zwei bis drei kleinere Künstler:innen auf der Strecke. Für viele junge Leute offenbar ein akzeptabler Deal: Mainstream-Musik zu hören und Mainstream-Konzerte zu besuchen ist angesagt, in Subkulturen bewegt sich die Generation Playlist seltener als ihre Vorläufer. Genre-Scheuklappen abzulegen ist zwar eine an sich positive Entwicklung, führt aber auch zu weniger Identifikation mit Szenen, ihrer Musik und ihren Clubs. Genau hier entstehen allerdings neue musikalische Impulse für den weiten Pop-Kosmos. Ohne bezahlbare Räumlichkeiten und bezahlbare Konzerte werden diese Subkulturen weiter schrumpfen und neue Impulse fehlen. Über kurz oder lang wird es eine größere Förderlandschaft für Kultur und die daran hängenden Arbeitsplätze geben müssen. “Dass Konzerte Luxus werden, glaube ich nicht”, so Humberto Pereira. “Aber es wird auf jeden Fall für kleine Bands ein Luxus werden zu touren. Wenn die Preise weiter steigen, braucht es für die definitiv eine Förderung.”
Wie viele dieser Probleme – und zu welchem Preis für jede einzelne Band – in Zukunft die unsichtbare Hand des freien Markts löst, bleibt abzuwarten. Aber der Boden, auf dem der Live-Neustart 2022/2023 steht, ist an vielen Stellen gefährlich dünn. Der Fachkräftemangel wird noch über Jahre bestehen, denn während der Pandemie-Jahre haben die Wenigsten eine Ausbildung in der Veranstaltungstechnik gestartet. Schließlich hat sich die Branche in den vergangenen Jahren als fragil erwiesen. Insbesondere in den kleinen Clubs sind die Menschen allerdings in der Branche geblieben. “Die Punker haben halt Bock drauf”, sagt Chris Chohan lachend. Doch gerade die kleinen Läden sind in Gefahr. “Bei Booking von kleineren Bands für 2023 sickert gerade mehr und mehr durch, dass es einige Clubs im nächsten Jahr schon nicht mehr geben wird”, sagt Alex Schwers. Bei den Clubs, die übrig bleiben, zahlen Veranstalter:innen künftig höhere Pacht- oder Mietpreise, insbesondere dann, wenn auch Personal gestellt wird.
Als positive Entwicklung lässt sich noch festhalten, dass 2022 aufgrund von Druck seitens der Rentenversicherung viele Freiberufler:innen fest angestellt wurden und so auch ein Gefühl von Sicherheit bekommen haben. Dennoch: Die gewisse Leichtigkeit, die die Branche lange ausgezeichnet hat, ist bei vielen nicht mehr vorhanden. “Wenn man in der Kulturbranche arbeitet, ist da ja immer ein gewisser Idealismus”, sagt Fabian Livrée. “Deshalb tendiert man natürlich eher dazu zu denken, dass das alles schon wieder wird. Man wird umdenken und sich anpassen müssen. Aber bis die Kuh vom Eis ist, wird das noch lange dauern.”
“It was good talking to you as usual”, so spricht die Stimme. “Take care, my friend.” Was sonst womöglich mein Schreiberherz umschmeichelt hätte, das Verbindliche, diese warmen Worte eines meiner Lieblingskünstler, ist diesmal mehr als das. Es wird ein Abschied für immer, auch wenn ich das an diesem 8. September 2021 noch nicht ahne. Der Mann am anderen Ende der Leitung ist Mark Lanegan. Seine Autobiografie “Sing Backwards And Weep” ist gerade auf Deutsch erschienen, zum zweiten Mal binnen zwei Jahren sprechen wir miteinander. Lanegan lebt mittlerweile in Irland, sein Timbre ist etwas brüchig, aber so charakteristisch dunkel wie eh und je. Er erzählt amüsiert von einem weiteren Buchprojekt und davon, dass bald wieder die Musik im Vordergrund stehen müsse, er es kaum abwarten könne, wieder auf Tour zu gehen. Dazu soll es nicht mehr kommen: Kein halbes Jahr später macht die Nachricht von seinem Tod die Runde. Immer noch unter Schock öffne ich einige Tage danach noch einmal die Interview-Datei, ziehe den Cursor auf das Ende des Gesprächs. “Take care, my friend.”
Mit Mark Lanegan verliert die Musikwelt eine weitere prägende Gestalt der Generation Grunge. Die Reihen, sie lichten sich. Immer noch. Anfang der 90er hatten Nirvana und Pearl Jam, Soundgarden und die Screaming Trees, und zusammen mit ihnen Dutzende mal mehr, mal weniger talentierte Weggefährten und Epigonen den Weg ins Scheinwerferlicht geschafft, mit ihrer rotzigen Neusortierung des Rock-Genres für die nach Punk wohl disruptivste Epoche der gitarrenbasierten Populärmusik gesorgt. Der Backlash ist hinlänglich bekannt: Mit dem Ruhm kam die Reue. Mit der Kohle der Kommerz. Grunge trudelte langsam aus, zurück blieben Alternative, Indie und Crossover, auf dem Schlachtfeld wurden die Toten gezählt: Andrew Wood von Mother Love Bone hatte schon Anfang 1990, am Vorabend des popkulturellen Umsturzes, den Kampf gegen die Heroinsucht verloren, innerhalb weniger Jahre starben auch Stefanie Sargent von 7 Year Bitch, Kurt Cobain, Blind Melons Shannon Hoon, im Frühjahr 2002 schließlich Layne Staley von Alice In Chains. Die Revolution frisst ihre Kinder? Club 27 revisited? Oder doch nur der viele Regen in Seattle, die billigen Drogen, das Übermaß an freier Zeit, die Langeweile zwischen den Gigs?
Punks und Hippies
Aus jener Schneise, die Nirvana & Co. einst in die globale Rockmusik gerissen hatten, erwachsen letztlich Dinge, die ursprünglich nicht zusammenpassten: Da ist auf der einen Seite jenes selbstermächtigende Element, das Punk einst aus den Angeln hebt. Billige Verstärker, zerschredderte Gitarren, verbeulte Mikros, ab in die Garage und dann losmachen. Das ging in London und Leeds, das geht in Washington und Seattle. Wer jetzt keine Band hat, macht irgendetwas falsch. Do it yourself? Unbedingt! Dazu der Look, unverzichtbar, wenn du Teil einer Jugendbewegung, oder besser noch, gleich die Jugendbewegung selbst sein willst: Chucks und Basecap, Boots und Ringelshirt, Nietengürtel und natürlich: Matte. Mähne. Schüttel dein Haupthaar für mich, für uns, für die Welt.
Doch den Seattle-Sound durchzieht eben nicht nur das Rabiat-Rotzige des Punk, da ist auch immer dieses Hippie-Element, da sind bunte Tücher, merkwürdige Kopfbedeckungen (Hallo, Jeff Ament!), Paisley-Westen, Bandfotos, die irgendwie nach Patschuli und Räucherstäbchen riechen. Wenn man sich etwa alte Bilder ebenjenes Ensembles anschaut, durch das der Marianengraben des Grunge lief, Green River, dann zeigen sich hier zwei Seiten ein und derselben Münze: Mark Arm als Wiedergänger von Iggy Pop, glatte Haare, stoischer Blick, sein Kumpel Steve Turner im schlichten Blouson, nicht nur optisch bereits wieder kurz vorm Abritt, demgegenüber Stone Gossard, Jeff Ament und Turner-Nachfolger Bruce Fairweather: divenhaft, mit Seidentüchern und geschürztem Mund, optisch irgendwo zwischen New York Dolls, Aerosmith und Warrant ohne Haarspray. Hier verschmelzen androgynes Metal-Flair und Hippie-Vibe zur Übergattung des Grunge, zum stadiontauglichen Hardrock-Update mit Star-Ambitionen, entsprungen aus einer Wurzel, die Tad Doyle mal mit seiner Motorsäge touchiert, Mudhoney-Schlagzeuger Dan Peters mit Dosenbier gedüngt haben mag, am Ende aber von Staley, Eddie Vedder und Chris Cornell, mit Scott Weiland in den Satteltaschen, aus der Seattle-Szene in die weite Welt hinausgeritten wird: Alternative Rock! Kein Zufall, dass Soundgarden mit Guns N’ Roses touren, Pearl Jam flugs in die Stadien ziehen, Alice In Chains für MTV den Stecker ziehen und so lange spielen, bis das Zeug TV-kompatibel ist, und eben nicht wie Nirvana, offenkundig unterprobt und mit kruder Setlist, als Geist in der Maschine herumspuken.
Bleibt die Sache mit den Opferzahlen: Sid und Nancy versehen den Punk mit einer todessehnsüchtigen Note, die Generation Woodstock beklagt da einiges mehr an Verlusten. So wie Hendrix, Morrison, Joplin & Co. den Sommer der Liebe mit einem Traueranstrich versehen, so färbt sich auch das Firmament über dem Puget Sound irgendwann schwarz, wird Cobain zum posthumen Posterboy, Staley zum Drogentoten mit verfaulten Gliedmaßen, Wood und Sargent die Verblichenen aus der Abteilung Kult. All das versieht Grunge und Alternative mit einer tragischen Note, für Erosionen sorgt es kaum. Die Rock- und Pophistorie liebt ihre Göttinnen und Götter nach dem Ableben oft gleich noch ein bisschen mehr. Wir haben immer noch “Smells Like Teen Spirit”. Und “Alive”. Und die Überlebenden als Tor in die Zukunft.
Da ist Courtney Love, die sich mit verschmiertem Lippenstift und verrutschtem Rüschenrock gen Hollywood aufmacht, und es gibt ja noch Vedder. Cornell. Lanegan. Und Nirvana-Survivor Dave Grohl, dessen hyperaktives Freischwimmen und Abstreifen quasi bis heute anhält, und für einige der besten Songs der letzten 100 Jahre Rock’n’Roll gesorgt hat. Cornell bändelt mit James Bond an, Lanegan praktisch mit jedem außer seiner alten Band, den Screaming Trees. Eddie Vedder, von der Tragödie beim Roskilde-Festival 2000 aus der Spur gekommen und von Bruce Springsteen und Pete Townshend wieder dorthin zurückgesetzt, ist heute amerikanisches Weltkulturerbe auf den Spuren von Tom Petty und Neil Young. Damit bietet die Ära Cobain letztlich alles, was ein gutes Drama ausmacht: tragische Tote. Dubiose Drogen. Evergreens. Und widerstandsfähige Wiedergänger, die Jahr um Jahr zeigen, dass es ein Leben nach und mit Grunge gibt. Als die wiedervereinten Soundgarden 2012 etwa “King Animal”, ihr erstes Album nach 16 Jahren, veröffentlichen, ruckelt die Matrix, sind Songs wie “Non-State Actor” oder “Been Away Too Long” so originär original, als hätten Cornell und seine Band der Zeit, dem Alter, dem Teufel persönlich ein Schnippchen geschlagen.
Was bleibt?
So hätte es weitergehen können, weitergehen sollen, was es aber eben nicht tat. Vor fünf Jahren erwischte es Chris Cornell plötzlich, nach einem Konzert in Detroit wurde er leblos in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Ein Rock’n’Roll-Tod aus dem Bilderbuch, wenn man so will. Und während Mark Lanegan, aufgerieben von den Drogen, zuletzt vom Corona-Virus und den Folgen, seine neun Leben, wie es Freund und Weggefährte Greg Dulli schon vor 20 Jahren im Song “Number Nine” sang, womöglich aufgebraucht hatte, schließt sich zuletzt sogar noch einmal der Kreis um Dave Grohl, als Schlagzeuger Taylor Hawkins jenen trostlosen Hotelzimmer-Tod stirbt, dem vor ihm schon Janis Joplin, Big Countrys Stuart Adamson, John Entwistle und eben Cornell erlegen sind. Das Ende einer Ära nun dann doch? Die Reihen so gelichtet, dass kaum noch Verbindungen da sind, die Grunge-Götter, selbst jene Spätverblichenen, nur noch Geschichtsbucheinträge? “Music Sounds Better With You”, so hieß es einst in einem Song von Stardust. An diesem Punkt in der Geschichte muss man diesen Satz wohl umdrehen: Ohne euch klingt die Musik nicht mehr so schön. Aber ist der Tod der Ausnahmesänger auch das Ende einer Ära? Sprechen wir uns in fünf oder zehn Jahren wieder. Bis dahin, um es mit Lanegan zu sagen: Take care, my friend.
Betritt man Ende 2022 einen Plattenladen, wirkt erstmal alles wie 2021: Vinyl thront dekorativ an den Wänden, CDs stecken in Regalen. Tritt man näher, ändert sich das Bild: LP-Preise sind explodiert, falls die Platten nicht sowieso noch in Presswerk-Warteschlangen feststecken. Die CD funkelt derweil geduldig, lockt mit niedrigeren Preisen – und ist für manche Labels und Bands aktuell die einzige Möglichkeit, ihre Musik rechtzeitig physisch an die Fans zu bringen. Bei ihrer Einführung vor 40 Jahren galt sie noch als unzerstörbares Medium. Ein Image, das mittlerweile aber nicht nur Kratzer erhalten hat, weil genau diese die CD doch kaputtkriegen können: Seit 1999 sinkt der CD-Absatz in Deutschland kontinuierlich, auch 2022 wird da keine Ausnahme machen, das legt der Bundesverband Musikindustrie in seinem Halbjahresreport nahe. Im Vergleich zum Vorjahr ist nur das Tempo des Rückgangs gesunken.
Doch ist auch bei uns die Rede von einem CD-Revival. Das Gerücht entsteht Anfang 2022, als die Recording Industry Association of America (RIAA) ihre Bilanz für 2021 vorlegt: In den USA ist der CD-Absatz zum ersten Mal seit 2004 nicht gefallen, ist sogar im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent gestiegen. Die Zahl lässt sich leicht relativieren: Der Absatz beträgt doch nur einen Bruchteil des Spitzenwerts von 2000, das Jahr 2020 war besonders schwach, 2021 pumpten wenige prominente Releases die Zahlen auf und obendrein deutet der aktuelle Halbjahresbericht schon wieder Stagnation an. Trotzdem stehen diese 50 Prozent nicht allein da: Mitte 2022 legt Discogs offen, dass CDs seit fünf Jahren in Angebot und Nachfrage auf der Plattform wachsen. Vor allem in den USA boomt der Second-Hand-Handel, auf TikTok präsentieren junge Menschen stolz ihre Beute, setzen ihre Sammlung in Szene, während ältere Nerds auf Youtube über Für und Wider des Trends fachsimpeln. Außerdem trifft das Rumoren genau den üblichen Revival-Rhythmus von etwa 20 Jahren – Pop-Punk und Nu Metal sind ja auch längst zurück.
Allerdings lässt sich die CD nur bedingt mit anderen wiedererstarkten Medien vergleichen. Neben allen technischen Unterschieden hat vor allem Vinyl die bessere Story: Mit der goldenen Ära des Rock assoziiert, vom Digitalisierungswahn in die Nische gedrängt, dort von echten Fans gepflegt, um schließlich als authentisches Musikmedium triumphal zurückzukehren. Der CD kommt die Rolle der Antagonistin zu: In den 80ern als nerdiges High-End-Medium im Labor gezüchtet, profiliert sie sich bald als perfekte Kombination aus Preis, Qualität und Komfort. Sie beschert der Industrie Rekordumsätze, ist ein Medium für alle, gilt bald als seelenlos und beliebig. Das MP3-Format lässt sie dann auch finanziell straucheln, immerhin taugt es als guter Kompromiss zwischen Analog und Digital.
Spätestens mit dem Siegeszug des Streamings sehen sie viele als endgültig erledigt, der Kompromiss ist faul geworden. Wer Haptik sucht, kauft Vinyl – wer es billig und bequem möchte, streamt. Die CD braucht da niemand, so der gängige Einwand. Dagegen spricht nicht nur, dass sie in Deutschland noch immer der physische Tonträger mit dem höchsten Absatz ist. CDs bieten eigene Möglichkeiten: Sie sind handlicher als Vinyl, dennoch haptisch und haben eine Form, mit der sich experimentieren lässt – Tool haben das wiederholt vorgeführt. Im Grunde greifen auch jene Argumente, die vor 30 Jahren zur Durchsetzung der CD geführt haben: lange Spielzeit, simple Handhabung, moderater Preis – und trotzdem verdienen Künstler:innen hier besser als an Streams. Zudem sind CDs nicht von Plattformen abhängig, bleiben von Änderungen dort unberührt, entziehen sich dem Tracking. Das Hören bleibt privat.
Manche Produktionen des CD-Zeitalters sind auch bis heute nur in dieser Form verfügbar. Die 90er und 00er Jahre sind eh so eng mit der CD verknüpft wie die 70er mit der LP oder die 2020er mit Streaming. Das zeigt auch ein Vinyl zugeneigtes Heft wie VISIONS mit jeder rissigen CD-Hülle, die die “Back to…”-Heftreihe illustriert. Und die CD ermöglicht ein spezielles Hörerlebnis: die des bis zu 80 Minuten langen Albums, das man einlegt, nicht skippt, nicht umdreht.
All das muss man nicht zu hoch hängen, um zwei Perspektiven zu wechseln. Zunächst die auf das Medium: Dass gerade eine Kultur um die CD entsteht, sie nicht einfach hingenommen wird, sondern Menschen sie bei Discogs katalogisieren, ihr Videos widmen, Plädoyers und auch Verrisse schreiben, zeigt mehr als jede Verkaufszahl, dass sie nicht nur ein zweckdienliches Stück Plastik ist. Sie ist nicht besser, aber anders als andere Medien. Das führt zum zweiten Perspektivwechsel, denn ein Revival ist es ja schon deswegen nicht, weil die CD nie weg war. Zugleich haben es auch Vinyl oder Kassette mit ihrer Rückkehr nicht geschafft, die Zeit zurückzudrehen, sondern sich lediglich einen Platz in einem ausdifferenzierten Markt erkämpft. Auch die CD wird die Streaming-Vorherrschaft nicht beenden. Aber sie kann Ende 2022 wieder als Alternative verstanden werden.
“Dass Pop und Referenzen nun mal herrschen, um Dinge zu verknappen, hat eine ganz klare Logik. Anders funktioniert es nicht”, sagt Anton Spielmann, ein Drittel von 1000 Robota, die mit ihrem dritten Album “3/3” in diesem Jahr ein ganz anderes Gesicht zeigen als beim Vorgänger, der 2008 erschien. Spielmann ist Verfechter der künstlerischen Grenzenlosigkeit per se. Seine Definition von Post-Punk und dessen Dimension in der heutigen Zeit geht sehr weit: “Von einer Band wie Mclusky, die sich Ende der 90er stilistisch am Post-Punk der frühen 80er bediente, also zum Beispiel an den Wipers, kann man schon eine Brücke zu uns schlagen. Das war wiederum ein Sound, der sich vom klassischen breiten und akkordlastigen Punk unterschied. Was später im Post-Punk passierte, war viel schärfer, minimaler und monotoner.” Auch wenn “3/3” viel weniger Bauhaus, Gang Of Four oder Magazine atmet, sondern eher experimentellen Artrock im Stil der Einstürzenden Neubauten, so sieht Spielmann trotzdem alles, was er, Jonas Hinnerkort und Sebastian Muxfeldt machen und in den zurückliegenden Jahren gemacht haben, als 1000-Robota-Material. Eben nicht nur Musik, sondern im größeren Sinne: Kunst.
Musikalisch hat sich Post-Punk seit den späten 90ern in Wellen immer wieder an die Oberfläche gekämpft. Nach Wire, Joy Division und Public Image Ltd. sind es Franz Ferdinand, Bloc Party, Interpol und Editors, die das Label Post-Punk in den 00er Jahren wiederbeleben, bis diese Musikentwürfe entweder vom Pop eingefangen werden oder nach einer gewissen Zeit des Auf-der-Stelle-Tretens verschwinden. Im Großen wiederholt sich da also scheinbar das Schicksal des Post-Punks der frühen 80er. Im Kleinen, sprich im musikalischen Untergrund, hält eine Band wie Love A mit ihrem Album “Meisenstaat” nicht nur die Klangtradition am Leben: Es geht um Haltung. “Aktuell ist der Begriff Post-Punk immer, weil Punk in irgendeiner Form permanent existent ist, in abgewandelter, pervertierter, verbesserter oder vermeintlich richtiger Form”, sagt Love-A-Sänger Jörkk Mechenbier. “Ich finde, Post-Punk ist immer ein bisschen defätistisch, etwas dystopisch. Wenn man sich Joy Division anhört, dann ist diese kalte Ästhetik immer Ausdruck einer Haltung. Und ich glaube, dass viele Menschen im Laufe ihres Lebens sozusagen Post-Punk werden. Etwas entsteht im Punk, aber es entwickelt sich im Laufe der Zeit in andere Richtungen.”
Im Herbst 2022 reklamieren dann auch Die Nerven eine dieser möglichen anderen Richtungen für sich. Im Kontext Post-Punk sehen sich Max Rieger, Julian Knoth und Kevin Kuhn nicht mehr und wollen darum auch nicht einmal mehr darüber reden. Gleichzeitig klingt ihr nach der Band benanntes Album aufrührerisch, zitiert aus Metal und Indierock. Es will seinen eigenen Platz erobern und hat damit Erfolg. Die Nerven sind aber weiterhin, wie Love A, unzufriedene Beobachter über Missstände im Großen und die Verzweiflung im Kleinen. Es ist wohl nicht möglich, anhand von drei so unterschiedlichen Haltungen einen eindeutigen Status von Post-Punk abzulesen. Zumindest wird aber deutlich, dass die festgefahrene Genre-Definition nicht mehr ausreicht. Schlimmer noch: dass vielleicht Missverständnisse entstehen.
Freiform
Ortswechsel. Im Umfeld des Musikclubs Windmill im Londoner Stadtteil Brixton gründen sich seit 2017 aufregende Bands wie Black Midi und Black Country, New Road (BCNR), die schnell mit der Londoner Post-Punk Szene um Shame und Fat White Family assoziiert werden. Diese Bands bewegen sich ästhetisch auf den traditionellen Bahnen von Post-Punk, ob gitarrenlastig oder elektronisch und experimentell (auch der avantgardistische Funkrock der Brightoner Band Squid taucht in diesem Kontext auf).
Black Midi hingegen sind ein Zusammenschluss virtuos geschulter Musiker, die aus Jazz ebenso zitieren wie aus Mathrock und Progressive Rock. Ihr Klangbild ist kantig und ungeschliffen. “Sie beuten ihr Handwerk nicht aus”, sagt Spielmann über Black Midi und umschreibt damit kunstvoll, dass die Band zu gleichen Teilen Punk, Jazz und Prog ist. Ihre Kumpel von Black Country, New Road spielen in der Zwischenzeit musikalisch auf einer Augenhöhe mit Bright Eyes und Arcade Fire, also in Sphären von Indierock und Freak-Folk. Und sie verarbeiten auf ihrem zweiten Album “Ants From Up There” Minimal Music und Kammermusik. Ihre Musik ist vielfältig, eigen und oftmals unerklärlich.
Darum fällt es leicht, sie gemeinsam in einen Topf mit der Aufschrift Post-Punk zu schmeißen, nicht zuletzt, weil gerade das erste Album von Black Country, New Road, “For The First Time”, offensichtliche Wut auf den Schwingen verzerrter Gitarrendissonanzen transportiert. Bis heute haben sich allerdings sowohl BCNR als auch Black Midi mehrfach gehäutet und verformt, so dass ihnen der Mantel des Post-Punk schon lange nicht mehr passt. Wenn das überhaupt jemals der Fall war. Ein Blick in die Spotify-Playlist von Black Country, New Road spricht Bände. Hier steht Noiserock von Daughters neben Folk von Richard Dawson und dem Piano-Jazz von Brad Mehldau. In dieser Welt hat der Post-Rock von Talk Talk die gleiche Bedeutung und Chance wie der epische Jazz von Kamasi Washington oder die Avantgarde von Fred Frith.
Formwandler
Die Post-Grunge-Generation wurde in einer Welt sozialisiert, die keinen der großen Paradigmenwechsel in der Popkultur erlebt hat; mit Sicherheit ist das einer der Gründe, warum diese Altersgruppe so unbedarft Stile vermischt, über Genregrenzen geht. Für die Millennials, so viel Verallgemeinerung muss hier ausnahmsweise erlaubt sein, hat es nie die Notwendigkeit von Szenen gegeben. Sie sind mit stilistischen Chimären aufgewachsen, sowohl im Pop als auch im Underground. Heraufbeschworene Kulturkämpfe zwischen HipHop, Metal und Indierock sind ein Ding, über das ihre Eltern sprechen. Ihre Realität wird vom Wissen bestimmt, jede Art von Musik in der Hosentasche bei sich zu tragen. Berührungsängste? Fehlanzeige.
Vielleicht sind wir also schon mittendrin im Post-Genre-Zeitalter, in dem die bisherige Notwendigkeit einer Genrezuordnung von Musik zu einer Randnotiz geworden ist. Bestimmt befinden wir uns in einer Zeit, in der eindeutige Haltungen und Szenen in Auflösung begriffen sind, oder besser gesagt: abgelöst werden von einem beschleunigten Individualismus. Digitale Medien machen jeden Menschen zum Content-Creator und -Empfänger. Eine Dystopie, der nicht zuletzt der Musikmarkt sehenden Auges entgegenläuft.
In einer Zeit, die absehbar von Streaming-Kultur dominiert sein wird, in der Musik selbst immer weiter optimiert werden muss, um wahrgenommen zu werden – und ganz nebenbei die Idee von ganzen Alben als signifikante Größen im Schaffen einer Band immer weiter in den Hintergrund tritt – fühlen sich Überlegungen zur Relevanz von Genrebezeichnungen überflüssig an. Mehr als um Klassifizierung geht es darum, Musik als Kunst gegen die Vereinnahmung der Content-Industrie zu verteidigen.
Um es positiv zu formulieren, bietet die grenzenlose Verfügbarkeit von Musik natürlich viele Chancen auf kreatives Wachstum. Es kommt aber darauf an, dem Algorithmus regelmäßig vors Schienbein zu treten. Und wer weiß? So wie John Lydon, Keith Lavene und Jah Wobble 1978 mit Public Image Ltd. den Virus Post-Punk in die Musikindustrie entließen, schreibt vielleicht bald jemand einen Open-Source-Anarcho-Algorithmus.
Julian, Kevin, wie war 2022 für euch?
Julian Knoth: Für mich war es ein superseltsames Jahr. An bestimmten Punkten musste ich einen Teil des Weltgeschehens ausblenden, weil ich es nicht mehr verkraftet habe. Und in diesen Momenten war es gar nicht so einfach, damit klarzukommen, dass Teile unserer neuen Platte politisch plötzlich so wahnsinnig aktuell wirkten.
Dabei wurden sie schon 2019 geschrieben.
Knoth: Ja, und das ist natürlich schon ein bisschen spooky. Die Lieder waren nie aktuell gemeint. Sie waren nie eine Reaktion auf die Geschehnisse, wirkten aber auf einmal so. Als das offenkundig wurde, fühlten wir uns schon ein wenig machtlos, mit dem Wissen, dass es da draußen Leute gibt, die uns nicht so gut kennen und nun glauben, diese neuen Songs seien eine Reaktion auf den Krieg. Das war ermüdend. Was half, war, dass wir in der zweiten Hälfte des Jahres endlich wieder anfangen konnten, live zu spielen, und dass dann im Oktober das Album, nach langer Wartezeit, endlich rauskam. Schon in den Jahren vor 2022 befanden wir uns in einer Art Schwebezustand, ausgelöst durch die Pandemie. Für mich selbst war es wichtig, dass mit den Konzerten und der Albumveröffentlichung wieder eine Struktur existierte. Eine Struktur, die einem auch eine Art… ja, einen Sinn gab.
Kevin Kuhn: Dadurch verlief unser persönliches Die-Nerven-Jahr ab Juni sehr gut. Es gab einen enormen Zuspruch für die neue Musik, wir können uns sehr glücklich schätzen. Aber klar, es war auch für mich nötig, das Weltgeschehen ab und an auszublenden.
Auszublenden heißt?
Kuhn: Nur in einem gewissen Maße Nachrichten zu checken, und vor allem, bewusst zu entscheiden, wann man das tut – und wann eben nicht.
Knoth: Es ist wichtig, zu schauen, dass es einem weiterhin gut geht. Dass das eigene Wohlergehen nicht vom Weltgeschehen überlagert wird. Auch daher war es wichtig für uns, dass es ab Juni 2022 mit der Band wieder losging und wir gemeinsam eine schöne Zeit erlebt haben.
Gehörte der Auftritt bei Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royale zu diesen schönen Dingen? Ihr habt dort zusammen mit dem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld “Europa” gespielt, vor einem Millionenpublikum.
Knoth: Ein Problem dabei war, dass der Fokus danach für einige Wochen nur auf diesem einen Song lag. Einem Song, der natürlich politisch gehört werden kann – mehr als die allermeisten anderen von Die Nerven. Entsprechend meinte ich eben, dass es sich sehr gut anfühlte, als das ganze Album draußen war: Unsere Fans und alle, die sich für eine solche Art von Musik interessieren, erkannten nun, dass diese Platte auch eine Reihe von sehr persönlichen Songs bietet. Und bei den Gigs merkten wir wiederum, dass die Leute auch von diesen “nicht politischen” Songs berührt werden.
Kuhn: Wobei wir in der Show von Böhmermann nur deshalb aufgetreten sind, weil das Stück “Europa” thematisch zu seiner Sendung passte. Wir haben dafür sogar den Release der Single etwas nach vorne geschoben.
Gab es intern Debatten: Machen oder nicht?
Kuhn: Nee, die gab’s nicht, wir hatten einfach große Lust, wieder zu spielen. Und es war ein toller Tag, ein kleiner persönlicher Triumph für jeden von uns, würde ich sagen.
Was machte es so triumphal? Der Auftritt der Band Die Nerven vor dem ZDF-Logo?
Kuhn: Das bringt es sehr gut auf den Punkt.
Knoth: Es war triumphal, als kleine Band, als die wir uns fühlen und die wir im Herzen auch noch sind, zu merken: Augenscheinlich sind wir drei als Die Nerven so gut, dass wir im ZDF diesen Song spielen können – und dass das zusammen mit dem Rundfunk-Tanzorchester funktioniert, in dem ja nur Vollprofis spielen. Bei mir entstand das Gefühl: Ich bin nicht mehr der Vollamateur, für den ich mich manchmal gehalten habe. Was meine Musik und deren Darbietung anging, hatte ich lange viele Selbstzweifel. Ich wusste schon, dass diese Selbstzweifel nicht berechtigt waren. Dieser Auftritt war die Art von Beleg, die ich vielleicht gebraucht habe: Es war live, es hat funktioniert. Ich finde, da können wir schon ein bisschen stolz auf uns sein. Verbunden mit tiefer Dankbarkeit, dass wir eine solche Sache machen konnten, ohne uns verstellen zu müssen.
Es wurde 2022 viel über die Bedeutung von Symbolpolitik geredet, bei der WM mit Blick auf die “One Love”-Binde, aber auch zum Beispiel bei Besuchen von Politiker:innen in der Ukraine. In euren Texten nennt ihr gerne symbolhafte Zahlen wie “180 Grad” oder “15 Sekunden”, früher die maximale Videolänge bei TikTok, aber auch symbolische politische Begriffe wie “Deutschland” oder “Europa”. Zufall oder Konzept?
Knoth: Stimmt schon, ob Zahlen oder Begriffe: Die Tendenz, damit zu spielen, zieht sich durch das Album. Es ist aber nicht so, dass uns das vorab überhaupt aufgefallen wäre. Wir haben die Symbolik, die in der Platte steckt, aber auch die roten Fäden erst erkannt, als die Platte in ihrer Gesamtheit gewirkt hat. Aber natürlich beschäftigen sich die jeweiligen Texte mit diesen Begriffen und der Art, wie sie eben begriffen werden.
Bleiben wir bei Europa: Ist das für euch mehr als eine Worthülse?
Knoth: Die Frage ist ja, was steckt eigentlich dahinter? Im besten Fall regen wir die Hörer dazu an, diesen Begriff zu hinterfragen. Das ist zwar nicht unsere Intuition, aber wohl das Beste, was passieren kann: Sich zu fragen, was es bedeutet, in Europa zu leben – und eben auch, was es bedeutet, hier nicht geboren zu sein, nicht dieses Glück gehabt zu haben. Wobei ja gerade auch dieses Glück hinterfragt werden kann: Warum sind wir eigentlich in Europa so privilegiert? Und auf welchem Leid baut dieses Privileg auf? Das sind die Fragen, die in diesem Lied stecken.
Noch ein Begriff, der 2022 Konjunktur hatte: die Doppelmoral. Wie ihr es macht: Privilegien zu hinterfragen, sie aber trotzdem weiter zu genießen – steckt dahinter eine Doppelmoral?
Knoth: Ich glaube das ist nicht der Fall, wenn es das Bewusstsein dafür gibt, wie privilegiert wir sind. Und wenn daraus die Dankbarkeit erwächst, weiterhin das machen zu dürfen, was wir tun. Es gibt Tage, an denen hat man das mehr im Blick, und solche, an denen man weniger reflektiert genießt. Das ist aber auch in Ordnung, denn niemand von uns ist dazu gezwungen, an jedem Tag mit einem schlechten Gewissen zu leben. Denn das bringt ja auch nichts.
Kuhn: Ich habe prinzipiell ein schlechtes Gewissen, das liegt aber an mir persönlich. (lacht) Du sagtest in deiner Frage, Doppelmoral sei ein Begriff, der in diesem Jahr häufig gebraucht wurde. Ich weiß gar nicht, ob das stimmt, ich habe ihn nicht so häufig gehört.
Knoth: In unseren Texten ist die Doppelmoral schon lange ein Thema, auf der anderen Seite sind wir alle nicht frei davon. Niemand von uns. Und auch hier gilt wohl, dass es wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein, aber nicht den Anspruch an sich selbst stellen sollte, perfekt zu sein.
Kuhn: Die Frage stellt sich tatsächlich: Scheitere ich an den Ansprüchen? An meinen, aber auch an denen, die andere an mich stellen. Was ich dabei merke: Je älter ich werde desto besser komme ich damit klar, mit den Widersprüchen zu leben. Das gehört einfach dazu.
Welche Widersprüche habt ihr 2022 bei euch erkannt?
Kuhn: Dass wir weiterhin eine Punkband sein wollen, aber erfolgreich. Wobei, nicht im klassischen Sinn kommerziell erfolgreich, aber wir möchten schon versuchen, so viele Menschen wie möglich mit unserer Musik zu erreichen. Dass es diesen Widerspruch gibt, bekomme ich mit, wenn in den Kommentarspalten gepostet wird, bei der neuen Platte handele es sich um Müll für den Mainstream. Wobei der Widerspruch für eine Band ja schon an der Stelle beginnt, wenn man bedenkt, dass sie für verschiedene Menschen etwas Verschiedenes darstellt.
Knoth: Das ist ein gutes Beispiel, und diese Widersprüche müssen wir als Band eben aushalten. Das funktioniert, indem wir den richtigen Fokus setzen: Es kommt darauf an, was wir drei wollen, ohne Rücksichtnahme auf das, was die anderen wollen oder in uns sehen könnten. Wobei der Königsweg vielleicht ein Mittelweg ist, den man geht, ohne sich zu verbiegen.
In welchen Momenten habt ihr 2022 diesen Königsweg gefunden?
Knoth: Bei den Konzerten, die wir 2022 gespielt haben. Wenn wir dort erlebten, dass wir die Texte rausschreien und das Publikum die Texte rausschreit, dann ist das ein unfassbar schöner Moment der Befreiung. Natürlich steckt auch in diesem Moment ein Widerspruch, denn: Darf ich mich in Europa, in Deutschland im Jahr 2022 so befreit fühlen? Ja, darf man! Ja, das ist ein Privileg. Aber feiern wir doch in diesen Momenten die Widersprüche, die eigenen, die des Publikums, die des Konstrukts Europa, in dem wir leben. Das zu tun – das empfinde ich als befreiend und versöhnlich.
Dass “Pain Is Forever And This Is The End” tatsächlich fast das Ende von Mantar besiegelt hätte, ist mittlerweile bekannt. Umso erfreulicher, dass die vom Pech und von gesundheitlichen Problemen verfolgte Band letztlich allen Widrigkeiten trotzen konnte: Denn das vierte Album von Gitarrist/Sänger Hanno Klänhardt und Schlagzeuger Erinç Sakarya verbindet die liebgewonnenen Mantar-Trademarks mit neuen Facetten. Das Duo macht immer noch mehr Lärm als manches Quartett und suhlt sich genüsslich im Dreck, während Klänhardt zu (Crust-)Punk-, Black Metal- und Doom-Gewittern Gift und Galle spuckt. Doch gleichzeitig ist “Pain Is Forever…” abwechslungsreicher geraten. So ist das Anfangsriff auf “Grim Reaping” eine liebevolle, schwarz getünchte Hommage an AC/DC, “Of Frost And Decay” spielt gekonnt mit Grunge-Referenzen und “Odysseus” animiert beinahe zum Mitsingen. Nach der “Feuer-Trilogie” “Death By Burning” (2014), “Ode To The Flame” (2016) und “The Modern Art Of Setting Ablaze” (2018) sowie der 2020er-Cover-EP “Grungetown Hooligans II” schlagen Mantar somit zwar kein neues Kapitel, aber eine neue – und hoffentlich nicht die letzte – Seite in der Bandgeschichte auf. Stefanie Prieske
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Architects The Classic Symptoms Of A Broken Spirit
VÖ: 21.10. | Label: Epitaph
Mit ihrem zehnten Album schließen Architects die vergangenes Jahr eingeläutete Häutung ihres Sounds ab. Anstelle von Streichern wie auf dem Vorgänger “For Those That Wish To Exist”, setzt die Band aus Brighton vermehrt auf Synthesizer und steht mit mindestens einem Bein im Industrial. Als Fan alter Metalcore-Tage kann man sich deswegen abwenden, besser aber lässt man sich vom erfrischend neuen Stil der Band mitreißen. Das Tempo vieler der elf Songs ist reduziert und Frontmann Sam Carter darf endlich zeigen, was für ein begnadeter Sänger in ihm steckt. Den Gitarristen Adam Christianson und Josh Middleton macht zudem nach wie vor niemand etwas in Sachen dicker Gitarrenriffs vor. Es ist fast beängstigend, mit was für einem Selbstverständnis Architects mittlerweile Hymnen für die großen Bühnen schreiben. Die Ballade “Burn Down My House” ist eine davon und verkörpert den neuen Duktus der Briten am radikalsten. Der Closer “Be Very Afraid” zeigt dagegen, dass Architects Metalcore noch immer aus dem Effeff beherrschen. “Anything is possible/ We could be unstoppable”, heißt es wiederum in “Tear Gas”. Nach diesem Album scheint für Architects alles möglich zu sein. Jonathan Schütz
“But here I go again, mixing drinks and messages/ So I’ll say it plain, baby” – eine Beziehung geht zu Ende, und Sängerin Elisabeth Stokes versucht verzweifelt die richtigen Worte zu finden, damit sie vielleicht doch nicht enden muss. Schließlich ist sie Expertin für die Liebe zum besungenen Menschen – ein “Expert In A Dying Field”. Um sie vor dem Aussterben zu bewahren, stehen nicht nur dem Text von “Knees Deep” die poetischen Bilder mindestens bis zu den Knien: “And I can close the door on us/ But the room still exists/ And I know that you’re in it.” Damit bleibt Stokes zwar nicht bei schlichten Worten, aber kreiert Songtexte, die genauso genial durchdacht wie berührend sind. Bevor man von den bittersüßen Gesangsmelodien zu weit in melancholische Tiefen hineingezogen wird, holen The Beths einen mit dem durchweg sonnig-strahlenden Power Pop ihrer Platte immer wieder zurück an die Oberfläche. Sie verbinden Indierock-Leichtigkeit mit rauer Gitarrendynamik, streuen hier und da einen unerwarteten Akkord ein oder werfen plötzlich den Rhythmus um. Die vielen weiteren subtilen Schichten entdeckt man dann noch über 2022 hinaus. Miriam Gödde
Niemand hätte gedacht, dass Hot Water Music nach “Light It Up” von 2017 noch eine Platte machen. Co-Frontmann Chris Wollard beendet kurz nach Veröffentlichung aufgrund seiner mentalen Gesundheit das Kapitel live, fortan darf The Flatliners-Sänger Chris Cresswell auf der Bühne einspringen. Aber aus dieser Not eine Tugend zu machen und Wollard auch auf Platte zu ersetzen, käme einer Majestätsbeleidigung gleich. Deswegen sind Hot Water Music auf “Feel The Void” zu fünft. Damit verpasst die Band dem keuchenden Karohemden-Punk Truck einen Turbomotor. Der Opener “Another Breath” klingt nach modernem Post-Hardcore und zeigt Vorzeige-Holzfäller Chuck Ragan in absoluter Bestform, das sachte groovende “Newtown Scraper” stellt das hervorragende Bassspiel von Jason Black in den Vordergrund und “Collect Your Things And Run” ist der beste 90er-Throwback-Bartpunk-Song des Jahres. Auf “Turn The Dial” darf Cresswell dann auch mal die gesangliche Hauptrolle spielen, was hervorragend funktioniert. Das und wie breit sich die Band beim Sound aufstellt beweist, dass Hot Water Music, anders als viele Zeitgenossen, auch 2022 alten Hunden neue Tricks beibringen können. Florian Zandt
Hier eine unvollständige, gleichwohl aussagekräftige Auswahl der helfenden Hände auf dem zweiten Sasami-Album: Dirk Verbeuren von Megadeth, Dylan Blake von Barishi, Mitski, Meg “Hand Habits” Duffy, Anna Butters und Christian Lee Hutson aus Phoebe Bridgers‘ Umfeld sowie Ty Segall und dessen Kumpel Kyle “King Tuff” Thomas, der zwei Songs mitgeschrieben hat. Sasami Ashworth ist also hervorragend vernetzt und weiß, wen sie anhauen muss, wenn sie Ideen hat. Und davon hat sie jede Menge, denn auch das sagt das Ensemble aus: Als zeitweise Keyboarderin bei Cherry Glazerr und als Musiklehrerin ist Ashworth unterfordert, der Schlafzimmer-Indie ihres Debütalbums von 2019 keine Dauerlösung. Darum klingt “Squeeze”, als sei sie vom Oldtimer in den Dragster umgestiegen, um den Geschwindigkeitsrekord aufzustellen für die nicht eben kurze Strecke vom Noise-Bunker (“Sorry Entertainer”) zum Indie-Garten (“Call Me Home”), mit den Haltestellen Garage (“Make It Right”) und Kunstgalerie (“Feminine Water Turmoil”). Ein wilder Ritt, der zeigt, wozu Ashworth fähig ist – und dass sie es zu einem kohärenten Album bündeln kann. Unmöglich vorherzusagen, was da noch kommt. Das wollte sie so. Martin Burger
Für viele spiegelt die Laufbahn von Kraftklub das eigene Leben wider. Als junge Erwachsene und mit “Mit K” gut gelaunt in die “easy” 2010er gestartet, folgen nacheinander AfD-Ernüchterung, Krisen, Spaltung. Die Welt wird kälter, auch für das Quintett aus Chemnitz. Melancholie und Wut nehmen zu, gleichzeitig verzichten Kraftklub nach wie vor auf die vollendete Popwerdung, die man bei Bands ihres Kalibers erwarten könnte. Und das ist goldrichtig. Mit pumpendem Post-Punk-Bass in “Ein Song reicht” oder “Fahr mit mir (4×4)”, Jangle-Gitarren und motorischen Beats fahren Kraftklub musikalisch eigentlich Altbewährtes auf, klingen in der Besinnung auf ihre Stärken aber ebenso durchdacht. In “Vierter September” reflektieren Kraftklub ihren Kampf gegen rechts, der auch abseits der Musik die Chemnitzer prägt. Währenddessen bauen Songs wie “Angst” und Features mit Blond und Mia Morgan den Band-Sound in Richtung Alt-Pop aus, ohne die über ein Jahrzehnt kultivierte Band-DNA aufzugeben. Das resultiert im vierten Nummer-Eins-Album in Serie und zementiert den Headliner-Status, den Kraftklub auch auf absehbare Zeit innehaben werden. Stephan Kreher
Bei dieser Platte liegen Freud und Leid nah beieinander, denn die kanadische Band White Lung verkündet im Herbst, dass ihr sechstes auch ihr letztes Album sein wird. Nach 16 wilden Jahren gehen Mish Barber-Way, Anne-Marie Vassiliou und Kenneth Williams künftig getrennte Wege, werfen vorher aber ihren Fans ein beeindruckendes Vermächtnis vor die Füße. “Premonition” hat die Power eines Debüts plus die Ausgefuchstheit und Stringenz einer eingespielten Gang. Unter den zehn Songs ist kein einziger Hänger: Bis auf “Under Glass”, in dem sie das Tempo ein bisschen drosseln, preschen White Lung mit ihrem schwindelig machenden, melodiösen Highspeed-Punkrock los und halten erst nach einer halben Stunde wieder an. Schlagzeugerin Vassiliou wirbelt hochkomplex, Gitarrist William liefert druckvolle, knackige Riffs – das Alleinstellungsmerkmal von White Lung ist jedoch Chefin Barber-Way, die mal emotional, mal ironisch über ihr neues Leben als Mutter shoutet. Der empowernde Track “Girl” ist ihrer Tochter gewidmet, “Bird” ihrem Sohn, doch allzu gefühlig wird es auf “Premonition” natürlich nicht. White Lung verabschieden sich mit ihrem besten Album – schade, aber danke! Christina Mohr
Die ersten persönlichen Jahresbestenlisten auf Social Media bestätigen den Verdacht, den “Cheat Codes” dort bereits rund um die Veröffentlichung im Sommer erweckt: Kein HipHop-Album läuft 2022 häufiger bei Leuten, die eigentlich keinen HipHop hören. Es gibt ja auch gute Gründe dafür. Da wäre zum einen Danger Mouse’ Ruf als Produzent mit goldenem Händchen für Rockbands – seinen Soundstempel hat er etwa den Black Keys, den Red Hot Chili Peppers oder zuletzt Parquet Courts aufgedrückt. Zum anderen ist auch sein Albumpartner Black Thought als Mitglied der Conscious-Rap-Veteranen The Roots seit jeher auf dem Radar der Alternative Nation. Bleibt noch die Musik selbst, und auch hier kommt “Cheat Codes” weniger HipHop-geschulten Ohren entgegen: Songs wie “The Darkest Part”, das MF-Doom-Feature “Belize” oder das überragende “Aquamarine” mit Neo-Soul-Darling Michael Kiwanuka setzen Danger Mouse und Black Thought so griffig wie vielschichtig in Szene. Ein Übriges erledigt der dunkle, psychedelische Grundtenor, der sich durch die Platte zieht. “Cheat Codes” ist genau das, was man von den zwei Virtuosen dahinter erwarten konnte: mehr Perfektion als Revolution. Dennis Plauk
Falls es noch niemand in aller Deutlichkeit klargestellt hat: Brian Molko und Stefan Olsdal sind überdurchschnittliche Songwriter. Selbst die größten Placebo-Verächter müssen bei jedem neuen Album anerkennen, dass es eine Basis aus mindestens vier in Wort und Struktur sowohl breitentauglichen als auch unangreifbaren Songs gibt, die dafür Sorge tragen, dass die volle Spielzeit lohnenswert bleibt. Über die Nachhaltig- oder Vergänglichkeit von Placebo-Alben entscheidet allerdings, was rund um diese Songs passiert, die diesmal “Beautiful James”, “Happy Birthday In The Sky”, “Surrounded By Spies”, “Try Better Next Time” und “Went Missing” heißen und nahtlos an die Glanzmomente von “Sleeping With Ghosts” (2003) und “Meds” (2006) anknüpfen. Hat sich auf “Loud Like Love” (2013) noch zu viel Plakatives, Synthetisches, Langatmiges getummelt, stimmt sie auf “Never Let Me Go” wieder, die Balance zwischen Rock-Volumen und Synthiefläche (“Hugz”, “Twin Demons”) wie auch zwischen der Placebo-Grundmelancholie und beweglichen Kontrapunkten, wie es etwa die Streicherbegleitung in The Prodigal eindrucksvoll vormacht. Denen gehen die Ideen nicht aus – und das im 28. Bandjahr. Martin Burger
Eine nach der Band benannte Platte hat zwei mögliche Ursachen: eine unabsichtliche oder eine bewusste. Entweder der fehlende Titel plakatiert auch auf Platte fehlende Kreativität, oder er unterstreicht die Ausnahmestellung in der Diskografie. Für The Mars Volta gilt letzteres. Bei aller Haken schlagender Prog-Akrobatik in ihrer Vita – so überrascht wie hier haben Omar Rodríguez-López und Cedrix Bixler-Zavala lange nicht. Soul- und Salsa-Pop in unter vier Minuten – Unwahrscheinlicheres konnte man für das siebte Album der Texaner kaum erwarten. Dass das niemand kommen sieht, zeigt sich auch im Vier-Ohren-Test, dem sich die Platte in VISIONS stellen muss, wo sie jene Geister spaltet, die bei “De-Loused In The Comatorium” noch auf einer Linie waren. Auf lange Sicht gewinnt allerdings auch hier die positive Seite. Nicht etwa trotz, sondern wegen des poppigen Einschlags der Songs, die nach zehn Durchläufen noch allerhand Überraschendes durchschlagen lassen. Denn zwischen Congas, gepfefferter Rhythmik und elegischer Elektronik verschraubt die Band sowohl Jazz als auch Krautrock mit karibischen Tanzstilen, die damit zuvor kaum in Berührung kamen. Daniel Thomas
+++ Foo Fighters-Pressesprecher Steve Martin hat offen über den heiklen Prozess der Bekanntgabe des frühen Todes von Schlagzeuger Taylor Hawkins gesprochen. “Es gab viel Gerede aus zweiter Hand in einer anderen Magazinstory, mit Leuten, die Dinge weitergegeben haben, die Taylor vielleicht tatsächlich gesagt hat, die man aber Freunden überlassen sollte, die unter Freunden reden”, sagte er im Gespräch mit Variety. Der PR-Manager war auch persönlich befreundet mit dem Schlagzeuger, was den Umgang mit dem Ereignis erschwerte. Über den gesamten Prozess erklärte Martin, dass “der richtige Ton” der wichtigste Aspekt ist, wenn es darum geht, “dieses Statement zu schreiben”. Martin gründete 1992 die PR-Firma Nasty Little Man und kümmerte sich im Laufe seiner Karriere um Künstlergrößen wie Radiohead, Nirvana, Gorillaz, Rammstein aber auch die Beastie Boys oder David Bowie. Schon bei Bowie und Adam “MCA” Yauch von den Beastie Boys verfasste er die jeweilige Presserklärung zum Tod der Musiker. Martin merkte an, dass der Tod von Hawkins deutlich “heikler” war als bei seinen anderen Klienten und verwies auf unterschiedliche Medienpraktiken in internationalen Ländern. Hawkins wurde leblos in einem Hotelzimmer in Bogotá gefunden, wenige Stunden vor einem Festivalauftritt der Foo Fighters. Er fügte hinzu: “Ich weiß nicht, wie ich es mache, denn es war immer ein Schockzustand. Es ist ein Segen und ein Fluch, dass ich es in allen drei Situationen richtig gemacht habe.” Die Foo Fighters und Dave Grohl nahmen in zwei üppigen Benefizkonzerten Abschied von Hawkins.
+++ Martin Duffy von Primal Scream ist gestorben. Der Keyboarder trat der Psychedelia-Band 1985 bei und prägte den Sound von Primal Scream in den späten Achtzigern. Tim Burgess von The Charlatans veröffentlichte die Todesmeldung auf seinem Twitterprofil. Später am Tag folgte ein Statement seitens Primal Scream via Twitter: “Es ist schwer, dies zu schreiben. Wir wissen nie, wie wir über den Tod sprechen sollen, außer mit höflichen Plattitüden. Ich möchte nur sagen, dass unser Seelenbruder Martin Duffy am Sonntag verstorben ist. Er erlitt eine Hirnverletzung aufgrund eines Sturzes in seinem Haus in Brighton. Wir von Primal Scream sind alle sehr traurig.” Duffy wurde 55 Jahre alt.
Tweet: Tim Burgess über den Tod von Martin Duffy
Another tragic loss of a beautiful soul. Martin Duffy stepped in to save The Charlatans when we lost Rob – he played with us at Knebworth and was a true friend. He toured with me in my solo band too – he was a pleasure to spend time with. Safe travels Duffy ???? pic.twitter.com/cvuEvvqYGa
Hard to write this. We never know how to speak around death other than polite platidudes. All I want to say is that our soul brother Martin Duffy passed away on Sunday. He suffered a brain injury due to a fall at his home in Brighton. We in Primal Scream are all so sad. pic.twitter.com/PqB2Kg2Xdq
+++ Dave Grohl hat ein weiteres Video der “Hanukkah Sessions 2022” veröffentlicht. Gemeinsam mit Pink hat der Foo Fighters-Frontmann den Song “Get The Party Started” gespielt. Sängerin Pink betrat in diesem Rahmen die Bühne mit den Worten: “Mein Name ist Alicia. Ich bin eine Jüdin.” Erst gestern veröffentlichte Grohl das erste Cover zu den diesjährigen Hanukkah-Sessions. Seit 2020 covern Dave Grohl und Greg Kurstin jährlich anlässlich des jüdischen Lichterfestes Songs von jüdischen Künstler:innen. Über acht Tage lang wird täglich ein Cover veröffentlicht – also für jeden Tag des Festes ein Song. Die Einnahmen der Sessions werden der Anti Diffamation League gespendet, einer Organisation, die sich gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden einsetzt. Die Songs wurden bereits Anfang des Monats während einer geheimen Show in Los Angeles aufgenommen.
Video: Dave Grohl & Pink – “Get The Party Started”
+++ Das Musical von Pavement wird als Teil eines Filmprojekts veröffentlicht. Regisseur Alex Ross Perry äußerte sich dazu in einem Interview mit dem New Yorker, dass das Projekt von Pavements Label Matador ins Leben gerufen wurde und Elemente einer Filmbiografie, Tourdokumentation und Teile des Musicals, sowie seiner Entstehung, beinhalten soll. Wann das Filmprojekt erscheint ist noch nicht bekannt. Anfang Dezember wurde das Debütalbum der Indierock-Veteranen im New Yorker Sheen Center als Musical aufgeführt. 2019 hatten Pavement ihre Reunion angekündigt, in diesem Jahr spielten sie zum ersten Mal seit 12 Jahren wieder in Europa.
+++ Greta Van Fleet haben ein neues Album in Aussicht gestellt. Die Retrorocker aus Michigan gaben beim Helping Hands-Benefizkonzert von Metallica ein Update zum nächsten Album. Bei dem Benefizkonzert spielten Greta Van Fleet als Vorband und gaben noch vor dem Auftritt einige Interviews. Schlagzeuger Danny Wagner überraschte die Frage zum Album und antwortete: “Wir sind gerade dabei, es abzuschließen.” Bassist Sam Kiszka fügte noch hinzu: “Es geht konzeptionell fast zurück zu den Tagen in der Garage, mit der rohen Energie des Sounds. Aber wir bauen das weiter aus, weil wir die besten Musiker sind, die wir je waren. Das aktuelle Album “The Battle At Garden’s Gate” erschien 2021. Ein Release-Datum wurde noch nicht genannt. Greta Van Fleet treten in den nächsten zwei Jahren als Support von Metallica bei deren Welt-Tournee 2023/2024 auf.
Instagram-Post: Greta Van Fleet bestätigen neues Material
+++ The Intersphere haben die neue Single “Wanderer” veröffentlicht. Thematisch behandelt der Song sowohl ein persönliche, als auch eine gesellschaftliche Weiterentwicklung: “Wir sind auf einer Reise, und noch nie war diese Reise so ungewiss. Alles fühlt sich gerade so an, als wäre die Entscheidung, ob man an der Abzweigung den einen oder anderen Weg nimmt, so bedeutend, so unumkehrbar, so folgenschwer”, so Frontmann Christoph Hessler in einem Statement. “Wir müssen die Dinge selbst in die Hand nehmen und nicht nur tatenlos zusehen, wie die Menschheit, die es weit geschafft hat, nun an ihren eigenen krankhaften Auswüchsen zu ersticken droht.” Damit veröffentlichen die Prog-Rocker die erste neue Musik seit ihrem 2018 veröffentlichten Album “The Grand Delusion”.
Video: The Intersphere – “Wanderer”
Stream: The Intersphere – “Wanderer”
+++ The Wrens-Frontmann Kevin Whelan arbeitet an einem neuen Album. Die Band verkündete letztes Jahr ihre Auflösung, Whelan veröffentlichte anschließend die in den vergangenen Jahren entstandenen Songs unter dem Namen Aeon Station auf dem Album “Observatory”. Nun veröffentlicht Whelan ein Statement auf der Band-Webseite, in dem er ankündigt bald ein neues Album über Sub Pop zu veröffentlichen. Weitere Informationen zum neuen Namen des Projekts, ein Albumname und ein Veröffentlichungsdatum sollen im neuen Jahr folgen. Das gesamte Statement kann online gelesen werden.
+++ Iggy Pop plaudert mal wieder aus dem Nähkästchen. Laut einem Interview mit Mojo hat ihm Elton John in den 70ern einen üblen Streich zu Heroinzeiten gespielt: “Ich war wirklich weggetreten. Ich hatte in der Nacht zuvor zu viel genommen, also musste ich mir wahnsinnig viel spritzen lassen, um so weit zu kommen, dass ich gerade noch aufrecht stehen und das Mikro halten konnte”, erzählte der Sänger. “Und dann sah ich diesen Gorilla. Mir wurde klar, dass es kein echter Gorilla war, aber jeder, der ein Gorillakostüm anzieht, sieht riesig aus.” Ohne zu wissen wer im Kostüm – nämlich Elton John – steckte, lies er sich “hochheben und ein bisschen herumtragen, das war sehr lustig”. Sein 19. Studioalbum “Every Loser” erscheint am 6. Januar bei Gold Tooth.