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Summer Battles

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Nachdem die beiden Metal-Bands Heaven Shall Burn und Trivium ihre gemeinsame Tour 2021 aufgrund der Pandemie absagen mussten, sorgen sie nun mehrfach für Nachschub: Bereits im Januar und Februar standen sie für einige Konzerte in Deutschland gemeinsam auf der Bühne, nun sollen im Sommer zwei weitere Co-Headliner-Konzerte in Deutschland folgen, wenn auch in deutlich kleinerem Rahmen.

Neben Trivium haben sich Heaven Shall Burn für ihre “Summer Battles” aber noch weiteren Support mit ins Boot geholt: So werden neben Any Given Day auch noch Bleed from Within, Shadow of Intent, The Acacia Strain, Mental Cruelty und Ingested in mehreren Städten mit von der Partie sein. Um welche es sich dabei im Einzelnen handelt, kann dem Tourplakat entnommen werden. Tickets gibt es ab Mittwoch, den 29. März um 10 Uhr bei allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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Heaven Shall Burn und Trivium pflegen seit Jahren eine enge Freundschaft mit Trivium, wie Schlagzeuger Maik Weichert betont: “Mit Trivium verbindet uns eine unserer ältesten und beständigsten Freundschaften im gesamten Musikzirkus. Wir haben schon ganz früh zusammen kleine Clubs zerlegt und später dann große Arenen abgerissen, haben in Saalfeld ebenso wie in Sydney gemeinsam gefeiert und getobt. Wir sind überglücklich, endlich wieder mit den Jungs auf Tour zu gehen und Europa kreuz und quer zu beackern.”

Beide Bands veröffentlichten 2020 neue Alben: Während die deutsche Metalcore-Band um Sänger Marcus Bischoff ihr neuntes Studioalbum “Of Truth and Sacrifice” veröffentlichte, gingen Trivium im selben Jahr mit “What The Dead Men Say” an den Start, 2021 folgte  “In The Court Of The Dragon“.

Live: Heaven Shall Burn und Trivium

15.08.2023 – Dortmund – Junkyard (Outdoor)
16.08.2023 – Wiesbaden – Schlachthof

Golden Shower Of Hits

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“Splish, Splash I was Takin’ A Piss”, beginnen Private Function den Erklärungstext zu ihrem Video, das die Band aus Melbourne zeigt, wie jedes Mitglied einen mit Urin gefüllten Behälter präsentiert, bevor sie den “glücklichen” Vorbesteller:innen gratulieren: “Glückwunsch an die 50 Leute, die die ‘Gold’-Version unserer neuen Platte bestellt haben. Ihr habt gerade eine Liquid Disc voll mit unserer Pisse gekauft.”

Der Urin der Garage-Punks wird demnach vom lokalen Label Salty Dog Records mit einer speziellen Versiegelungstechnik im Vinyl eingeschlossen, sodass sich dieser beim Abspielen der Platte fließen und sich drehen kann. Es dürfte der wahrscheinlich erste dokumentierte Fall von flüssigem Urin in einer Vinyl-Schallplatte. Da das laut Band vor allem technisch ein äußerst schwieriges Unterfangen darstellt, gibt es noch kein Bild der fertigen Platte.

 

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Frontmann Chris Penney erklärte weiter, dass sie dafür eine “bakterielle Lösung finden mussten, um die Pisse abzutöten, da sie sich sonst ausdehnt und die Platten aufbrechen könnte”, so Penney. “Ich liebe die Vorstellung, dass die Platten in den Regalen aufbrechen und all deine Platten mit Pisse bedecken, und ich hoffe, dass das wenigstens einmal passiert.” Die Band bittet die Glücklichen lediglich darum, “ihre DNA nicht zu benutzen, um Verbrechen zu begehen”.

Doch auch alle anderen Fans von Private Function kommen auf ihre Kosten: Alle Hüllen der Erstpressung von “370HSSV 0773H” fungieren gleichzeitig als Rubbellos. Das Gewinnerlos verspricht 2.999 Dollar und den Abdruck des Gesichtes der Gewinner:in auf allen weiteren Pressungen des Albums.

 

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Nur noch die schwarze Vinyl-Version von “370HSSV 0773H” ist im Bandshop verfügbar. Es wird das erste Album von Private Function sein, seit sich die Band 2021 von Gründungsgitarrist Joe Hansen trennte, nachdem gegen ihn Vorwürfe wegen sexuellen Fehlverhaltens erhoben worden waren. Später wurden zwei neue feste Mitglieder als Ersatz für Hansen vorgestellt.

Zu viel vom Kuchen

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Merch-Cuts sind kein neues Phänomen: Seit Jahren behalten Venues einen prozentualen Anteil der Einnahmen durch Merchverkäufe ein, als Argument dafür nennen sie unter anderem, dass sie die Verkaufsfläche für die Bands stellen. Bis kürzlich schien das auch kein großes Problem für Künstler:innen darzustellen, nun regt sich langsam Gegenwehr. Seit Touren wieder möglich ist, sind für Musiker:innen die Kosten durch den pandemiebedingten Personalmangel und die Inflation massiv angestiegen – das zeigt sich nicht nur in gestiegenen Ticketpreisen oder gänzlich abgesagten Touren, es macht sich auch durch die Preise am Merch-Stand bemerkbar.

Dass sich Bands und Künstler:innen durch die erhöhten Merch-Preise nicht unverhältnismäßig bereichern wollen, sondern lediglich laufenden Kosten decken wollen, offenbaren die neuesten Entwicklungen: Vergangene Woche kündigten Russian Circles an, dass sie während ihrer Show in Paris kein Merch anbieten werden. Die Post-Metal-Band erläuterten die Gründe in einem Instagram-Statement: “Bei der heutigen Show in Paris hat der Veranstaltungsort ein externes Unternehmen beauftragt, das Merch der Künstler zu verkaufen. Dieses Unternehmen nimmt 25 Prozent Provision und behält 20 Prozent Umsatzsteuer ein.” Da eine Erhöhung der Merchpreise für Russian Circles ausgeschlossen war, beschlossen sie, den Merch-Verkauf ganz zu stoppen.

 

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Einen ähnlichen Weg schlug auch die Prog-Metal-Band Monuments ein. Nachdem die Engländer bei einem Konzert in Italien ganze 47 Prozent ihrer Einnahmen ans Venue abgeben mussten, fassten sie ebenfalls den Entschluss, beim nachfolgenden Konzert in Griechenland kein Merch zu verkaufen. Auf Instagram teilte die Band wenig später eine Rechnung, die beweist, dass sie von den 850 Euro Einnahmen an Merch-Verkäufen bei der Show in Italien nach Provisions- und Steuerabzügen nur knapp 484 Euro behalten durfte. Auch der französische Metal-Musiker Igorrr stoppte seinen Merch-Verkauf kurz vor seiner Show im Londoner O2-Forum, da das Venue 25 Prozent seiner Einnahmen einbehalten wollte.

 

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Bereits Mitte Februar hatte Architects-Drummer Dan Searle via Twitter zum Streik aufgerufen: “Hallo Bands, wann werden wir streiken, um diese irrsinnigen Merch-Cuts loszuwerden? Oder vielleicht spielen wir nicht, bis wir einen Anteil der Bar-Einnahmen bekommen?” Seine Argumentation führte Searle in den folgenden Tagen weiter. Sein Argument: Das Venue hätte ohne die Künstler:innen voraussichtlich gar keine Einnahmen an dem Abend. Weiterhin meinte er, dass die Kosten für die Benutzung der Venue bereits über die Ticketverkäufe gedeckt sein sollten. “Ticketverkäufe, die nur wegen… oh ja, der Band existieren.” Eine finanzielle Entlastung der Bands durch geringere Merch-Cuts würde sich, so Searle, zugunsten der Fans ausspielen. Diese würden größere, bessere Shows bekommen und müssten weniger für das Merch ihrer Lieblingsacts zahlen. Bandkollege Sam Carter stieg wenig später in die Diskussion ein und berichtete, dass das Venue, in dem Architects wenige Tage zuvor in Melbourne gespielt hatten, 15 Prozent ihrer Einnahmen einbehalten hatte.

Auch Stray From The Path-Schlagzeuger Craig Reynolds hatte sich an der Diskussion beteiligt und musste die Fans wenige Wochen später dringlichst darum bitten, Merch bei ihrer Show im Londoner O2 Forum zu kaufen: “Dieses O2-Venue ist verrückt: Sie zwingen uns, ihren eigenen Merch-Verkäufer zu benutzen (der nicht an dem Verkauf deines Merch interessiert ist oder einen guten Job macht), dann behalten sie 25 Prozent des Bruttobetrags ein, den diese Person verdient.” Kurze Zeit nach dem Post veröffentlichte Reynolds eine Auflistung, die zeigt, dass die Band und das Venue am Ende des Tages in etwa die gleiche Summe für Merch-Verkäufe ausgezahlt bekommen.

Die Liste mit Beschwerden von Künstler:innen ist noch länger. Vergangenen Oktober hatte Garbage-Sängerin Shirley Manson einen Post mit dem Titel “Die Live-Musikindustrie ist kaputt” veröffentlicht, in welchem sie erwähnte, dass viele Künstler:innen heutzutage nicht mehr von den Einnahmen durch Musik- und Merch-Verkäufe leben könnten, während sich große Unternehmen immer mehr Geld einstecken würden. Bad Omens hatten im darauffolgenden Dezember Dan Searles Vorschlag verweggenommen, dass Bands einen Teil der Bar-Einnahmen einbehalten sollten, solange Merch-Cuts noch existieren.

In Deutschland wurde das Thema beispielsweise 2019 von den Rappern Casper und Marteria aufgegriffen, als sie den Merch-Verkauf von ihrer gemeinsamen Show in der Berliner Waldbühne in einen Pop-Up-Store verlegten, da sie die hohe prozentuale Beteiligung an den Merchandise-Umsätzen nicht bezahlen oder an die Fans weitergeben wollten.

Bisher hält sich der Protest in Deutschland aber noch in Grenzen. In Großbritannien und Nordamerika dagegen wurde mittlerweile die Initiative Featured Artists Coalition ins Leben gerufen, die mit Clubs und Konzerthallen zusammenarbeitet, die keinerlei Kommission von Künstler:innen einbehalten. Dazu gehören mittlerweile über 800 Clubs und Konzerthallen im Großbritannien und knapp 134 in Nordamerika. Vergangenes Jahr hatte die Initiative eine anschauliche Darstellung veröffentlicht, derzufolge bei einem Merch-Cut von 25 Prozent von einem 20 Euro teuren T-Shirt nach Abzug aller zusätzlichen Kosten lediglich 5 Euro beim Künstler landen – und ebenfalls 5 Euro beim Venue selbst.

Einzelshow im Juni

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Nun wird es ernst: Die im Zuge ihrer bevorstehenden Auflösung angekündigten, neuen Projekte zweier NOFX-Mitglieder gehen zusammen auf Tour. Nachdem Bandkopf Fat Mike Ende 2022 überraschend das Ende von NOFX in Aussicht gestellt hatte, präsentiere er auch schon kurz darauf sein Genre-Crossover-Projekt Codefendants, das er im Interview mit uns als seine “neue Band” betitelte. Dort tritt er zunächst wohl nur hauptsächlich als Produzent und Chef des neuen Labels Bottles To The Ground in Erscheinung.

Daher ist es fraglich, ob Fat Mike auch am 1. Juni auf der Bühne im Kölner Luxor mit Sam King und Rapper Ceschi stehen wird, wenn Codefendants ihr erstes Konzert in Deutschland spielen werden. Mit dabei ist allerdings NOFX-Gitarrist Eric Melvin mit seinem EDM-Punk-Soloprojekt Melvinator, das er ebenfalls erst kürzlich vorstellte – unter anderem mit der zweiten Single “Regaining Unconsciousness”. Außerdem dabei: Kings Hauptband Get Dead, die einen Mix aus Ska-, Skate- und Folk-Punk spielen. Tickets gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Kurz darauf spielen NOFX bei Rock am Ring/Rock im Park. Die Konzerte werden allerdings nicht Teil ihrer 40 Städten umfassenden Abschiedstournee sein. Erste Shows dafür in den USA, Großbritannien, Österreich und Spanien stehen zwar schon fest, in Deutschland wurden aber offiziell noch keine Abschiedsshows angekündigt und finden vermutlich auch erst 2024 statt.

Melvinators Debütalbum “The Rise Of The Melvinator” erscheint am 12. Mai, die Codefendants veröffentlichten zumindest schon digital ihr Debüt “This Is Crime Wave“. Get Deads aktuelles Album “Dancing With The Curse” stammt von 2020.

Live: Melvinator, Codefendants, Get Dead

31.05.2023 Eindhoven – Dynamo
01.06.2023 Köln – Luxor

Kinokarten und Vinyl zu gewinnen!

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Das neue Metallica-Album schon vor allen anderen hören? Das ist auch dieses Mal wieder wie schon zu “S&M2” (2020) möglich. Metallica, Trafalgar Releasing und LUF Kino laden nämlich wieder Fans auf der ganzen Welt ein, ihr kommendes 12. Studioalbum “72 Seasons” schon einen Tag vor Release am 13. April im Kino, mit einem überwältigenden Surround-Sound, Musikvideos für jeden Song und einem exklusiven Kommentar der Band, zu erleben.

Infos zu allen teilnehmen Kinos in Deutschland und Tickets für das einmalige Kinoevent unter dem Titel “Metallica: 72 Seasons – Global Premiere” gibt es auf metallica.film – oder auch bei uns! Wir dürfen nämlich für die Kinopremieren in München, Berlin, Leipzig, Stuttgart, Köln und Frankfurt jeweils 2×2 Freikarten verlosen!

 

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Die Teilnahme lohnt sich gleich doppelt, denn für alle, die keine Tickets gewinnen konnten, verlosen wir als Trostpreis drei Fanpakete, jeweils bestehend aus einem Metallica-T-Shirt sowie dem neuen Album auf Vinyl. Viel Glück!

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Schlafzimmer und Königreiche

Chelsea Wolfe The Grime And The Glow

VÖ: 2010
Chelsea Wolfe - The Grime And The Glow

Bevor sich Chelsea Wolfe als Königin der Finsternis über eine ganze Szene erhob, klang sie auf ihrem Debüt “The Grime And The Glow” noch weniger gefährlich. Ein wenig flau wird einem aber schon bei den Stücken, man befürchtet ständig, gleich müsste es einem den Boden unter den Füßen wegreißen. Wenn die Doomfolk-Nebelschwaden aufziehen (“Moses”) und die bizarren Background-Chöre aus allen Ecken tuscheln, ist die majestätische Kulisse perfekt. Es ist eben immer schon Teil des Zaubers von Chelsea Wolfe: das Spiel mit der Dissonanz.


Waxahatchee American Weekend

VÖ: 2012
Waxahatchee - American Weekend

Was wohl öfter gebrochen ist: Katie Crutchfields Stimme auf “American Weekend” oder die Rekordpunktzahl bei den Musikkritiker:innen für diese Platte? Im Klangkosmos von Waxahatchee spielt diese unverwechselbare Stimmfarbe eine zentrale Rolle, gerade weil dieser LoFi-Sound so gut ohne ein breites Instrumentarium auskommt. “American Weekend” vermengt Heartland-Rock mit jeder Menge Herzblut und wird so zum Startschuss für einen bis heute anhaltenden Hype um dieses Projekt.


Torres Torres

VÖ: 2013
Torres - Torres

Wie viel Schmerz kann man mit seiner Musik ausdrücken? Am besten fragt man das Torres. Denn ihr intensives, zwischen großer Geste und ruhigem Mid-Tempo schwankendes Songwriting formt die Musikerin aus Georgia schon auf dem Debüt zu rasiermesserscharfen Konturen. So dürfen hier alle Dämonen in den teils sehr impulsiven Stilwechseln einmal auf die Bühne. Von intimen Bekenntnissen bis zu theatralischer Exzentrik spielt Torres gesanglich wie instrumental die volle Bandbreite menschlicher Emotionen durch.


Emma Ruth Rundle Some Heavy Ocean

VÖ: 2014
Emma Ruth Rundle - Some Heavy Ocean

Schicht für Schicht türmt Emma Ruth Rundle auf ihrem Solodebüt “Some Heavy Ocean” Instrumentalebenen aufeinander, die für sich genommen alle eher unscheinbar wirken. Gemeinsam jedoch entwickeln sie eine reißende Kraft, die durchaus mit der Imposanz des titelgebenden Gewässers mithalten kann. In der atmosphärischen Finsternis dieses Sound-Entwurfs besingt Rundle (nicht-)menschliche Abgründe und sorgt so auf mehreren Ebenen für Gänsehaut am ganzen Körper. Tieftraurig und immens bewegend.


Julien Baker Sprained Ankle

VÖ: 2015
Julien Baker - Sprained Ankle

Wer “Sprained Ankle” zum ersten Mal auflegt, wird von der emotionalen Wucht schier an die Wand gedrückt. Als läge da kein gepresstes Vinyl, sondern direkt die gesamte Seelenpein der damaligen Studentin auf dem Plattenspieler. Vor den minimalistischen Instrumentals windet sich Bakers zarte Stimme in Melodiebögen, immer etwas verzweifelt, immer etwas einsam. Selbst die großen Momente wie “Everybody Does” atmen hier noch einen deutlichen, intimen Demo-Charakter. Das ändert sich auf den Nachfolgealben.


Courtney Barnett Sometimes I Sit And Think And Sometimes I Just Sit

VÖ: 2015
Courtney Barnett - Sometimes I Sit And Think And Sometimes I Just Sit

Ihren Titel als Slacker-Queen erspielt sich Courtney Barnett mit “Sometimes I Sit And Think And Sometimes I Just Sit” quasi über Nacht. Den elf Stücken wohnt eine unerreichte Lässigkeit inne, die zum einen mit Barnetts trocken vorgetragenen lyrischen Geistesblitzen und zum anderen mit den zackigen, dringlichen Strukturen zusammenhängt. Wie sich hier gleichzeitig noch unwiderstehliche Melodien einnisten, bleibt ihr Geheimnis. Barnett wird so zur kompromisslosesten Antwort auf die Männerdominanz im Indie-Sektor.


Lucy Dacus No Burden

VÖ: 2016
Lucy Dacus - No Burden

Lucy Dacus ist nicht nur das Boygenius-Drittel, das sein Debüt zuerst in die Welt entließ, sondern auch das, dessen Stimmlage alles andere als brüchig und zart ist. Zudem bricht ihr Sound aus der bedrückenden Introspektive aus, greift gerne in breite Folk- und Rock-Akkorde (“Troublemaker Doppelgänger”). Auch die Gesangsharmonien klingen hier nie zurückhaltend, sondern öffnen sich vollkommen. So wird “No Burden” zu einer wohligen Umarmung und einer Einladung auf einen Roadtrip gleichermaßen.


Phoebe Bridgers Stranger In The Alps

VÖ: 2017
Phoebe Bridgers - Stranger In The Alps

Geht man allein nach Streaming-Zahlen, ist Phoebe Bridgers mit Abstand der Superstar dieser neuen Bewegung. Das ist in sich ein fast grotesker Gedanke, wirkt es schon auf “Stranger In The Alps” stets so, als würde Bridgers diese faszinierenden Melodien fast beiläufig in ihrem lakonischen Gestus zusammenbinden. Von künstlicher Selbsterhöhung keine Spur, dafür von musikalischem Understatement. Doch wenn dann die großen Streicher-Arrangements unangekündigt um die Ecke kommen, haut es einen jedes Mal wieder aus den Socken.


Soccer Mommy Clean

VÖ: 2018
Soccer Mommy - Clean

Sophie Allison macht keinen Hehl aus ihrem Pop-Appeal. Ganz im Gegenteil, die zehn Songs von “Clean” sind gerade im Vergleich zu den restlichen Alben dieser Liste extrem zugänglich. Jeder für sich wäre der perfekte Background für eine Szene einer neuen hippen Netflix-Serie, aufgelockert mit überraschend spröden Texten und einer unbezwingbaren Authentizität. Das hier sind Songs zum Feiern, ganz bestimmt (höre: “Your Dog”), aber auch welche, die direkt aus dem Herz in die Magengrube schlagen.


A.A. Williams Forever Blue

VÖ: 2020
A.A. Williams - Forever Blue

Mit Bedacht lichtet A.A. Williams auf “Forever Blue” einen Vorhang und gibt so den Blick frei auf eine karge, düstere Weite. Durch diese trägt sie die Hörer:innen mit Klavier, Streichern und Cello, lässt feste Songstrukturen schnell hinter sich. Mit ihrem unheilvollen, kräftigen Timbre mimt sie die allwissende Erzählerin, die den übergroßen Post-Rock gar in tosende Soundwände rennen lässt (“Melt”). Features mit Tom Fleming (Wild Beasts) und Johannes Persson (Cult Of Luna) weiten diesen Sound zusätzlich.


Reportage: Songwriterinnen
Talkin' Bout A Revolution

Inhalt

  1. Songwriterinnen - Zehn Debütalben – Schlafzimmer und Königreiche
  2. Songwriterinnen - Die Vorbilder – Die Wegbereiterinnen
  3. Songwriterinnen - Die Reportage – Talkin' Bout A Revolution

Die Wegbereiterinnen

Nico

Bei The Velvet Underground dient sie mit ihrer tiefen Stimme und dem Akzent mehr als exotische Staffage, und auch auf ihrem Solodebüt “Chelsea Girl” (1967) hat Christa Päffgen alias Nico kaum Einfluss. Doch mit selbstgeschriebenen Werken wie “The Marble Index” (1968) und “Desertshore” (1970), deren elegisch-sperrige Lieder von mittelalterlicher Musik und Folklore inspiriert sind, und ihrer kühlen Aura entledigt sich Nico des Etiketts “hübsche Blondine”. Stattdessen legt sie den Grundstein für den Gothic-Sound und wird zum Role-Model für heutige Musikerinnen wie Chelsea Wolfe, Zola Jesus und Soap & Skin.


Joni Mitchell

“Blue”, Joni Mitchells Liebeskummeralbum aus dem Jahr 1971, gilt als das Nonplusultra des “confessional songwriting”. Sie habe sich wie die Zellophanverpackung einer Zigarettenschachtel gefühlt, ohne Schutz, sagt die Kanadierin rückblickend. Aller Verletzlichkeit zum Trotz gelingt es Mitchell als eine der wenigen Songwriterinnen und Performerinnen der Zeit, unter all den Männern mit Gitarre ernstgenommen zu werden. Und sie folgt selbstbewusst ihrer eigenen künstlerischen Vision. So löst sie sich Mitte der 70er vom Folk-Sound und beschreitet mit Alben wie “Hejira” (1976) und “Mingus” (1979) jazzige Pfade.


Patti Smith

Patricia Lee Smith als Singer/Songwriterin zu bezeichnen, greift zweifellos zu kurz. Smith ist Künstlerin. Bilder, Wörter, Klänge – die Rimbaud- und Baudelaire-Verehrerin fühlt sich überall heimisch. Schon ihr Debütalbum “Horses” (1975) verknüpft raue (Punk-)Rock-Energie mit Spoken-Word-Lyrik. Und nicht nur am Mikrofon ist Patti Smith eine Naturgewalt. Allein ihr androgyner Look und der selbstbewusste Blick, mit dem sie vom ikonischen Horses-Cover blickt, ist für andere Musikerinnen ein wichtiges Signal: Statt hübsch, feminin und lieb können sie genauso Rock’n’Roll sein wie die Jungs.


Kate Bush

Kate Bush gelingt 1978 eine Premiere: Als erste Frau erreicht sie mit einem selbstgeschriebenen Song Platz eins der UK-Charts, zumal mit “Wuthering Heights”, das die 19-Jährige selber als Debütsingle durchboxt. In den Jahren darauf übernimmt Bush immer stärker die künstlerische Kontrolle über ihr Werk. Das experimentelle “The Dreaming” (1982) produziert sie erstmals in Eigenregie und macht dabei ausgiebig Gebrauch von Loops und Samples. Poppigere Alben folgen, aber mit ihrer kreativen Autonomie, ihrer Innovationsfreude und ihrem Eklektizismus dient Bush nicht nur Björk als mutiges Vorbild.


Tracy Chapman

“Fast Car”, “Talkin’ Bout A Revolution” – die Folkpop-Lieder, mit denen sich Tracy Chapman in der Reagan/Bush-Ära der 80er ins öffentliche Bewusstsein spielt, knüpfen an die Protestsongs der 60er an. Oft erzählen sie von den Marginalisierten der Gesellschaft, von Armut, Materialismus und Rassismus – Themen, die aus dem Mund einer jungen Woman of Colour eine ganz andere Glaubwürdigkeit und Dringlichkeit besitzen. Großes Entertainment ist nie Chapmans Ding. Sie lässt ihre Songs sprechen und hält 1988 allein mit ihrer Stimme und ihrer Akustikgitarre ein volles Wembley-Stadium im Bann.


Tori Amos

Mehr noch als die akustische Gitarre gilt das Klavier als das Instrument für brave Mädchen – bis Tori Amos 1992 mit ihrem ersten Solowerk “Little Earthquakes” kommt. So betörend ihr kunstvoller Songwriter-Pop zuweilen klingt, ihre poetischen Texte gehen dahin, wo es weh tut. Die Pastorentochter singt offen über Sexualität und exorziert die emotionalen Traumata einer Vergewaltigung und ihrer religiösen Erziehung. Und es kümmert Amos herzlich wenig, dass vor allem die Männerwelt sie gerne als “schrägen Vogel” abstempelt. Ihre Antwort: “So you can make me cum/ That doesn’t make you Jesus”.


PJ Harvey

Der schroffe, bluesige Rock, mit dem Polly Jean Harvey in den frühen 90ern debütiert, steht der Intensität der männlichen Grunge-Zeitgenossen in nichts nach. Das liegt nicht zuletzt an der mal beschwörenden, mal explosiven Performance der Engländerin. Mit dem melodiöseren “To Bring You My Love” (1995) wird ihr Sound vielschichtiger. Wiederholung interessiert die Multiinstrumentalistin nicht. Auch mit ihrem Look experimentiert Harvey: Als sie anlässlich ihres dritten Albums die glamouröse Verführerin gibt, stemmt sie sich zugleich gegen konventionelle Schönheitsideale.


Cat Power

Eine große Verletzlichkeit und Traurigkeit einerseits, stille Entschlossenheit andererseits prägen die Musik von Chan Marshall alias Cat Power. Nicht ohne Grund: Marshalls Kampf mit Bühnenangst, Suchtproblemen sowie ihrer psychischen Gesundheit sind wohlbekannt. Trotzdem hat sich die Songwriterin mit Südstaaten-Wurzeln durchgebissen und eine eindrucksvolle Entwicklung hingelegt: vom eindringlichen Indie-Country-Blues eines “What Would The Community Think” (1996) über den schimmernden Soul- und R&B-Vibe von “The Greatest” (2006) zum luftigen Electropop des selbstproduzierten “Sun” (2013).


Alanis Morissette

Alanis Morissette zählt zweifellos zu den einflussreichsten Singer/Songwriterinnen der 90er. Ihr Megaseller “Jagged Little Pill” (1995) wird zum Türöffner für eine neue Generation selbstbewusster Musikerinnen. Auch wenn die damals 21-jährige Kanadierin den grungigen Pop-Rock ihres dritten Albums nicht alleine komponiert hat, so gehen doch dessen wütende und wenig zimperliche Zeilen à la “Do you think of me when you fuck her?” auf ihr Konto. Im neuen Jahrtausend nimmt Morissette das kreative Zepter zeitweilig komplett selbst in die Hand: Zwei Alben schreibt und produziert sie im Alleingang.


Fiona Apple

Apples kreative Uhr tickt anders als die der Musikindustrie. Aber das Warten lohnt sich, so zuletzt auf das freigeistige Homerecording-Werk “Fetch The Bolt Cutters” (2020), das im Kern davon handelt, “sich den Mund nicht verbieten zu lassen”. Letzteres tut die gebürtige New Yorkerin schon in ihren Jugendjahren nicht. Da gesteht sie zum erstaunlich reifen Jazz-Pop ihres Debüts “Tidal” (1996), ein “bad bad girl” gewesen und unsanft mit einem zarten Typen umgegangen zu sein. Wenig später wettert sie in ihrer Dankesrede bei den MTV Awards gegen das Coolness-Diktat und lässt wissen: “This world is bullshit.”


Reportage: Songwriterinnen
Talkin' Bout A Revolution

Inhalt

  1. Songwriterinnen - Zehn Debütalben – Schlafzimmer und Königreiche
  2. Songwriterinnen - Die Vorbilder – Die Wegbereiterinnen
  3. Songwriterinnen - Die Reportage – Talkin' Bout A Revolution

Talkin’ Bout A Revolution

Wir leben gerade in spannenden Zeiten. Das Patriarchat ist zwar noch nicht gestürzt, aber wir arbeiten daran. “Empowerment” und “Equality” sind die Begriffe der Stunde, “We should all be feminists” ein geflügeltes Wort. Klar gibt es nach wie vor Menschen, die sich über “diesen Gender-Wahn” aufregen, aber es gibt mindestens ebenso viele, die sich das F-Wort auf Shirts und in Tinder-Bios schreiben. Musik und Popkultur spiegeln diese Entwicklungen nicht nur, sie formen sie auch, sind gleichermaßen Ergebnis und Einfluss des gesellschaftlichen Wandels. Während im HipHop die Rolle und Wahrnehmung der Frau jüngst durch Tracks wie “WAP” und #deutschrapmetoo neu verhandelt werden, tut sich auch im Indie- und Alternative-Bereich einiges, wenn auch etwas zaghafter: Im vergangenen Jahrzehnt konnten wir eine neue Generation von Singer/Songwriterinnen aufsteigen sehen, die die Regeln des Musikbusiness neu schreibt – ein Phänomen, das nicht unbeachtet bleiben sollte.

Dass der Themenkomplex Musik & Gender leider nicht so einfach ist, wie man gerne hätte, äußert sich schon darin, dass dieser Text eine Art Präambel braucht. Denn so viel muss an dieser Stelle gesagt werden: Gender ist kein Genre. Die Exotisierung von Musikerinnen, die Kategorisierung unter solch unsäglichen Begriffen wie “female-fronted” und das Messen an anderen Maßstäben als männliche Kollegen bringen uns in Sachen Female Empowerment nicht mal auf den ersten Blick weiter. “Eine der größten Hürden für Frauen im Songwriting ist, dass es in der Presse permanent um unser Geschlecht geht. Es wird problematisch, wenn man sich auf diese Spur begibt, von der es dann kein Runterkommen mehr gibt. Das ist eine sehr eindimensionale Betrachtungsweise”, sagt Sophie Allison alias Soccer Mommy im Interview. Klar: Frauen haben natürlich genauso Skills und Talent wie Männer und sollten mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Hingabe beachtet und gefeiert werden, ohne sie auf ihr Geschlecht zu reduzieren.

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Foto: Brian Ziff

»Jeder sollte Musik machen können.«
Soccer Mommy

Die Realität zeigt uns aber: Ohne Quoten und Initiativen, ohne extra Druck und Aufmerksamkeit fallen Künstlerinnen viel zu oft vom Tellerrand (oder werden bewusst runtergeschubst). Frauen bekommen zu wenig Platz in Festival-Line-ups und, ja, man muss es zugeben: auch auf Magazincovern. Deswegen verdient dieser lästige Themenkomplex “Frauen in der Musik” noch immer Aufmerksamkeit und ein genaueres Hinschauen. Dabei erkennt man, dass sich in den vergangenen Jahren immer mehr Künstlerinnen (ebenso wie Mitglieder weiterer marginalisierter Gruppen) ihren Platz in den alternativen Musikszenen erkämpfen konnten. Das kann man einfach so hinnehmen und sich darüber freuen, man kann aber auch fragen: Warum gerade jetzt? Was hat sich geändert? Antworten findet man in Veränderungen in den verschiedensten Bereichen unseres Lebens: in der Technologie, im Musikgeschäft, in der Gesamtgesellschaft.

Schon immer da

“Es gab uns Singer/Songwriterinnen schon immer, aber gerade ist definitiv eine gute Zeit für alle, unabhängig von Gender, Sexualität oder Herkunft, mit dem Musikmachen anzufangen, ohne von anderen aufgehalten zu werden. Es gibt natürlich immer noch Hindernisse, aber jeder kann erstmal loslegen”, findet Sophie Allison. Die 24-Jährige startete ihre Musikkarriere als Soccer Mommy 2015, nachdem sie bereits im Grundschulalter mit dem Gitarrespielen begonnen und eine künstlerische High School besucht hatte. Nach mehreren Eigenaufnahmen und -veröffentlichungen via Bandcamp folgt 2018 ihr Labeldebüt “Clean”. Als 2020 ihr zweites Album “Color Theory” erscheint, gilt sie bereits als eine der besten jungen Künstlerinnen im Indierock.

Allison hat recht: Dass Frauen Gitarren in die Hand nehmen, ist nichts Neues – denken wir nur an die Pionierinnen Sister Rosetta Tharpe und Joan Baez. Oft standen diese Frauen jedoch im Schatten ihrer männlichen Kollegen – der Elvis Presleys und Bob Dylans ihrer Zeit. Denn zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist der archetypische Singer/Songwriter in der öffentlichen Wahrnehmung männlich (und weiß): Wir denken an Pete Seeger und Woodie Guthrie, Folk-Troubadoure mit Akustikklampfe und gesellschaftskritischer Haltung. Die 70er bringen uns Künstlerinnen wie Joni Mitchell, Carly Simon, Carole King und Patti Smith, die mit ihren poetischen, introspektiven und konfessionellen Songs schließlich den Weg bereiten für eine Generation von Künstlerinnen, die in den 90ern das Bild der Singer/Songwriterin umkrempeln: Tori Amos, Liz Phair, Fiona Apple und Alanis Morissette sind sinnlich, unbequem, laut und selbstbestimmt. “I’m coming up man-sized” singt PJ Harvey, die musikalische Emanzipation ist in vollem Gange – doch dann kommt das Zeitalter der Indierock-Bands: Zu Beginn des neuen Jahrtausends wird der Markt überflutet von Gruppen wie The Strokes, Mando Diao und Franz Ferdinand. Für Frauen bleibt da abseits des Pop-Mainstreams nicht viel Platz – oder wie Lucy Dacus 2015 in ihrer Debütsingle “I Don’t Wanna Be Funny Anymore” singt: “Is there room in the band? I don’t need to be the front man. If not, then I’ll be the biggest fan”.

Doch das Schicksal eines jeden Trends ist ja, dass er irgendwann wieder aus der Mode gerät. Während die traditionelle Rockband gerade eine schwierige Phase durchmacht und der alte weiße Mann zu einer Art Running Gag mutiert ist, erobern Solokünstlerinnen aus den verschiedensten Genres die Musikwelt. Das gilt für den Indie- und Alternative-Bereich ebenso wie für HipHop, wo Rapperinnen wie Cardi B, Doja Cat und Megan Thee Stallion sich endgültig vom männlichen Narrativ befreien, ihre Weiblichkeit feiern und zeigen, dass definitiv Platz für mehr als eine erfolgreiche Frau im Genre ist. Wie schnell auch die Indie-Szene wächst und sich wandelt, lässt sich schon daran erkennen, dass Künstlerinnen wie Waxahatchee, Courtney Barnett und Torres, die ihre Debüts alle innerhalb der vergangenen zehn Jahre veröffentlicht haben, fast wie Oldies wirken. Da ist eine ganze Generation von um die Jahrtausendwende geborenen Musikerinnen, die zu ihnen als etablierte Vorbilder aufschauen.

Hook auf Hook auf Hook

“Rock’s not dead, it’s ruled by women“ betitelte die New York Times bereits 2017 ein Roundtable-Gespräch von Musikerinnen verschiedener Subgenres, darunter War On Womens Shawna Potter, Christina Halladay von Sheer Mag und auch Soccer Mommys Sophie Allison. Dabei ist die US-Amerikanerin Teil einer neuen Generation von Musikerinnen und Fans, für die Labels wie “Rock” und “Pop” zunehmend an Bedeutung verlieren und die keinerlei Berührungsängste mehr mit dem Mainstream haben. Sich selbst sieht Allison beeinflusst von den verschiedensten Strömungen und Epochen von Sleater-Kinney über My Bloody Valentine bis Joni Mitchell. Aber sie schämt sich eben auch nicht, etwa Taylor Swift, Hayley Williams und Avril Lavigne als Inspirationen zu nennen – Musikerinnen, die die längste Zeit kaum ernst genommen und in Indie-Kreisen als Pop-Phänomene belächelt wurden.

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Foto: Thomas Williams

»Ich habe als Teenager angefangen, harte Musiker zu hören. Mir ist aber erst viel später aufgefallen, dass ich kaum Frauen in Magazinen oder auf den Bühnen sehen konnte.«
A.A. Williams

“Popmusik hatte einen riesigen Einfluss auf mich. Es ist unglaublich schwierig, eine wirklich eingängige Hook zu schreiben. Und besonders Anfang der 2000er gab es im Pop Hook auf Hook auf Hook. Das ist für mich absolut beeindruckend und auch etwas, was ich zum Beispiel am Country-Pop liebe”, erklärt sie. “Es gibt so viele Künstler, die so nah dran sind, wirklich großartig zu sein, aber nicht in der Lage sind, eine derartige Melodie zu schreiben, die dich komplett reinzieht. Und das muss nicht mal poppig sein: Jeder Nirvana-Song enthält ungefähr fünf Hooks. Jeder einzelne Part eines Songs hat eine andere Melodie, die man sofort erkennt. Ich finde es unglaublich, wenn man es schafft, interessante und anspruchsvolle Gitarrenparts und solch eingängige Hooks zu verbinden, an die man immer wieder denken muss.”

Im HipHop, Rock und Pop bedienen sich Künstlerinnen an den verschiedensten Genres und zeigen kein Interesse mehr daran, sich in eine bestimmte Schublade zu quetschen. Musikerinnen nehmen sich die Teile verschiedener Subkulturen, die zu ihrer Vision von Sound und Ästhetik passen, verschmelzen sie und wandeln sich stetig: Soccer Mommy kann die ruhigen Akustikballaden, kann 90s-Pop-Rock-Hits wie “Circle The Drain”, aber auch Slide-Guitar-lastigen Alt-Country wie ihr The-Chicks-Cover “Wide Open Spaces”, eine musikalische Hommage an ihre Heimatstadt Nashville.

Alles kann, nichts muss

Künstlerische Eindimensionalität ist nicht mehr gefragt, da sie die Komplexität des Lebens nicht widerspiegelt. Wie Spotify 2020 in einer eigenen Trend-Umfrage herausfand, hören 45 Prozent der US-amerikanischen Post-Millennials und Millennials regelmäßig mindestens fünf verschiedene Genres. Ihnen geht es nicht um einen bestimmten Genre-Stempel, sondern um Musik, die zu ihrer vielschichtigen Gefühlswelt passt. Nicht zuletzt deswegen kommt das Übersiedeln in den Pop-Kosmos heute glücklicherweise zumeist ohne infantile Sellout-Vorwürfe aus. Annie Clark alias St. Vincent etwa hat sich seit ihrem Debüt “Marry Me” 2007 zu einer der am meisten gefeierten Gitarristinnen, Songwriterinnen und Performerinnen der 2000er gemausert: 2015 wurde sie zur ersten Frau seit 1991, die den Grammy fürs beste Alternative-Album gewonnen hat (zuvor Sinéad O’Connor). Ihr neues, von den 70ern inspiriertes Album “Daddy’s Home” ist erneut ein Erfolg bei Kritikern und Fans, in einem der enthaltenen Songs, “The Melting Of The Sun”, singt Clark über Joni Mitchell, Tori Amos und Nina Simone. “Ich glaube, dass ich von ihrem Mut profitiert habe und wollte dafür danke sagen. Ich wollte sagen: Ihr habt es einfacher für mich gemacht, und ich hoffe, dass ich es für die nächste Generation einfacher mache”, erklärte sie dazu gegenüber dem Independent.

Clark hat die einmalige Fähigkeit, mit den verbliebenen Nirvana-Mitgliedern “Lithium” runterzurocken, ein Album mit David Byrne aufzunehmen, ein als queere Sternstunde der Grammys gefeiertes Live-Medley mit Dua Lipa zu spielen, ein Album mit Sleater-Kinney zu produzieren, Songs mit Taylor Swift zu schreiben und Metallica oder Paul McCartney covern zu können, ohne dass es jemals peinlich wird. Denn Erfolg bedeutet nicht gleich ein Anbiedern an Trends oder das Aufgeben der eigenen Persönlichkeit: Alles, was Annie Clark macht, trägt unverkennbar ihre Handschrift – auch oder gerade weil sie sich immer wieder neu erfindet. “Ich erschaffe alle zwei bis drei Jahre gerne Welten, in denen ich leben und jemand Neues werden kann. Wer will schon immer er oder sie selbst sein?”, meint sie dazu. Damit entzieht sie sich einer der weit verbreiteten Annahmen, dass Singer/Songwriterinnen sich auf die Songs selbst und nicht deren Darbietung konzentrieren sollen, aber warum auch nicht? Kate Bush und Björk haben schließlich vor Jahrzehnten schon gezeigt, wie man avantgardistische Pop-Visionen gleichermaßen gehalt- und anspruchsvoll wie massentauglich machen kann.

Frei gemacht

“Als Jugendliche hatte ich eine sehr engstirnige Ansicht darüber, welche Musik echten emotionalen Wert hat und welche einfach Müll ist. So sehe ich das heute nicht mehr”, stimmt Julien Baker zu. “Ich freue mich so sehr darüber, wenn HipHop-Künstler wie Trippie Redd Alben rausbringen, die zur Hälfte so klingen wie polierter 2000er-Pop-Punk, den ich im College gehört hätte. Es ist so toll, dass die Menschen begreifen, dass Genregrenzen absolut willkürlich sind. Die Kultur wandelt sich. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, die so war wie die Eingangsszene von ‘SLC Punk!’, wo es die New-Wave-Kids und die Punk-Kids gibt – und beide sprechen nicht miteinander. Ich glaube, diese Art der Abgrenzung war früher sehr wichtig für Menschen, aber heute geht es viel mehr um Fluidität und Komplexität.”

Nicht zuletzt ist Pop auch Freiheit, denn sind wir ehrlich: Die Grenzen dessen, was man mit lediglich einer Akustikgitarre in der Hand kommunizieren und sein kann, sind früher oder später erreicht. Das muss auch Baker erkennen: Als die 25-Jährige 2015 mit ihrem Debütalbum “Sprained Ankle” auf der Bildfläche erscheint, bewaffnet mit nichts als ihrer Gitarre und entwaffnend persönlichen Songs über Glaube, Liebe und Hoffnung (klingt jetzt vielleicht ein bisschen nach Wandtattoo), sind Indie- wie Emo-Kreise begeistert. Auf ihrem vor wenigen Monaten erschienenen dritten Album “Little Oblivions” erweitert Baker, die übrigens selbst nicht in der Indie- oder Folk, sondern Metal- und Hardcore-Szene aufwächst, ihren Horizont: Die Aufrichtigkeit und Verletzlichkeit sind geblieben, aber es gibt jetzt auch richtige Beats und einen Full-Band-Sound – eingespielt hat sie die meisten Instrumente dennoch selbst.

“Ich bin sehr stolz auf meine ersten beiden Alben und habe einfach die beste Musik gemacht, zu der ich damals imstande war. Aber nach “Sprained Ankle” war Musik auf einmal mein Job. Plötzlich war klar, dass ich wohl irgendwie gut darin bin, diese reduzierte Art von Musik zu machen. Also wollte ich das natürlich weiter erkunden und besser machen. Ich hatte Angst, weil ich noch so jung war und wollte beim Sound und der Produktion keine Risiken eingehen – ich wusste nicht einmal, was diese Risiken hätten sein können, weil mir die Erfahrung gefehlt hat. Ich dachte, dass der Aufnahmeprozess einfach daraus besteht, dass irgendjemand den Record-Knopf drückt und ich dann eben spiele”, sagt sie schmunzelnd. “Nachdem ich eine Weile getourt bin und sich viel in meinem Leben verändert hatte, habe ich entschieden, weniger darüber nachzudenken, ob die Leute meine musikalischen Entscheidungen wohl gutheißen würden und einfach die Musik gemacht, die ich mag. Es war eine Art Geschenk an mich selbst, mich von den Annahmen, welche Musik ich als Julien Baker machen darf, freizumachen. Man wird als diese Persona wahrgenommen, und manchmal fängt man dann unbewusst an, sie zu verstärken und sich weiter an sie anzupassen. Es kann ziemlich angsteinflößend sein, das zu ändern oder bedroht zu sehen.”

Zwischen Nina, Dolly und Nico

Angesichts all dieses Genre-Hoppings sollte eines erneut betont werden: Eine harte Definition des Singer/Songwriter-Genres gibt es nicht. Die in diesem Text behandelten Künstlerinnen und ihre Inspirationsquellen sind so divers wie nur möglich. Was verbindet sie also? Ein bestimmter Sound, ein Gefühl, eine Arbeitsweise? Wenn man “Singer/Songwriterin” googelt, stößt man auch auf Ergebnisse wie Katy Perry und Lady Gaga. Der streng wörtlichen Übersetzung zufolge mag das passen, denn singen und schreiben tun sie ja. Fühlt sich aber trotzdem nicht so passend an. Wenn man es ganz genau nimmt, sitzt zudem Taylor Swift seit einiger Zeit unumstößlich auf dem Thron des Millennial-Singer/Songwriter-Genres – spätestens, seitdem sie mit ihren Pandemie-Alben “Folklore” und “Evermore” zu einer Art Bruce Springsteen der Generation Y avanciert ist.

Geht es nach der klassischen Definition über das US-amerikanische Folk-Revival in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, dann ist ein Singer/Songwriter eine Person, die ihre Texte selbst schreibt, ihre Musik selbst komponiert und das Ganze dann auch größtenteils im Alleingang spielt und singt. So weit, so verständlich. Aber den einen Singer/Songwriter-Sound gab es noch nie: Nina Simone war Singer/Songwriterin, Ray Charles und Stevie Wonder gehören auch in diese Tradition. Es gibt Singer/Songwriter im Blues, im Jazz, im Pop, natürlich und vor allem im Country – ohne Künstlerinnen wie Dolly Parton, Loretta Lynn und Emmylou Harris sähe die Musikwelt wohl um einiges anders aus.

Singer/Songwriter existieren aber auch in den düsteren Ecken ebendieser Welt: Im Rock-, Folk- und Metal-Kontext sind in den vergangenen zehn Jahren zahllose Künstlerinnen auf dem Radar erschienen, die vielen männlichen Kollegen in Sachen Originalität um einiges voraus sind: Goth-Ikone Chelsea Wolfe verschmilzt Folk, Metal und Industrial, Anna von Hausswolff hat die Orgel in Drone-Kreisen populär gemacht, Lingua Ignota zelebriert ihre emanzipatorischen Rachegelüste mit einem Mix aus Kirchenmusik, Doom und Noise, Emma Ruth Rundle haucht Post-Rock neues Leben ein. Selbsterklärend sind diese Musikerinnen begehrte Feature-Gäste für ihre männlichen Kollegen, die ihrer Musik eine neue Klangfarbe abseits von heavy Riffs und aggressivem Geschrei verpassen wollen – siehe Thou mit Emma Ruth Rundle oder Full Of Hell mit Lingua Ignota. Journalisten verwenden für diese Musikerinnen in der Tradition von Nico, Diamanda Galás und Jarboe gerne die klischeehafte Bezeichnung “Death Gospel”, die einerseits ziemlich unerträglich ist, weil sie so unfassbar pathetisch klingt und andererseits (oft fälschlicherweise) einen Okkultismus und eine Todesverliebtheit suggeriert, die speziell Frauen angedichtet wird, die jegliche Musik jenseits von Bubblegum-Pop machen.

Strength in numbers

Eine etwas jüngere Vertreterin dieser Strömung ist A.A. Williams. Nach ihrer erfolgreichen ersten EP erscheint 2020 pünktlich zu Beginn der Corona-Pandemie ihr Debütalbum “Forever Blue”. Williams ist klassisch ausgebildete Pianistin und Cellistin und spielte hauptberuflich im Orchester, bevor sie sich auf ihre Solokarriere konzentrierte. Ihr neo-klassisch angehauchter Post-Rock bringt ihr eine Kooperation mit Mono und Auftritte mit Cult Of Luna und Amenra ein. “Ich habe als Teenager angefangen, harte Musik zu hören. Und da waren nur Kerle. Mir ist aber erst viel später aufgefallen, dass ich kaum Frauen in Magazinen oder auf den Bühnen sehen konnte”, erinnert sich die Londonerin an eine Zeit, in der es kaum weibliche Vorbilder in der Metal-Szene gab. “Ich habe Garbage früher geliebt. Shirley Manson war für mich die Verkörperung davon, wie man in dieser alternativen Szene eine respektierte und geniale Künstlerin sein kann. Das habe ich sonst nirgends gesehen. Besonders früher war man aber sehr angewiesen darauf, was im Radio lief und welche Bands in Magazinen stattfanden. Ich glaube also gar nicht unbedingt, dass es solche Künstlerinnen nicht gab, sondern dass wir einfach nichts von ihnen mitbekommen haben.”

Vor allem in den traditionell hyper-maskulinen Musikszenen lässt sich seit einiger Zeit die Ermächtigung von Künstlerinnen nach dem Prinzip “strength in numbers” beobachten: Mit wachsender weiblicher Repräsentation steigt auch die Anzahl von Frauen, die sich ermutigt und inspiriert fühlen, selbst Musik zu machen. Man kann sich schließlich nur schwer Dinge vorstellen oder zum Ziel machen, die man nicht kennt. Wir haben an dieser Stelle keine Zahlen vorliegen, aber man wird wahrscheinlich einige Hände brauchen, um abzählen zu können, wie viele Musikerinnenkarrieren in dem Moment aus der Taufe gehoben wurden, als Chelsea Wolfe auf die Bildfläche trat. Gleichzeitig sorgt die Solidarität zwischen diesen Künstlerinnen für mehr Aufmerksamkeit – man zieht sich gegenseitig hoch, anstatt miteinander zu konkurrieren.

Ausgetrickst

Das ist nicht nur deshalb erfreulich, weil wir so von sehr vielen tollen Musikerinnen mitbekommen, sondern weil es auch mit dieser lästigen Falschannahme aufräumt, dass Frauen im ständigen Wettbewerb um die wenigen Plätze stehen müssen, die wir uns in unseren gewählten Szenen erkämpfen können. Denn, Überraschung: Es ist genug Platz für alle, man muss ihn sich nur manchmal selbst verschaffen. “Ich hatte bislang das Glück, von Menschen umgeben zu sein, die erkannt haben, dass das ein Trick ist. Es gibt keinen begrenzten Platz, nur eine begrenzte Menge an Platz, die die etablierten Machtstrukturen uns geben wollen. Wir schaden uns aber nur selbst damit, ständig zu konkurrieren, denn es bringt uns Frauen im Großen und Ganzen nicht weiter”, bestätigt Julien Baker. “Meine Erfahrung ist jedoch auch, dass Frauen gar nicht unbedingt aktiv gegeneinander ankämpfen, sondern dass sich eine Kultur des Individualismus etabliert hat, die für uns Amerikaner sehr typisch ist. So äußert sich unsere internalisierte Misogynie auch: dass wir immer primär an unseren persönlichen Erfolg denken. Wir werden darauf konditioniert zu glauben, dass unser individueller kommerzieller Erfolg Gerechtigkeit für Frauen bedeutet, dass die Sichtbarkeit einer Künstlerin ein goldenes Sternchen auf der Zähltafel für uns bringt, und das kann sehr gefährlich sein. Ich werde zum Beispiel viel öfter von Männern nach Kooperationen gefragt als von Frauen. Ich hoffe, dass noch mehr Musikerinnen erkennen, wie schön es sein kann, zusammenzuarbeiten. Wir haben Boygenius gestartet, weil es Gruppen wie Case/Lang/Veirs und Monsters Of Folk gab, die es vorgemacht haben.”

Boygenius setzen sich aus Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus zusammen. Es handelt sich hier also nicht nur um ein echtes Freundschaftsprojekt, sondern um eine der spannendsten und talentiertesten Supergroups der vergangenen Jahre. Zwar teilt ihr Songwriting die Eigenschaft, persönliche Gedanken und Gefühle mit fast schon trivial wirkenden Alltagserfahrungen zu verknüpfen, jedoch hat jede von ihnen ihren ganz eigenen Sound – mal eher reduziert (Baker), mal mit epischen Ausbrüchen und Experimenten (Bridgers), mal traditionell-rockig (Dacus). Die Indie-Folk-Gruppe hat bislang nur eine EP 2018 rausgebracht, aber läuft ja auch so ganz gut für die drei, haben sie doch alle in den vergangenen 13 Monaten gefeierte Soloalben veröffentlicht.

Vom Schlafzimmer in die weite Welt

Im Idealfall haben Musikerinnen beim Aufbau ihrer Karrieren Verbündete: Profis aus dem Business, die an Gleichberechtigung glauben und auch bereit sind, Risiken einzugehen. “Es finden gerade oft Diskussionen übers Gender-Gleichgewicht auf Festivals oder in Magazinen statt. Aber Frauen versuchen schon viel länger, sich in der Industrie durchzusetzen”, erklärt A.A. Williams. “Cathy Pellow von Sargent House etwa ist eine absolute Vorreiterin darin, ein diversifiziertes Label-Roster aufzubauen. Wir brauchen Menschen wie sie, die bereit sind, ungewöhnliche Business-Entscheidungen zu treffen und Geld, Zeit und Energie zu investieren, um Künstlerinnen eine Plattform zu geben.” Sargent House hat als Label-Heimat von Wolfe, Rundle, Lingua Ignota und Ionna Gika eine klare Pionierrolle eingenommen, steht aber – Stand 2021 – mit etwa 50 Prozent weiblichen Bands beziehungsweise Bands mit weiblicher Beteiligung noch recht einsam im Metal-Kosmos dar. “Die Pop-Welt ist so viel diverser und ausgeglichener. Die Heavy-Szene hat sich irgendwann darin verrannt, nur mittelalte, bärtige, weiße Kerle anzusprechen. Wir bewegen uns definitiv in die richtige Richtung, sind aber wohl ein ganzes Stück langsamer als andere”, sagt Williams und seufzt.

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Foto: Alysse Gafkjen

»Wir schaden uns nur selbst damit, ständig zu konkurrieren, denn es bringt uns Frauen im Großen und Ganzen nicht weiter.«
Julien Baker

Wenn uns das Zeitalter des Internets jedoch etwas gelehrt hat, dann, dass es notfalls auch ohne die etablierten Machtstrukturen geht; ohne Gatekeeper bei Labels, Veranstaltern und Presse, die entscheiden, welche Künstlerinnen Aufmerksamkeit und Unterstützung verdienen; ohne eine Branche, die gerne die Meinung vertritt, dass Frauen keine Platten oder Tickets verkaufen. Vorhang auf für den Bedroom Pop: Online-Plattformen wie Bandcamp und Soundcloud haben eine ganz neue Generation von DIY-Künstlerinnen verschiedenster Genres die Tore zum Musikbusiness geöffnet. Musikerinnen können Millionen von Anhängern auf Youtube, Instagram und Tiktok haben, in hoher Frequenz neue Musik veröffentlichen und Shows ausverkaufen, ohne jemals zuvor live gespielt oder mit einem Label-Vertreter gesprochen zu haben.

Die Idee hinter Bedroom Pop – die etwa in der elektronischen Musik keine neue ist – ist einfach: Musik machen kann jeder, und mittlerweile gibt es die passende Technologie, um das Geschaffene ganz wortwörtlich vom eigenen Schlafzimmer in die Welt hinauszutragen. Mit günstigen, leicht zu bedienenden und dennoch hochwertigen Programmen wie Garageband und erschwinglichem Aufnahme-Equipment können Musikerinnen im Alleingang Songs aufnehmen und produzieren, Algorithmenund Mund-zu-Mund-Propaganda über die sozialen Medien sorgen dann dafür, dass die Musik an das richtige Publikum ausgespielt wird und im Idealfall viral geht. So hat sich in den 2010ern eine ganz eigene Szene um Musikerinnen wie Girl In Red, Beabadoobee und Adult Mom gebildet, die zwar musikalisch divers, jedoch im DIY-Ethos und einem gewissen LoFi-Vibe vereint ist und deren Musik eine Unmittelbarkeit, Authentizität und Intimität vermittelt, die im Mainstream schwer zu reproduzieren ist.

Das kann jeder

Sophie Allison ist mit dieser Einstellung aufgewachsen: “Ich finde, jeder sollte Musik machen können. Man sollte dafür nicht mal unbedingt ein Instrument spielen oder singen können müssen, denn es geht nicht immer nur um technische Fähigkeiten. Es gibt so viele verschiedene Gründe, warum Musik großartig sein kann. Und heute kann sich jeder daran versuchen, jeder kann Garageband auf dem Laptop oder gar Smartphone haben. Plattformen wie Bandcamp oder Soundcloud sind außerdem absolut großartig, denn damit können Menschen ihren Weg zu professionellen Musikern starten, auch wenn sie noch nicht entdeckt wurden.” Allison weiß, wovon sie spricht: Sie gehört selbst zu einer Generation von Fans, die Underground-Acts und -Szenen nicht durch lokale Shows, sondern durch das Internet entdeckt. Bevor sie ein Label signed, veröffentlicht sie drei Jahre lang ihre Musik über Bandcamp, baut sich über die Plattform eine Anhängerschaft auf und kann so schließlich die Aufmerksamkeit von Fat Possum Records erregen.

“Als ich jung war, hatte ich diese Träume davon, wie großartig es wäre, einfach so als Musikerin entdeckt zu werden. Aber so läuft es nicht. Oft kommt es in solchen Situationen nur darauf an, die richtigen Leute zu kennen, und darum sollte es in der Kunst nicht gehen. Mittlerweile suchen viele Labels aktiv auf Bandcamp nach jungen, interessanten Künstlern, die es geschafft haben, sich selbst etwas aufzubauen. So lief es ja bei mir: Ich habe einfach auf Bandcamp gepostet und die Sache ist langsam gewachsen. Auf diese Art habe ich einen Plattenvertrag bekommen. Anders hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft, denn ich hatte keine Verbindungen zur Musikindustrie.”

Wie weit man es heute auf diese Weise schaffen kann, zeigt uns Billie Eilish, die im Alter von 14 Jahren ihren ersten Plattenvertrag durch die Soundcloud-Single “Ocean Eyes” bekommt und bis heute als eine der einflussreichsten Künstlerinnen der Gegenwart zuhause mit ihrem Bruder Songs schreibt. “Wir machen immer noch einfach nur zusammen Musik in unseren Schlafzimmern”, erklärt Finneas, als er mit seiner Schwester den Grammy für den besten Song 2020 entgegennimmt. “Das ist für alle Kids, die heute Musik in ihren Zimmern machen. Ihr werdet auch so einen bekommen.”

Grammy hin oder her: Viele Alben der vergangenen Jahre wären ohne den technologischen Fortschritt nie entstanden, viele Karrieren nie gestartet. A.A. Williams (die übrigens ganz klassisch ihr erstes Demo an ein Label geschickt hat, um einen Vertrag zu bekommen) etwa hatte bis vor fünf Jahren noch nie eine Gitarre in der Hand, bis sie ein ausrangiertes Modell auf der Straße fand und kurzerhand entschied, es zu reparieren und spielen zu lernen. Songs zu schreiben, war für sie schlicht der beste Weg, das Instrument kennenzulernen, und mit Garageband hatte sie schon zuvor gearbeitet, um Streicher-Demos für ihre Kunden zu erstellen.

“Als ich anfing, selbst Songs zu schreiben, hatte ich also eine gewisse Grundkenntnis von Garageband, bin damit aber schnell an die Grenzen des Möglichen gestoßen, deswegen bin ich dann auf Logic umgestiegen, um mit Gitarreneffekten rumzuspielen”, erinnert sie sich. “Letztendlich habe ich meine komplette erste EP in meinem Wohnzimmer aufgenommen, was für mich ein riesiger Lernprozess war. Wie so oft, ging es dabei primär ums Geld: An diesem Punkt meiner Karriere hatte ich keinerlei finanzielle Mittel, um ein Studio oder andere Musiker zu buchen. Lediglich für den Mix und die Drums habe ich andere Menschen bezahlt. Bei “Forever Blue” war es fast genauso: Wir sind nur für einen Tag in ein Studio gegangen, um die Gitarren für einen anderen Sound nochmal über richtige Amps einzuspielen. Die Tatsache, dass man alles, was man für ein Album benötigt, im Internet finden kann, ist absolut verrückt, aber es ist auch großartig, dass jeder die Werkzeuge bekommen kann, um sich selbst auszudrücken.”

Musik als politischer Akt

Der technologische Fortschritt hat noch eine gesellschaftliche und politische Konsequenz: Er führt nicht nur zur Demokratisierung, sondern auch zur Diversifizierung der Musikbranche. Denn die abgebauten Barrieren und der vereinfachte Zugang machen nicht nur Frauen, sondern auch Mitglieder der LGBTQIA+-Community und People of Color sichtbar – Menschen, die bislang in Rock-Kreisen kaum beachtet wurden. Blicken wir zurück, dann steht etwa Tracy Chapman recht allein auf weiter Flur als Schwarze Singer/Songwriterin im Kosmos gitarrenbasierter Musik (mal abgesehen von Civil-Rights-Größen wie Odetta viele Jahre zuvor).

“Es ist mir besonders wichtig, über die Community, in der ich mit dem Musikmachen angefangen habe, hinaus zu wirken. Ich liebe diese Community, aber viele Menschen, die so aussehen wie ich, sind kein Teil davon. Ich kann sie nicht erreichen, wenn sie mich nicht sehen können, und das will ich ändern”, erklärt Lætitia Tamko gegenüber Pitchfork. Die Singer/Songwriterin hinter Vagabon richtet sich mit ihrem Indierock speziell an Schwarze Menschen und will ihnen die Türen öffnen, die ihr zu lang verschlossen waren. Geboren in Kamerun, fühlte sich die 28-Jährige in ihrer jetzigen Heimatstadt New York lange verloren und erkannte erst als junge Erwachsene, dass sie als Woman of Color eine Gitarre in die Hand nehmen und ihren Platz in der weiß dominierten Indie-Szene einfordern konnte.

Es ist ein zweischneidiges Schwert, eine doppelte Belastung: Mitglieder marginalisierter Gruppen werden in der Musikszene und darüber hinaus selten als Individuen wahrgenommen und viel zu oft als Repräsentanten ihres Genders, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft abgestempelt – ob sie wollen oder nicht. Während Diskurse über Identität und Repräsentation wichtig sind, kann es eine unheimliche Belastung und Verantwortung sein, jede (Nicht-)Handlung als politischen Akt verstanden zu sehen. Doch wir wissen auch, dass die Generation Z gesellschaftlichen Debatten nicht aus dem Weg geht und politisch deutlich engagierter ist als ihre Vorgänger. “Als Woman of Color, die viele Schnittpunkte mit verschiedenen marginalisierten Identitäten hat, habe ich immer ziemlich viel zu sagen”, erklärt etwa die chinesisch-amerikanische Singer/Songwriterin Mxmtoon, die sich mit ihrem Ukulelen-Pop von ihrem Schlafzimmer aus ein crossmediales Social-Media-Imperium aufgebaut hat. “Ich denke, dass das Internet den Menschen mit solchen Geschichten einen Ort gegeben hat, um sie zu erzählen.”

Von der Musikerin zur Marke

Auch das hat seine Schattenseiten: Social Media hat die Hierarchie zwischen Künstlerinnen und Fans abgeflacht und Kommunikationsbarrieren abgebaut. Wir alle können nun quasi hautnah dran sein an unseren Stars, mit ihnen interagieren, sie als echte Menschen und nicht nur Industrieprodukte kennenlernen. Aber Grenzen können durchaus etwas Gesundes sein – sie schützen uns, halten Schädliches auf Abstand, geben uns Raum. Musikerinnen, unabhängig vom Genre, müssen heute zur Marke werden, müssen ständig präsent sein und unglaublich viel Input (und beim besten Willen nicht nur wohlwollenden) aus allen Ecken aushalten können. In Kreisen, in denen lange Zeit eher die Musik als die musizierende Person im Vordergrund stand, wie das im Singer/Songwritertum oftmals der Fall war, kann das durchaus befremdlich sein.

“Ich fühle mich damit überhaupt nicht wohl!”, ruft Julien Baker in ihre Kamera. “Ich habe keine Ahnung, wie ich das navigieren soll. Neulich habe ich einen großartigen Text von Jia Tolentino in ihrem Buch ‘Trick Mirror’ gelesen. Es ging darum, wie die sozialen Medien unsere mentale Arbeit verändert. Vor Social Media musste man nur in gewissen Situationen eine bestimmte Person darstellen, etwa auf der Bühne oder in einem Vorstellungsgespräch, aber dann konnte man nach Hause gehen und abschalten. Jetzt kann jeder Mensch, der interessiert ist, rund um die Uhr auf diesen kuratierten Teil von dir zugreifen. Und wenn man da nicht konstant präsent ist, kann es sich schnell so anfühlen, als wäre man weniger wert oder wahrnehmbar. Ich weiß nicht, ob das gesund ist.”

Auch das ist eine Gatekeeper-Funktion der traditionellen Medien: Vor 60 Jahren hatten Menschen nur Zugang zu einer Auswahl erfolgreicher Künstler, die sie in Zeitschriften, auf Konzerten und im Fernsehen sehen konnten. Heute ist das Internet voll von Musikerinnen, die sich in einem ständigen Austausch mit einem unsichtbaren, maximal heterogenen Publikum befinden. “Das macht mich oft wahnsinnig, denn ich glaube nicht, dass ich es richtig mache. Wenn du wüsstest, wie viel Zeit ich damit verbringe, zu versuchen, im Internet witzig zu sein. Ich will doch nur, dass Menschen meine Tweets lustig finden. Das ist all die Bestätigung, die ich brauche”, lacht Julien Baker.

Kein Bock auf heile Welt

Das Einfordern von Platz und Rechten beginnt natürlich nicht erst mit dem Veröffentlichen von Musik, sondern schon viel früher: Immer mehr Mädchen wollen lieber E-Gitarre oder Schlagzeug spielen anstatt, ganz plakativ ausgedrückt, brav zum Geigenunterricht zu gehen. Intersektionalfeministische Jugendinitiativen wie das Girls Rock Camp kämpfen seit Jahren dafür, Mädchen, trans- und non-binären Kindern und Jugendlichen den Zugang zu kreativen Ausdrucksmöglichkeiten mit Workshops und Musik-Camps zu erleichtern. Wie so vieles hängt auch das mit gesamtgesellschaftlichen Wandlungen zusammen, damit, welche Eigenschaften, Rechte und Pflichten wir bestimmten Identitäten zuschreiben. Mehr weibliche Beteiligung in der Indie- und Alternative-Szene kann es nur geben, wenn wir Mädchen erlauben, laut und wild zu sein und wenn wir ihre Gedanken und Gefühle nicht als trivial und albern diskreditieren. “I prefer Netflix over everyone. So Tumblr, hashtag relatable”, singt Mxmtoon etwa selbstironisch in “1-800-DATEME”. Wer das als bedeutungsloses Teenie-Geplänkel abtut, sollte bei Nirvana-Songs wie “School” besser nicht so genauhinhören.

Glücklicherweise sind wir gerade mittendrin im Umbruch, was Geschlechterrollen und -klischees angeht. Das Revival von Grunge, Pop-Punk und Emo sowie der Hype um Sad Boy Rap haben gezeigt, dass Mädchen und Frauen nicht nur wütend, sondern Jungs und Männer auch traurig sein dürfen. Jugendliche heute gehen so offen wie keine Generation vor ihnen mit Mental-Health-Themen um und wollen diese Themen auch in der von ihnen konsumierten Musik wiederfinden. In seiner Trend-Studie fand Streaming-Gigant Spotify heraus, dass 49 Prozent der Befragten aus den Generationen Y und Z ein Gefühl von Gemeinschaft darin finden, ihre Trauer und Einsamkeit zu teilen. 73 Prozent von ihnen nutzen Musik, um mit Stress und Ängsten umzugehen.

Heißt: Die Kids heute haben keine Lust mehr auf Oberflächlichkeiten und Heile-Welt-Getue. Das könnte daran liegen, dass die vorherigen Generationen ihnen scheinbar unüberwindbare und akute Probleme wie den Klimawandel, strukturellen Sexismus und Rassismus hinterlassen haben und die Grenze zwischen dem Persönlichen und dem Politischen quasi nicht mehr existiert. Dass es junge Menschen da zur Unmittelbarkeit und intimen Aufrichtigkeit von Singer/Songwriter-Musik hinzieht – einer Tradition, die in den 60ern politisch und gesellschaftskritisch aufgeladen und in den 70ern um persönliche, emotionale Inhalte ergänzt wurde – scheint da nur logisch.

Sei das Boy Genius!

Es lässt sich nicht klar belegen, aber auch nicht von der Hand weisen, dass Frauen und das, was sie sagen und tun, heute ernster genommen werden als vielleicht noch vor zehn Jahren. An dieser Stelle können wir zu Avril Lavigne, Hayley Williams und Taylor Swift zurückkehren, die nun endlich die Anerkennung bekommen, die ihnen jahrelang verwehrt wurde – obwohl man bei letzterer auch spekulieren kann, dass es zumindest ein bisschen daran liegt, dass sie die musikalische Absolution in vieler Augen erst durch männliche Indie-Größen wie Justin Vernon, Aaron Dessner und Jack Antonoff erhalten hat. Wir können aber auch nochmal in Richtung Boygenius schauen, deren Bandname allein schon auf ein Problem aufmerksam macht, das wohl alle Songwriterinnen kennen.

“Wir haben über Jungen und Männer gesprochen, die quasi von Geburt an erzählt bekommen, dass sie Genies sind und welche Art kreativer Arbeit aus dieser Erziehung resultiert”, erklärt Lucy Dacus gegenüber der New York Times. Während Männer ständig vermittelt bekommen, dass ihre Gedanken hörenswert und interessant sind, bekommen Frauen eher beigebracht, sich klein zu machen, weil andere es besser wissen. Für die Aufnahme ihrer EP verbannten Boygenius deswegen alle Männer aus dem Studio und agierten nach einem einfachen Prinzip: “Wenn eine Person einen Gedanken hatte und sagte ‘Ich weiß nicht, ob das gut ist. Vermutlich ist es schrecklich’, hieß es gleich: ‘Nein! Sei das Boy Genius! Jeder deiner Gedanken ist wertvoll, spuck ihn einfach aus'”, sagt Dacus weiter.

Soccer Mommys Sophie Allison berichtet in einem weiteren Interview mit der New York Times aus eigener Erfahrung, wie diese unterschiedlichen Einstellungen sich ganz konkret auf musikalische Karrieren auswirken können: “Ich habe keine Musik gemacht, bis ich etwa 18 Jahre alt war. Ich habe mein ganzes Leben lang gespielt, aber vorher nie etwas veröffentlicht, weil ich nicht das Gefühl hatte, dass die Leute es ernst nehmen würden. Ich dachte, dass sie sagen würden: ‘Das ist nur Sad-Girl-Musik, wie Taylor Swift.’ Es macht einen sehr verletzlich, sich von einer anderen Person zerstört oder von den Menschen, die man liebt, unterdrückt zu fühlen. Das vor einem großen Publikum auszudrücken, ist auf eine Art schon politisch, weil man sich gegen alle stellt, die einem sagen, dass man das nicht fühlen darf.”

Heldinnen der Generation Z

Vielleicht liegt es vor allem an dieser neu gefundenen Furchtlosigkeit, die aus der Ablehnung etablierter patriarchaler Strukturen resultiert, dass Singer/Songwriterinnen aktuell die Indie-Szene übernehmen – frei nach Chers ikonischem Statement “Ich bin ein reicher Mann.” Aktuell sieht es auf jeden Fall verdammt gut aus für Frauen in der Musikszene – nicht perfekt, aber auf dem richtigen Weg. Besonders, weil diese jungen Musikerinnen kein reines Szene-Phänomen sind: Phoebe Bridgers hat mit ihrem aktuellen Album “Punisher” vier Grammy-Nominierungen einheimsen können und ziert aktuell ein Musik-, Fashion- und Lifestyle-Cover nach dem anderen.

Bridgers scheint die richtige Mischung aus Pop-Appeal, Nahbarkeit und Eigensinnigkeit für unsere Zeit zu haben. Während ihres Auftritts bei Saturday Night Live im Februar 2021 zertrümmerte sie eine Gitarre (oder versuchte es zumindest) und trat damit gleich mal einen Generationenkonflikt mit David Crosby los, der die sexistischen Strukturen der Rock-Szene innerhalb weniger Tweet-Zeichen offenbarte. Auch vor Eric Clapton, seiner “mittelmäßigen Musik” und den rassistischen Äußerungen seiner Vergangenheit machte sie nicht halt. Zum Wahlsieg von Donald Trump coverte sie zusammen mit Maggie Rogers “Iris” von den Goo Goo Dolls und konnte so innerhalb von 24 Stunden über 170.000 Dollar für die Wahlrechtsorganisation Fair Fight über Bandcamp sammeln. Kurzum: Bridgers ist der Rockstar, den diese Generation braucht und verdient.

Doch sie ist nicht allein: Mit ihrem zweiten Album “Sling” hat es Clairo aktuell auf das Digital-Cover des US-amerikanischen Rolling Stone geschafft (auf dem Print-Cover ist natürlich niemand geringeres als Billie Eilish zu sehen). “Wie Clairo ein Gen-Z-Hero wurde” heißt es da, und weiter: “Sie wurde zur perfekten Heldin für Teenager, die jeden ihrer intimen Gedanken und Impulse in die Welt hinaus senden.” Ja, die neue Generation Singer/Songwriterinnen singt offen, ungekünstelt und oftmals ungefiltert über Sexualität, über psychische Gesundheit und das Suchen des eigenen Platzes in der Welt. Denn das sind Dinge, die vor allem, aber nicht nur Teenager umtreiben. Und wir alle fühlen uns etwas weniger allein, etwas mehr verstanden und akzeptiert, wenn wir andere darüber sprechen und singen hören.

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Foto: Ebru Yildiz

»Is there room in the band? I don’t need to be the front man. If not, then I’ll be the biggest fan.«
Lucy Dacus in »I Don’t Wanna Be Funny Anymore«

Auf Clairos neuem Album ist übrigens auch Lorde zu hören – noch eines dieser Pop-Singer/Songwriterinnen-Phänomene. Mit ihrem neuen Album “Solar Power”, in dessen Titelsong übrigens wiederum Clairo mitsingt, widmet sich die Neuseeländerin einer Mischung aus Bubblegum Pop und dem Laurel-Canyon-Sound der 70er und wird damit sicherlich wieder eine ganz neue Generation potentieller Musikerinnen ans traditionelle Singer/Songwriter-Genre heranführen.

Vielleicht werden sie so poetisch sein wie Joni Mitchell, vielleicht so sozialkritisch wie Ani DiFranco oder Tracy Chapman, vielleicht so intim und wütend wie Tori Amos und Alanis Morissette. Sie werden sich vielleicht zu Performerinnen entwickeln wie St. Vincent, oder gar zu Megastars wie Billie Eilish. Vielleicht werden sie zu Internet-Sprachrohren unsicherer Teens aus marginalisierten Gruppen wie Mxmtoon oder Vagabon. Vielleicht werden sie nichts davon, vielleicht alles. Und das Beste daran ist: Egal, was kommt, es wird spannend und wundervoll sein. Am Ende kann man eigentlich nur mit Tracy Chapman verbleiben: “Finally the tables are starting to turn, talkin’ bout a revolution.”


Reportage: Songwriterinnen
Talkin' Bout A Revolution

Inhalt

  1. Songwriterinnen - Zehn Debütalben – Schlafzimmer und Königreiche
  2. Songwriterinnen - Die Vorbilder – Die Wegbereiterinnen
  3. Songwriterinnen - Die Reportage – Talkin' Bout A Revolution

Gut gehütetes Geheimnis

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Die englische Artrock-Band The Smile arbeitet bereits seit zwei Monaten an ihrer neuen Platte und liefert auf ihrem Instagram-Account erste Eindrücke ihrer Studioarbeit – wenn auch nur visueller Natur. Genauere Details zum zweiten Album sind dementsprechend bisher noch nicht bekannt, aber sicherlich werden The Smile ihren Fans in den nächsten Monaten noch den ein oder anderen Vorgeschmack liefern. Und ein paar der Songs wurden ja auch bereits live gespielt, darunter “Bending Hectic” beim Montreux Jazz Festival sowie “Bodies Laughing”, “Friend Of A Friend” und “Colours Fly”.

 

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Die Supergroup um die Radiohead-Mitglieder Thom Yorke und Jonny Greenwood sowie Tom Skinner, den ehemaligen Drummer von Sons of Kemet, hatte erst im letzten Jahr ihr Debütalbum “A Light For Attracting Attention” veröffentlicht, auf dem auch einige unveröffentlichte Songideen von Radiohead zu hören waren. Daneben erschien im Dezember das Livealbum “At Montreux Jazz Festival, July 2022”. Quasi eine Jubiläumsplatte, immerhin hatten Yorke und Greenwood fast 20 Jahre zuvor noch mit Radiohead auf der Bühne in Montreux gestanden. Im Sommer werden The Smile in Nordamerika unterwegs sein, im europäischen Raum sind bisher allerdings noch keine Konzerttermine angekündigt.

Die Band, deren Name auf ein Gedicht von Ted Hughes zurückgeht, hatte sich während der Pandemie gegründet und reißt seitdem musikalisch Schranken zwischen Post-Punk, Progressive Rock und elektronischen Beats ein.

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