0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Start Blog Seite 383

Lass mich hier nicht allein

Fragen hat die Band immer gestellt. Oder besser: Dinge infrage gestellt. Das in Hannover gegründete Trio aus Gitarrist Nils Wittrock, Bassist Ilja John Lapin und seinerzeit Phillip Wende hatte am Anfang überhaupt erst durch das Einreißen und Hinterfragen von Genregrenzen größere Aufmerksamkeit erregt. Als sich The Hirsch Effekt anschicken, ihr erstes Album aufzunehmen, involvieren Wittrock und Lapin, die sich im Musikstudium kennengelernt hatten, Chöre, Blas- und Streichensemble für die Aufnahmen zum ersten Album ihrer “Holon”-Trilogie. Ihr heftiger Mathcore und Screamo Metal ist in der Folge durchzogen von klassischen Passagen und zusätzlich program-mierter Elektronik. Der Stilmix trifft Unvorbereitete wie ein 16-Tonnen-Gewicht, ihre Ambition fordert Hörende heraus – und überfordert nicht selten. Mit “Holon: Hiberno” (2010), “Holon: Anamnesis” (2012) und “Holon: Agnosie” (2015) – inzwischen mit Moritz Schmidt als Schlagzeuger – schaffen sich The Hirsch Effekt ein eigenes musikalisches Universum. Dabei arbeitet sich die Band textlich abstrakt, reduziert und oft kodiert an den eigenen Gefühlswelten ab, demonstriert Zerbrechlichkeit und Zweifel, aber auch Wut und Entäußerung.

»›Urian‹ sollte martialisch klingen  und arrogant und eklig daherkommen.« Ilja John Lapin

Mit dem Album Eskapist folgt 2017 eine Zäsur. The Hirsch Effekt äußern sich politisch, fast könnte man es aktivistisch nennen. Die Band richtet den Blick nach außen, auf Gesellschaft und Politik, Systemaussteiger und Abgehängte. Der persönliche Duktus weicht einem schroffen, unerbittlichen Blick auf Um- und Missstände, an denen Menschen verzweifeln. Auf dem 2020 erscheinenden Kollaps verhandeln The Hirsch Effekt schließlich die Realität des Klimawandels, der Ressourcenknappheit und der letzten Chancen, die der Menschheit zum Gegensteuern bleiben. Wohin sich das folgende Album wenden wird, ist angesichts der Corona-Pandemie, die der Veröffentlichung von Kollaps wie ein Mühlstein um den Hals hängt, vollkommen offen.

Urian

Auf dem sechsten Album von The Hirsch Effekt kulminiert und kollabiert im Grunde alles vorher Dagewesene in knapp einer Stunde unter der Überschrift des “ungebetenen Gastes”, mit dem der Begriff Urian näherungsweise übersetzt werden kann. Wurzelnd im Altenglischen taucht “Herr Urian” als Bezeichnung für den Teufel in Goethes Faust auf. In sowohl martialischen als auch berührenden Extremen erschaffen The Hirsch Effekt ihr wohl persönlichstes, wenn auch dunkelstes Al-bum. Das hat Methode, wie Wittrock und Lapin im Gespräch erläutern. ” ‘Urian’ bezeichnet all die ungebetenen Dinge, die gerade in unseren Leben existieren, sei es die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine, also Umstände, die uns überrennen und die Welt verändern, in der wir uns zurechtgefunden haben. Und es geht um Dinge wie Religion, die als Ordnungssysteme ins Wanken geraten, weil sie von sozialen Entwicklungen herausgefordert werden – was ja auch absolut richtig ist”, so Wittrock. “Ich habe letztens schon mal ein Interview geführt, in dem gesagt wurde, das sei ein Konzeptalbum, und da musste ich schon ein wenig einhaken”, ergänzt Lapin. “Man mag das musikalisch denken wegen der Übergänge von Stück zu Stück, aber “Urian” ist textlich kein Konzeptalbum mit Story. Das sind alles unterschiedliche Stücke mit Texten aus verschiedenen Blickwinkeln, von unterschiedlichen Personen zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben.”

Die Soundwelt, in der sich die neue Platte bewegt, folgt hingegen den Gesetzen, die sich die Band im Laufe der vergangenen Alben erarbeitet hat. Es ist eine Mischung aus gemeinsamer und Solo-Demo-Produktion in den jeweiligen Heimstudios der Musiker. In einer Kombination aus unterschiedlichen Lebensmittelpunkten – Wittrock und Schmidt in Hannover, Lapin in Berlin – und den technischen Segnungen von Zoom, Slack und Home-Recording-Equipment wurden die Songs auf “Urian” seit den letzten Phasen der Pandemie entwickelt. Konzentrierte Retreats und Sessions der gesamten Band oder Zweierkonstellationen komplettierten den Schreibprozess. Die Zeiten jedoch, in denen das Trio zusammen in ein Studio fuhr, um “die Platte” aufzunehmen, sind vorbei, wie Wittrock sagt: “Moritz geht für seinen Part ins Studio, weil ein Schlagzeug im Proberaum einfach nicht gut aufgenommen werden kann, Ilja hat Bass, Cello und Gesang im Studio in Berlin aufgenommen, und ich mache hier in Hannover alles alleine. Ich finde das auch viel weniger stressig als früher, als ich im Studio alles komplett so reproduziert habe wie auf den Demos. Wenn es jetzt so ist, dass eine Gitarrenspur im Demo einfach gut ist, dann bleibt sie im finalen Mix, das ist viel entspannter.” “Die Protagonisten der Songs auf dieser Platte fühlen sich alle irgendwie allein oder alleingelassen”, sagt Lapin über die acht Songs auf “Urian”. “Wenn man den Gedanken von “Urian” weiterführt, kann man sogar sagen, dass das ganze Album als ungebetener Gast auf einer Party gesehen werden kann, weil es all die Themen enthält, die wir lieber nicht ansprechen.”


Gleichzeitig hat sich in Musik und Texten der Band eine gewisse Hoffnungslosigkeit breitgemacht, die wiederum den Entwicklungen der vergangenen Jahre folgt. Eine Band, die sich in möglichst vielen Dingen nachhaltig und umweltbewusst verhalten will, das auch immer wieder thematisiert, sei es in Texten oder ganz profanen Dingen wie dem Produzieren von ökologisch freundlichem Merchandise, setzen Realitäten wie Energiekrise und ökonomische Kriegszustände ganz reale Grenzen, wie Wittrock sagt: “Nach der Zeit von Kollaps und Pandemie mussten wir feststellen, dass wir an bestimmten Punkten einfach an unsere Grenzen stoßen. Wir sehen das im Großen an unserer Regierung, die aufgrund von Krisen in puncto Nachhaltigkeit und Energiewende in politische Fallen tappt. So geht es uns und ich glaube auch vielen anderen im eigenen Leben, darum steht am Ende dieses Albums auch nicht ein Song wie “Agora”, sondern “Erystis”, der in Resignation und Verzweiflung endet. Die Welt ist leider sehr kompliziert.”

Acht Mal Einsamkeit

Das lyrische Ich fällt im “Urian”-Opener “Agora” erst einmal auf sich zurück. „Meine Welt findet nicht mehr zu mir zurück”, singt Wittrock zu klassischer Gitarre und Cello, entledigt sich so jedes Kontextes. Es ist ein Ausblenden von Wahrheiten, zu denen sich Mensch verhalten muss, während alle gelernten coping mechanisms wegbrechen. Multiple Krisen im permanenten Online-Modus verschwinden hinter einem einsamen “Wann wird irgendetwas sein, wie es mal war und wie ich bin?” Das Stück, das ursprünglich als Bandarrangement geplant war, ist eine ungewohnt intime Ouvertüre für Lapins zehnminütige Komposition Otus, die sich elegisch und mit Pathos im Dunkel der Nacht bewegt. Lapins Sprache bietet dabei immer wieder einen rätselhaften wie martialischen Gegenpol zur Zerbrechlichkeit, mit der Wittrock seine Texte schreibt. “Die Sprache hat sich auf jeden Fall punktuell geändert”, sagt Lapin zu seiner Herangehensweise. “Das ist bei meinen Texten auch so gewollt. “Urian” sollte martialisch klingen und arrogant und eklig daherkommen. Das findet sich bei “Blud” auch wieder. An anderen Stellen ist es schon noch eindeutig dieser Nils-Style, den es bei Hirsch Effekt immer gegeben hat. Texte wie die zu “Urian” und “Blud” bezeichne ich als externe Texte, weil es darin im Gegensatz zu introvertierten oder persönlichen Dingen um die Darstellung von äußeren Gegebenheiten geht.” Im folgenden “2054” wenden sich The Hirsch Effekt dann dem wohl persönlichsten Thema des Albums zu, wie Wittrock in einem Satz zusammenfasst: “Bei dem Stück geht es mir um die Grund-angst, seine Kinder nicht richtig auf die Welt vorbereiten zu können, in der sie mal leben werden.” Der Titel, der sich auf einen prognostizierten apokalyptischen Kipppunkt im Klimawandel bezieht, steht wie ein Mahnmal im Leben des Erzählers, während ein plötzlicher Perspektivwechsel mitten im Song die ultimative Ausweglosigkeit mit den Worten “Vater, lass mich hier nicht allein“ konstatiert. Ausgerechnet jetzt übernimmt “Urian” das Ruder und steuert den Tanker des gesellschaftlichen Diskurses in eine Sandbank. Unverhohlen lockt er uns „tiefer ins Netz der Macht”, weg vom menschlichen Austausch, in eine künstliche Welt voller Scheinfakten, die zur eigenen Realität umgeformt werden können.

Aus dem Leben nachwachsender Generationen ist der virtuelle Raum nicht mehr wegzudenken. Wird er darum automatisch zum Fluchtpunkt angesichts eines Alltags, in dem Krise auf Krise folgt und Politikverdrossenheit in Desinteresse endet? Wittrock differenziert: Ich glaube, das Verhältnis der Generationen wird einfach immer krasser. Die Generation, die jetzt das Sagen hat, weiß doch schon gar nicht mehr, was bei den jungen Leuten passiert, weil sich technische Entwicklungen und Trends immer schneller überleben. Gleichzeitig haben die Jungen aber keine starke Lobby, um sich zu behaupten, weil die Gesellschaft insgesamt einfach immer älter wird und niemand mit ihnen mitkommt.” Oder mitgenommen wird? “Ja, genau, die jungen Leute fühlen sich überhaupt nicht repräsentiert im Sinne von, dass da irgendwas wäre, für das sie sich interessieren sollen.” Oder sie werden väterlich belehrt, wie Lapin ergänzt: “Wenn ich was frage, werde ich von Markus Lanz überrannt.” Spätestens hier wird überdeutlich, dass The Hirsch Effekt nicht mehr aktiv um sich schlagen, um Bewegung zu erzeugen, sondern bleischwere Momente voller Isolation und Paralyse beschreiben. Momente, die durch die Szenerie in “Stegodon” umso schwerer auszuhalten sind. “Ich habe Ilja und Moritz, die keine Kinder haben, gefragt, ob es okay wäre, so einen Text zu schreiben und sie fan-den es in Ordnung”, sagt Wittrock über das kleine Kammerstück, dessen Verlauf wohl jedes junge Elternteil auf der Welt abholt. „Du bist gar nicht Teil meines Plans”, heißt es da über den Nachwuchs, der mit Fragen und Nonsens-Regeln seine Welt erkundet. Eine Welt, die, und das lernen wir rund um diesen Song, in sich zusammenbricht, was “Stegodon” umso eindringlicher macht. Das Stück hat mit großen Refrains und Chören eine ungewohnt gradlinige Form und wirkt mit seinen nahezu poppigen Harmonien wie ein Fremdkörper – wenn auch ein willkommener. “Granica” nimmt mutmaßlich die Perspektive eines Geflüchteten ein und trotzt mit dem letzten bisschen Hoffnung den Elementen. Wenn in “Agora” gefragt wurde, wann es wieder wird, wie es mal war, steht hier die Antwort schroff auf dem Asphalt: „Nichts wird je wieder, wie es war.”

Es ist zwar kein Konzept, aber ein übergreifendes Gefühl und Gewicht, das Wittrock und Lapin ihren Worten eingeimpft haben. Ein musikalischer Frontalangriff und der wahrscheinlich aggressivste Song des Albums ist “Blud”, wiederum eine Idee von Lapin: “Die Hälfte von ‘Blud’ war fertig, als wir zum Schreiben in ein Ferienhaus gefahren sind, wo ein paar Sachen daran geordnet wurden. Ein Jahr später hatten Nils und ich uns zum Schreiben in Hannover verabredet, aber gerade als ich ankam, war Nils Corona-positiv. Also habe ich das Stück allein im Proberaum fertiggeschrieben, ich hatte ja sonst nichts zu tun.” Im vorletzten Stück des Albums verausgabt sich die Band mit einem hellwachen Kommentar zur religiösen Doktrin des Gehorsams. Obwohl das Ordnungssystem Religion immer mehr ins Wanken gerät, bietet es keine Alternative zu Dogmen und Sinnsprüchen. “Unser Ritus: verlogen. Unsere Predigt: Verrat. Unsere Wahrheit: ein verzerrtes Weltbild.” Hier fällt so etwas wie der letzte Vorhang, während die Bühne Feuer fängt. Womit “Urian” an seinem natürlichen Ende angelangt ist und mit “Eristys” in der Nacht verschwindet. Ein einsamer Mensch, abseits der Gesellschaft, absichtlich übersehen in der Fußgängerzone auf dem Boden verharrend, fragt sich, wann ihn “endlich mal jemand fragt”. Eine Antwort ist unwahrscheinlich.

Die komplizierte Welt

Wenn man das gesamte textliche Kompendium von “Urian” auf sich wirken lässt, bleiben zum einen alle Fragen unbeantwortet. Zum anderen nagt im Hinterkopf eine neue: Was sollen wir tun? “Die Welt ist leider sehr kompliziert”, sagt Wittrock, “Aber das zu verneinen, führt zu nichts. Für mich sind all diese unumgänglichen Probleme, vor denen wir unsere Augen nicht verschließen können, zu wichtig als nicht über sie zu reden. Und dann ist da diese Gewissheit, in eine Zukunft zu steuern, in der sich niemand zurechtfinden wird.”
Rezeption und Verständnis von “Urian” brauchen Zeit und enden auch dann wohl selten in eindeutigen Urteilen. Allerdings war Eindeutigkeit noch nie eine relevante Größe für The Hirsch Effekt. Die Dringlichkeit ihrer Aussagen hingegen schon. Zum Zeitpunkt unseres Interviews ist der Ukraine-Krieg die vordergründige Weltkrise. Zwei Tage später fallen Terroristen in Israel ein.

Eine Reise in die Vergangenheit

0

Peter Hook ist schon längst kein Mitglied mehr bei New Order – und noch viel länger gibt es Joy Division nicht mehr. Doch der Bassist nimmt Zuschauer:innen auf der kommenden Welttournee mit Peter Hook & The Light in diesem und im nächsten Jahr mit auf eine musikalische Zeitreise. So auch heute Abend bei ihrem Auftritt in Oberhausen in der Turbinenhalle und zwei Tage später in Dresden.

New Order war die Nachfolgeband von Joy Division. Der tragische Suizid von Sänger Ian Curtis am 18. Mai 1980 führte dazu, dass aus Joy Division New Order wurde. Hook gab 2007 die Auflösung der Band in einem Telefoninterview bekannt, ohne das Wissen der anderen Mitglieder. Diese werteten seine klaren Aussagen, die er auf seinem Myspace-Profil untermauerte, als Ausstieg aus der Band. Grund dafür seien Streitigkeiten mit Sänger Bernard Sumner gewesen.

Auf seiner ausgedehnten Tournee mit Peter Hook & The Light werden nun die jeweiligen “Substance”-Single-Compilations von 1987 und 1988 beider Bands in voller Länge gespielt werden. “Es erstaunt mich immer noch, wie viel Spaß es macht, die Substance-LPs zu spielen”, sagte Hook in einem Statement dazu. “Der Kontrast zwischen Joy Division und New Order ist offensichtlich, aber beide ergänzen sich sehr gut.”

Es ist keine Überraschung, dass Hook gerne Erinnerungen an Joy Division und New Order schwelgt. So performte er erst im März gemeinsam mit den Smashing Pumpkins “No Love Lost”  von der ersten Joy-Division-EP “An Ideal For Living” in Mexiko.

Album Ja, Rap Nein

0

Spätestens seit dem Ende seines Duos OutKast mit Big Boi Mitte der Zweitausender ist ein Solodebüt von André 3000 einer der größten unerfüllten Wünsche vieler HipHop-Fans. Zwar gab es 2007 schon mal einen Fernsehsoundtrack und 2018 eine EP von ihm, auf ein richtiges Album wartete man aber nach wie vor vergeblich. Das heißt zumindest bis jetzt, denn erst gestern gab der Rapper bekannt, dass tatsächlich eine Platte in den Startlöchern stünde und diese bereits am Freitag erscheinen soll. Titel: “New Blue Sun”.

Die Ankündigung selbst soll jedoch nicht die einzige Überraschung bleiben, denn André merkte außerdem an, dass es sich bei der Platte keineswegs um ein Rap-Album handeln würde. Stattdessen soll “New Blue Sun” ein rein instrumentales Projekt sein, das hauptsächlich aus Flötenmusik besteht. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass der Musiker bereits seit einiger Zeit verstärkt mit einer Maya-Doppelflöte arbeitet und sogar ein eigens für ihn angefertigtes Instrument besitzt. Trotzdem sprach der Rapper in einem Podcast bei NPR auch die Erwartungen vieler Fans an: “Ich schwöre, ich wollte eigentlich ein Rap-Album machen, aber der Wind hat mich gerade in diese Richtung getragen”, erzählt er. Die neuen Songs seien zunächst experimentelle Sessions gewesen, bei denen André aber nach und nach gemerkt habe, dass dies die Musik sei, die er mit der Welt teilen möchte.

“New Blue Sun” soll laut André eine Länge von knapp 90 Minuten haben, die sich auf acht Songs aufteilen. Belustigte Reaktionen in den sozialen Medien lösten dabei auch deren Titel aus. Neben dem selbstreflektiert benannten Opener “I Swear, I Really Wanted To Make A ‘Rap’ Album But This Is Literally The Way The Wind Blew Me This Time” gibt es dabei Stilblüten wie “That Night In Hawaii When I Turned Into A Panther And Started Making These Low Register Purring Tones That I Couldn’t Control … Sh¥t Was Wild” oder “The Slang Word P(*)ssy Rolls Off The Tongue With Far Better Ease Than The Proper Word Vagina. Do You Agree?”.

Bereits im Juni hatte Rap-Kollege Killer Mike mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, dass André 3000 an einem neuen Album arbeite, nahm dies aber kurze Zeit wieder zurück. Ob es “New Blue Sun” ist, über das er dort sprach, bleibt aber unbestätigt. André zufolge sollen zumindest Tyler, The Creator und Frank Ocean schon Projektskizzen des einiger Songs gehört haben. Vorbestellen kann man das Album bei Epic.

André 3000 – “New Blue Sun”

André 3000 - New Blue Sun (Cover)

01. “I Swear, I Really Wanted to Make a ‘Rap’ Album But This Is Literally the Way the Wind Blew Me This Time”
02. “The Slang Word P(*)ssy Rolls Off the Tongue With Far Better Ease Than the Proper Word Vagina. Do You Agree?”
03. “That Night in Hawaii When I Turned Into A Panther and Started Making These Low Register Purring Tones That I Couldn’t Control … Sh¥t Was Wild”
04. “BuyPoloDisorder’s Daughter Wears A 3000™ Button Down Embroidered”
05. “Ninety Three ‘Til Infinity and Beyoncé”
06. “Ghandi, Dalai Lama, Your Lord & Savior J.C. / Bundy, Jeffrey Dahmer, and John Wayne Gacy”
07. “Ants To You, Gods To Who?”
08. “Dreams Once Buried Beneath The Dungeon Floor Slowly Sprout Into Undying Gardens”

Eine andere Realität

Der Anfang im Kesselhaus mit Hackedepicciotto gerät sakral: Einstürzende Neubauten-Gitarrist Alexander Hacke und die Künstlerin Danielle De Picciotto lesen am Freitag die erste musikalische Messe. Gothic-inspirierte Ästhetik, postindustrielles Geklacker und cineastische Drone-Sounds tragen das Publikum an andere Orte und Zeiten. Dieser musikalische Eskapismus setzt sich beim Synästhesie fort.

Alexander Hacke und seine Kreativ- wie Lebenspartnerin Danielle de Picciotto (Foto: Maren Michaelis)
Alexander Hacke und seine Kreativ- wie Lebenspartnerin Danielle de Picciotto (Foto: Maren Michaelis)

Der traumwandlerische Synth Rave von Wedding verschmilzt im Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug zu einer starken Faust, die zuschlagen und einer sanften Hand, die in Watten packen kann. Apropos sanft: Ein Trend zum Streichinstrument zeigt sich bei Pol, was dem New Wave des niederländischen Zwillingsduos eine liebliche, teils virtuose Note verleiht. Ebenfalls weggetragen wird man zu Holy Waves schwelgerisch-treibenden Songs, die stimmlich an Fleet Foxes, musikalisch an Krautrock erinnern. Im RambaZamba-Theater schließt der leicht schräge George-Michael/Prince-Wiedergänger Sean Nicholas Savage den Tag ab.

Tarts, Synästhesie (Foto: Maren Michaelis)
Die Rave-Punks Tarts und ihr singender Acid-Kobold im RambaZamba (Foto: Maren Michaelis)

Das RambaZamba fungiert auch am Samstag als Schauplatz irrwitzig-eskalierender Überdrehung. Das MPC- und Bassriff-basierte Chaos von The Tarts findet einen angemessenen Ort, um ihren Punk/Wave/Electro mit großer Geste auszurollen. Und mit Geste sind brachial-charmante Spinnereien von trashigen Outfits über Plastikrosen bis hin zum Frontmann gemeint, der in einer Mischung aus Acid-Kobold und Punker-Bono über Bühne und durchs Publikum huscht. Ebenfalls Meister der Übertreibung sind Sex Beat, die kurz vor der Schnappatmung durch ihr schroffes Set voller Noise-Punk und Post-Hardcore rasen. Auf die Frage, ob das Publikum denn wütend wäre, meldet sich nur eine Person vernehmbar, was angesichts der Weltlage erstens ziemlich verwundert und zweitens für das dunkel-funkelnde Eskapismusangebot des Festivals spricht.

The Warlocks, Synästhesie (Foto: Maren Michaelis)
Spielt seine alten Psych-Rock-Songs ohrenbetäubend laut: Bobby Hecksher und seine Warlocks (Foto: Maren Michaelis)

Die drei sehr unterschiedlichen Venues eher nach Spannungskurven als nach Stilen zu bespielen, erweist sich auch in diesem Jahr wieder als passend. So streben von den äußersten Rändern der Kuration auch die Samstag-Acts auf die größte Bühne im Kesselhaus, wo sich Parallelen unter den Bands nur beim genauen Hinsehen ergeben. Vier Sänger bestreiten viele Refrains, der sich auf frühen Punk beziehenden Die Verlierer im Oberhemd und fliegendem Instrumentenwechsel. Die vier Gitarren von The Warlocks bauen breite Wände und einen psychedelischen Sog auf. Und bei La Femme aus Frankreich stehen vier Keyboard-Synthies in vorderster Reihe. Das wars dann aber weitestgehend mit Ähnlichkeiten. La Femme können Abriss zwar mindestens genauso gut wie Die Verlierer, beackern aber eher Synthie-basierten Psych-Punk. Ein wilder Rave, der offensichtlich sehr viele eigene Fans anzieht, denn La Femme eskaliert nicht nur am heutigen Abend mit Keyboardflips und vollem Körpereinsatz.

Sex Beat, Synästhesie (Foto: Maren Michaelis)
Zwischen Punk, Hardcore und Garage Rock: Sex Beat spielen sich in Rage (Foto: Maren Michaelis)

Das große Highlight aber liefern Lucy Kruger & The Lost Boys in ihrem samstäglichen Opening-Set im Kesselhaus. Über wabernde Soundscapes und Ambients steigen Lucy Krugers vertrackte Art-Pop-Songs im Gegenlicht der Scheinwerfer auf. Mal verschleppt die Band die Songs, nur um im nächsten Moment mit gezielt eingesetzter, noisiger Wucht zuzuschlagen. Wenn es frickelig wird, dann nicht um Können zu demonstrieren, sondern um den Songs die angemessene Komplexität zu verleihen. Auch hier gilt: Wer in den Kaninchenbau fallen will, muss genau zuhören.

La Femme, Synästhesie (Foto: Maren Michaelis)
Vier Synthesizer für ein Halleluja: La Femme haben sich in Schale geworfen (Foto: Maren Michaelis)

Da ist es wieder: Das Angebot des Synästhesie Festivals komplett in eine andere Realität abzutauchen, fast so, als wäre diese je nach Standpunkt wandelbar. Eine fast heilsame Erkenntnis.

Jubiläumskonzert

0

Am 17. August 2024 werden die Donots ihr “Grand Birthday Slam Open Air” zum 30. Bandjubiläum auf dem Domplatz in Münster spielen. Platz können dort bis zu 12.000 Leute finden – es hat also das Potenzial, das größte Konzert der Band bislang zu werden. Dafür kündigen die Ibbenbürener an, dass sie von zahlreichen befreundeten Bands begleitet werden, wer genau dazugehören wird, ist bislang allerdings noch nicht bekannt. Tickets für das Open Air sind ab Donnerstag, 16. November, 11 Uhr im Bandshop erhältlich.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von DONOTS (@donotsofficial)

Wer nicht bis zum August warten möchte: Ende des Monats startet die erste Rutsche der “Heut ist ein guter Tag”-Tour. Für 2024 sind die Donots außerdem bereits für Rock Am Ring, Rock Im Park, das Highfield Festival und als Vorband für Green Day bestätigt. Anfang des Jahres haben sie ihr neues Album “Heut ist ein guter Tag” veröffentlicht.

VISIONS empfiehlt: Donots

31.10. Jena – Kassablanca (ausverkauft) (+ Get Jealous)
03.11. Ulm – Roxy (+ The Dead End Kids)
29.11. Leipzig – Haus Auensee (+ Adam Angst)
30.11. Hannover – Capitol (+ Adam Angst)
01.12. Dortmund – Westfalenhalle (+ Adam Angst)
02.12. Bremen – Pier2 (+ Adam Angst)
06.12. Bielefeld – Lokschuppen (+ Adam Angst)
07.12. Erlangen – Heinrich-Lades-Halle (+ Adam Angst)
08.12. Saarbrücken – Garage (mittags) (+ Adam Angst)
08.12. Saarbrücken – Garage (abends) (ausverkauft) (+ Adam Angst)
09.12. Stuttgart – LKA Longhorn

CD-Box zu gewinnen!

0

Zum 30-jährigen Jubiläum ihres Albums “In Utero” haben Nirvana Ende Oktober eine Jubiläums-Edition veröffentlicht, die insgesamt 72 Songs umfasst. Neben Klassikerin wie “All Apologies” und “Heart Shaped Box” enthält die “In Utero (30th Anniversary Edition)” über 50 bislang unveröffentlichte Songs – unter anderem zwei komplette Auftritte, die von Produzent Jack Endino (“Bleach”) rekonstruiert wurden. Die Auftritte – darunter der letzte, den die Band jemals in den USA gespielt hat – gibt es außerdem digital als “In Utero 30th Live”.

Bei uns könnt ihr nun eine CD-Box gewinnen, die neben 5 CDs auch mit einem 48-seitigen Buch, Tourpostern sowie Backstage-Pässen bestückt ist. Allen Teilnehmenden wünschen wir viel Glück!

 

CD-Box

Harmonische Akrobatik

Das Brüsseler Sextett John Ghost, eine Art Supergroup der belgischen Jazz-Szene um Gitarrist und Komponist Jo De Geest, formuliert mit seinem neuen Album “Thin Air. Mirror Land” (Sdban Ultra, 06.10.) eine neue Sprache im Modern Jazz. Angelehnt an die rhythmischen und harmonischen Ideen von Bands wie Jaga Jazzist oder Portico Quartett, bewegt sich die Band in komplexen Konstrukten durch dichte Atmosphärenräume. Vielschichtige Melodiebögen überspannen gebrochene Taktsequenzen und detailreiche Akkordgebilde. Angelehnt an elektronische Kompositionstechniken vollführen John Ghost reich instrumentierte harmonische Akrobatik, um im nächsten Moment in balladeskem Schöngeist durchzuatmen. “Thin Air. Mirror Land” nimmt jeden in den Arm, der es zulässt.

Akzeptanz ist auch das, was die Münchener Band FSK seit 1980 immer mal wieder aus der Versenkung auftauchen lässt. Akzeptanz von Umständen und der daraus entstehenden Haltung. Ein Sich-Verhalten-Müssen als Impetus für das neue Album “Topsy Turvy” (Buback, 13.10.) überschattet dabei den musikalischen Impuls. FSK verarbeiten 2023 das, was sie bereits auf 17 vorhergehenden Alben angesammelt haben. Elektronik, Techno, Post-Rock und Afro-Beat sind die Basis für die neuen in The Notwists Alien Research Center Studio produzierten Stücke, die zwischen minimalistischem Elektro-Punk und Artrock mäandern. Was im Albumtitel “drunter und drüber” geht, manifestiert sich in einem Stilmix aus Freestyle, Non-Music und Post-Rock.

Wem das in Form und Ausführung zu intellektuell klingt, greift zum neuen Album des Berliner Post-Kraut-Trios Yelka. “Krieg und Ferien” (Fun In The Church, 27.10.) ist bereits das dritte Album innerhalb eines Jahres, mit dem die Band zu Gast in dieser Kolumne ist. Yelka bleiben ihrem Zeitplan treu, zehn Alben in drei Jahren zu veröffentlichen. Die motorischen Improvisationen geschliffener, das Zusammenspiel exakter, die Ideen extravaganter – man kann Yelka beim Wachsen zuhören. Was einerseits bedeutet, dass “Krieg und Ferien” das bislang “fertigste” Album der Band ist, andererseits die Frage aufwirft, wieviel Entwicklung noch möglich oder gewünscht ist. Der delikate Afrobeat in “Beo” und das überraschende Münchener-Freiheit-Cover von “Tausend Mal Du” demonstrieren zumindest noch gehöriges Potential.

Auch nach seiner Auszeichnung mit dem Oscar für “Im Westen Nichts Neues” befindet sich Volker Bertelmann aka Hauschka weiterhin auf der Suche nach neuen Wegen der Klangerzeugung. Das vorläufige Ergebnis heißt “Philanthropy” (City Slang, 20.10.)und nahm seinen Anfang bereits 2019. Den Sessions mit Múm-Schlagzeuger Samuli Kosminen folgten Experimente mit Synthesizer und präpariertem Klavier im Lockdown und weitere Gastaufnahmen. Das Ergebnis ist ein sonnendurchflutetes, freundliches Album voller melodiöser und zutiefst romantischer Klangcollagen, abgeschlossen von “Noise”, jenem Stück aus dem Abspann zu “Im Westen Nichts Neues”, das nicht auf dem offiziellen Soundtrack des Films veröffentlicht wurde.

Kategorien wie Melodie und Akkordfolgen sind dem Experimental-Duo Matmos von jeher eher fremd. Drew Daniel und M.C. Schmidt verarbeiten auf ihrem 14. Album “Return To Archive” (Smithsonian Folkways, 03.11.) die Field Recordings der Folkways-Records-Klangbibliothek, die von Froschgesängen über Wespensummen bis zu menschlichen Stimmen nach Kehlkopfoperationen seit den 50ern alle nur erdenklichen Geräusche dokumentiert. Matmos tauchten tief in das Archiv hinab und erschufen ein technoid zuckendes Avantgarde-Album, das ausschließlich Samples in manipulierter Form verwendet und doch im Ordnungssystem “Musik” aufgeht. Ein akustischer Höllentrip mit offenem Ende.

Mike Ness beendet Chemotherapie

0

Mit einem üppig verzierten Sombrero zeigt sich Social Distortion-Frontmann Mike Ness in seinem neuesten Instagram-Post und gibt seinen Follower:innen in der Bildbeschreibung nicht nur ein Update zu seinem neuesten Antikmarktfund, sondern auch zu seinem Gesundheitszustand: “Ich habe meine sechswöchige Chemo und Bestrahlung letzte Woche beendet und kann mit jetzt völlig auf die Rehabilitation konzentrieren, um meine Stimme und alle Muskeln in Hals und Nacken, die durch die Operation usw. beschädigt wurden, wieder zu stärken.” Wie angeschlagen seine Stimme noch ist, konnte man zuvor in einem Instagram-Beitrag zur Reissue des Social-Distortion-Debüts “Mommy’s Little Monster” (1983) hören.

Anfang Juni bereits hatte Ness veröffentlicht, dass er an Mandelkrebs erkrankt sei, der – glücklicherweise – in einem noch sehr frühen Stadium bereits entdeckt wurde. Nach Abschluss seiner Chemotherapie schaut er auch bereits mit einem Auge in Richtung Zukunft seiner Band: “Ich behalte mein Ziel im Auge, wieder im Studio zu sein, um das Album fertigzustellen, und eher früher als später wieder auf der Bühne zu stehen.”

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Mike Ness (@mikeness)

Beeinträchtigt hätte Ness seine Erkrankung zu Beginn, bis zu einer ersten Operation nicht, weswegen Ness auch ein Update zu neuer Musik mit seiner Band gab und berichtete, dass sie an neuen Aufnahmen gearbeitet hätten. Aufgrund der gesundheitlichen Probleme mussten Social Distortion auch ihre angekündigte Tour und den Release eines neuen Albums verschieben, das auch weiterhin kein offizielles Datum hat. Ein Release irgendwann im nächsten Jahr dürfte aber wahrscheinlich sein. Zuletzt haben Social Distortion 2011 “Hard Times And Nursery Rhymes” veröffentlicht.

Neue Outtake-EP angekündigt

0

In ihrer kurzen Zeit des Bestehens (1980 – 1983) veröffentlichten Minor Threat mit “Out Of Step” nur ein Album. Zum 40-jährigen Jubiläum der Platte öffnet Sänger und Labelchef Ian MacKaye nochmal den Tresor und kündigt eine EP mit drei Outtakes der Albumsessions aus dem Januar 1983 an.

Für die Aufnahmen ihres Debütalbums gingen die Hardcore-Mitbegründer erstmals zu fünft ins Studio. Brian Baker (u.a. Bad Religion) war vom Bass zur zweiten Gitarre gewechselt und Steve Hansgen spielte nun Bass. Sie experimentierten mit dem erweiterten Band-Sound und nahmen neben einigen neuen Songs auch neue Versionen ihrer Songs “In My Eyes” und “Filler” mit zwei Gitarren auf, die beide zuvor schon auf ihrer Debüt-EP “Minor Threat” von 1981 veröffentlicht worden waren. Dazu auch Hidden-Track “Cashing In”, einen augenzwinkernden Song über die Punkszene in D.C., den sie nur einmal live gespielt hatten. Danach hatten sie noch ein leeres Band übrig und beschlossen, ein Instrumentalstück mit dem Titel “Addams Family” aufzunehmen, das schließlich als Coda für “Cashing In” diente.

Die Vollversion landete allerdings im Tresor, ebenso wie die alternativen Versionen von “In My Eyes” und “Filler”, die damals nicht abgemischt wurden und über 35 Jahre lang weitgehend in Vergessenheit gerieten, bis die Multitrack-Bänder 2021 ins Studio gebracht und digitalisiert wurden. MacKaye selbst hat das Material mit dem Studiobesitzer Don Zientara abgemischt.

Diese drei Outtakes erscheinen nun als “Out Of Step Outtakes” am 1. Dezember. Die Seven-Inch ist über MacKayes Label Dischord erhältlich und kann bereits vorbestellt werden.

Minor Threat – “Out Of Step Outtakes”

Minor Threat Out of Step Outtakes

01. “In My Eyes”
02. “Filler”
03. “Addams Family”

VISIONS ON INSTAGRAM

ABONNIERE UNSEREN NEWSLETTER

[newsletter2go form_type=subscribe]