Eine weitere ist, dass sich Maynard James Keenan, der Puscifer ja einst als seinen elektrorockmusikalischen Abenteuerspielplatz gründete und lange als einziges konstantes Mitglied galt, auf diesem Album zum “Special Agent in Training” degradiert, während seine beiden Mitstreiter Mat Mitchell und Carina Round als “Special Agent in Charge” vorgestellt werden. Das ergibt insofern Sinn, als die beiden Musiker, die man mittlerweile wohl ebenfalls als feste Mitglieder bezeichnen darf, einen Großteil der Songwriting-, Gesangs- und Produktionsarbeit leisten. Rounds häufig vielstimmiger Gesangsbeitrag etwa ist auf das ganze Album gesehen deutlich umfangreicher als der von Keenan, nicht wenige Songs kommen sogar ganz ohne seine Stimme aus (was wohl auch dem Umstand geschuldet ist, dass der Löwenanteil der Aufnahmen parallel zur Fertigstellung des aktuellen Tool-Albums über die Bühne ging). Der ausgezeichneten Qualität der Platte tut dies aber keinen Abbruch; es passiert viel, jeder Song ist ein Unikum, besitzt enorm zugängliche Momente ebenso wie geschmackvollen, oft die Hörgewohnheit überraschenden Minimalismus in Arrangement, Rhythmik und instrumentaler Ausgestaltung. Ebenso reichhaltig ist die Klangästhetik: Die klassischen Rockinstrumente wie Gitarre und Bass bestechen mit einem selten vielseitigen Einsatz von regelrechten Verzerrer-Armadas, während die häufig dominierenden Synthesizer so ziemlich alles ausloten, was es zwischen Jean-Michel-Jarre-Electro-Klassik, Nine Inch Nails-Geknarze, Krautrock-Ambient, 80s-Wavepop, Drum’n’Bass-Wummerbässen, 8-bit-Computerspielen und modernem Downbeat so zu entdecken gibt. Das eingangs erwähnte “Agent”-Narrativ hat natürlich ebenfalls einen Hintergrund: Die Songs des Albums werden zusammengehalten von einer übergeordneten Geschichte über einen von Aliens entführten Tramp und Weinsäufer namens Billy D, den zu befreien nur über eine skurrile metaphorische “Myzel”-Technik gelingen könnte, die Mathematik, Leidenschaft, Kunst und Ordnung miteinander kombiniert – womit letztlich auch Ästhetik und Ansatz dieser Platte griffig umschrieben wären. Eine letzte Überraschung findet sich darin, dass “Existential Reckoning” früher veröffentlicht wird, als lange angekündigt: Ursprünglich sollte dieses Album erst 2021 erscheinen. Das wiederum ist in der Musikwelt von Keenan nun wirklich eine Sensation.
weitere Platten
Existential Reckoning: Rewired
VÖ: 31.03.2023
V Is For Versatile (Live)
VÖ: 28.10.2022
Parole Violator (Live)
VÖ: 28.10.2022
Live At Arcosanti
VÖ: 25.02.2022
Money Shot
VÖ: 30.10.2015
All Re-Mixed Up
VÖ: 23.08.2013
Conditions Of My Parole
VÖ: 28.10.2011
C Is For (Insert Sophomoric Genitalia Reference HERE) E.P.
VÖ: 10.11.2009
V Is for Vagina
VÖ: 26.10.2007