“Heute vor einem Jahr wurde dies ausgestrahlt und ich konnte endlich aufhören es geheim zu halten, was weithin als ‘das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Musikindustrie’ bekannt war (obwohl ich dachte, dass wir auf unserer Seite einen ziemlich guten Job gemacht haben)”, so startet Josh Freese seinen Instagram-Post zu seinem einjährigen Jubiläum als neuer Drummer der Foo Fighters. Weiter teilt er in dem Post drei Videoausschnitte von dem Song “All My Life” aus dem Livestream-Konzert, welches die Band zur Neuaufnahme von Freese veröffentlicht hatte: “Ich bin wirklich stolz darauf. Ich habe gescherzt, dass alles, was wir bräuchten, ‘All My Life’ wäre und wir danach einfach weitermachen sollten (weil der Song so verdammt gut ist).”
Weiter spricht Freese darüber, dass der verstorbenen ehemalige Foo-Fighters-Drummer Taylor Hawkins weiterhin schmerzlich vermisst würde: “Ich vermisse Taylor, genauso wie die Band, seine Familie, Freunde und der Rest der Welt. Wir versuchen auch weiterhin, das Beste aus der Situation zu machen, indem wir vorwärtsgehen und das tun, was wir lieben … Musik zu spielen, Taylor zu ehren und positiv zu bleiben.”
Der Post erscheint wenige Wochen nachdem Freese in einem Interview erstmalig über seine Aufnahme in die Band gesprochen hat, genauer über den Moment als Dave Grohl ihn kurz vor Weihnachten 2022 angerufen hatte: “Ich war mit meiner Frau und einigen unserer Hunde spazieren und sagte: ‘Ah, Dave hat gerade versucht mich anzurufen’ und sie sagte: ‘Ich weiß, warum er dich anruft’. Ich sagte ‘Ganz ruhig. So etwas denke ich nicht. Vielleicht will er nur Silvester feiern.’ Ich schwöre zu Gott, ich dachte nicht, dass er deswegen anruft”, so Freese. Er erzählt weiter, dass er mit Grohl zunächst über die laufenden Aufnahmen für das neue Foo-Fighters-Album gesprochen habe, woraufhin Grohl Freese mit der entscheidenden Aussage überrascht haben soll: “Wir hatten ein Gespräch über den neuen Schlagzeuger. Und wir wollen, dass du es wirst.”
In diesem Sommer ist Freese mit den Foo Fighters auf einigen Festivals unterwegs, auf dem europäischen Festland gibt es sie unter anderem beim Hellfest in Frankreich oder dem Roskilde Festival in Dänemark zu sehen. Wir haben zuletzt in unserem Albumranking alle Alben der Foo Fighters von Top bis Flop zusammengefasst.
Wo und wann hast du das Shirt gekauft?
Ich habe das Shirt Anfang des Jahres in einem Thrift-Shop in Seattle, US gekauft.
Was bedeutet die Band auf dem Shirt für dich? Bring Me The Horizon sind für mich die perfekte Band. Vom visuellem und lyrischem Output bis zu dem Gefühl, das ihr Songwriting vermittelt. Eine Band, die sich eigenständig selbst hochgearbeitet hat, ohne Major Label. In der Metal-Szene seit Tag Eins umstritten und trotz dem teilweise negativem Feedback zu ihrem damals unvergleichlichen Sound (besonders auf “Sempiternal”), haben sie immer weiter gemacht. Bis sie letztendlich an der Spitze der alternativen Musikszene angekommen sind und so gut wie jedes alternative Festival headlinen.
Welche persönliche Geschichte verbindest du mit dem Shirt?
Ich und mein Freund & Videograf Chase Ferrell waren auf der Suche nach letzten Video Props für unsere Videoshoots zu meinem Debütalbum “This Is Doom Trap”, welches am 26. September erscheint. Ich bin mir nichtmal sicher, ob das offizieller BMTH-Merch ist, aber der ausgeblichene Print und das alte Design haben mit meiner Vision fürs neue Video übereingestimmt. Da waren hunderte von Shirts auf diesem Kleiderständer, und ich habe es durch Zufall mit dem ersten Griff herausgeholt. Die Band begleitet mich bereits mein halbes Leben und ich wollte ein Stück von meinen Idolen in meine eigene Kunst mit einbringen. Für mich ist es nostalgisch, weil ich bereits in 2013 zu meiner ersten Bring-Me-Show gegangen bin, im E-Werk in Köln, mit Support von Pierce The Veil. Der 09.11.2013 markiert einen meiner ersten Moshpits. Das Gedränge war so intensiv, dass ich eingedrückt zwischen mehreren Dudes meine Beine vom Boden heben konnte, ohne umzufallen. Meine Liebe für kontroverse, harte Musik mit elektronischen Einflüssen war geboren.
Mimi Barks mit ihrem BMTH-Shirt
Welche Bedeutung haben Bandshirts ganz allgemein für dich?
Bandshirts bedeuten für mich Respekt für meine Kollegen zu zeigen, meine Idole, die mich so bewegt haben, dass sie der Grund dafür sind, dass ich heute selbst hier stehe und Musik mache. Ich bin sehr an Fashion interessiert und für mich muss ein gutes Bandshirt die richtige Ästhetik haben. Es muss ein Statement sein. Die Spitzenreiter, was Merchandise-meets-fashion angeht, sind für mich BMTH, Slipknot und Cradle Of Filth.
Und da haben wir noch nicht über die dämliche deutsche Angewohnheit geredet, Filmen einen anderen Titel zu geben. Denn der Originaltitel ist “Knox Goes Away”, was im doppelten Sinne besser passt. Denn John Knox (Michael Keaton, der auch Regie führt) plant das Ende seiner Killer-Karriere, das ursächlich mit seiner Diagnose zu tun hat – Knox leidet an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, die dafür sorgt, dass er sein Gedächtnis binnen kurzer Zeit verliert. Was ihm bleibt, lässt sich in Wochen messen, die dem Film zeitliche Struktur geben.
Keaton zuzusehen, wie sein Knox krampfhaft versucht, die Kontrolle zu bewahren, ist famos, aber es gibt ja noch ein Drehbuch. Das sieht vor, dass Knox’ Sohn, mit dem er seit Jahrzehnten keinen Kontakt hat, vor seiner Tür steht und ihn um Hilfe bittet. Im Affekt hat er den Vergewaltiger seiner Tochter erstochen und wendet sich nun an den einzigen Menschen, von dem er weiß, dass er sich mit so etwas auskennt.
Wirkliches Interesse an der komplizierten Vater-Sohn-Beziehung hat der Film aber nicht und auch keins daran, Knox ambivalenten Charakter auszuleuchten. Denn der Killer ist ein hochgebildeter ehemaliger Elitesoldat, und es ist ein Klischee, dass er seine letzten Lebenswochen nur dazu nutzt, seine Familie abzusichern. Ach, Al Pacino hat eine Nebenrolle, aber offensichtlich jede Szene gespielt, nachdem man ihn gerade aus dem Mittagsschlaf geholt hatte.
Mit fast 80 Jahren und über vier Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von “Mad Max” hat Regisseur und Drehbuchautor George Miller nun eine neue Heldin in seiner postapokalyptischen Dystopie gefunden: “Furiosa: A Mad Max Saga” behandelt als direktes Prequel von “Mad Max: Fury Road” (2015) das Leben der ursprünglich von Charlize Theron gespielten und nun würdig von Anya Taylor-Joy verkörperten Imperatorin.
Die Geschichte von Furiosa beginnt am Grünen Ort der vielen Mütter, einer paradiesischen Oase inmitten der endlosen Einöde. Das junge Mädchen (anfangs gespielt von Alyla Browne) wird von Warlord und Wannabe-Prophet Dementus (Chris Hemsworth) und seinen Lakaien verschleppt und verliert alles, was sie liebt. Bereits nach wenigen Minuten beginnt eine schier endlose, rasante Reihe von Kämpfen, Verfolgungsjagden und Allianzwechseln, es geht ums Überleben um jeden Preis und entgegen allen Widrigkeiten. Furiosas Entwicklung wird eingefasst in einen langwierigen Machtkampf zwischen Dementus, der aussieht wie eine unliebsame Karikatur von Hemsworths Thor, und Zitadellen-Herrscher Immortan Joe (Lachy Hulme). Stoisch und doch sichtbar trauernd und gebrochen plant und arbeitet die Außenseiterin – die innerhalb der zweieinhalb Stunden Laufzeit kaum Dialog hat – auf das einzige Ziel hinaus, das für sie noch zählt: Sie wird zum Racheengel, dieser Film ihre persönliche Vergeltungssaga.
Das Produktions- und Kostümdesign, die Stunts und Visual Effects sind einmal mehr über alle Zweifel erhaben; permanent knallt oder brennt etwas in diesem bild- und tonstarken Bombast – der ewige Straßenkrieg auf der Fury Road, angetrieben von Benzin, Testosteron und fast pseudo-religiösem Wahn, ruht auch in Teil fünf der “Mad Max”-Reihe nicht. Doch während es in “Fury Road” primär darum ging, möglichst imposant von A nach B und wieder zurück zu gelangen und die Action der eigentliche Hauptcharakter war, wird das Spektakel nun mit mehr Handlung und nuancierter Charaktertiefe angereichert. Zwischen unzähligen komisch-überzeichneten männlichen Figuren erstrahlt Furiosa als Mitgefühl erweckende Actionheldin – und als feministische noch obendrauf, denn natürlich ist ihr blutiger Vergeltungszug auch Rache am Patriarchat, das die Welt nachhaltig ruiniert und die Menschheit auf ihre primitivsten, dunkelsten Triebe reduziert hat. Das hat nicht nur Zeug zur Kultfigur: Mit dieser Origin Story ist Miller noch einmal der ganz große Coup gelungen.
Erst 13 Jahre ist Becky alt, als sie sich gegen eine Bande Neonazis um Kevin James, dem “King Of Queens” mit auf den Schädel tätowierten Hakenkreuz zur Wehr setzen muss. Spoiler: Sie ist erfolgreich, nun aber eine Waise, die nach drei komplizierten Jahren – im comicmäßigen Vorspann abgehandelt – bei einer älteren Dame im harmonischen WG-Gefüge lebt und einen Job im Diner hat.
Dort muss sie sich zusammenreißen, wenn unfreundliche Kunden sie „Schätzchen“ nennen. Als sie absichtlich einem Typen heißen Kaffee in den Schritt kippt, revanchieren sich der und seine Kumpels mit einem nächtlichen Überfall. Die drei sind Teil einer faschistischen Republikaner-Gruppierung und müssen bald feststellen, dass sie sich mit dieser 16-Jährigen besser nicht hätten anlegen sollen.
“The Wrath Of Becky”, so der Originaltitel, verlegt den Schwerpunkt diesmal stärker auf den Witz. Etwa wenn Beckys übertriebene Rachefantasien visualisiert werden. “Becky” Teil 1 war noch etwas dramatischer, ernsthafter. Und mag es noch so befriedigend sein, wie die blonde Teenagerin kreativ die Fascho-Fanatiker um den charismatischen Anführer Darryl (Seann William Scott, “American Pie”) dezimiert, so ergeht sich der Film doch in der einen oder anderen Albernheit zu viel. Das Geheimnis um einen mysteriösen Schlüssel, nach dem schon die Nazis aus Teil 1 her waren, ist noch nicht gelüftet. Teil 3 dürfte also kommen.
Wie schon am Montag angedeutet, gibt es dieses Jahr statt einer Oasis-Reunion eine neue Reissue des legendären Debütalbums „Definitely Maybe“ von 1994. Die Neuauflage zum 30-jährigen Jubiläum erscheint am 30. August auf 4 LPs, Doppel-CD, Kassette und digital. Die Platte kann schon vorbestellt werden.
Enthalten sind Tracks aus den verworfenen Originalaufnahmen in den Monnow Valley Studios sowie Outtakes des endgültigen Albums, das in den Sawmills Studios in Cornwall aufgenommen wurde. Dazu gibt es eine unveröffentlichte Demoversion von “Sad Song” mit Gesang von Liam Gallagher statt von Bruder Noel. Bereits 2014 gab es eine Reissue zum 20-jährigen Jubiläum mit allerhand Bonusmaterial. Diese neue Version des Albums wurde allerdings erstmals von Noel Gallagher und Studioassistent Callum Marinho gemischt.
Auch das Artwork von „Definitely Maybe“ wurde für die Reissue überarbeitet. Auf der Cover-Fotografie des Originals von Michael Spencer Jones ist nun nicht mehr die Band zu sehen, sondern nur noch ein leerer Raum – vielleicht ein dezenter Wink mit dem Zaunpfahl, wie es um eine baldige Reunion der Britpop-Ikonen steht.
E1. “Rock ‘n’ Roll Star” (Monnow Valley Version)
E2. “Shakermaker” (Monnow Valley Version)
E3. “Live Forever” (Monnow Valley Version)
E4. “Up In The Sky” (Monnow Valley Version)
F1. “Columbia” (Monnow Valley Version)
F2. “Bring It On Down” (Monnow Valley Version)
F3. “Cigarettes & Alcohol” (Monnow Valley Version)
F4. “Digsy’s Dinner” (Monnow Valley Version)
G1. “Rock ‘n’ Roll Star” (Sawmills Outtake)
G2. “Up In The Sky” (Sawmills Outtake)
G3. “Columbia” (Sawmills Outtake)
G4. “Bring It On Down” (Sawmills Outtake)
Francis Edward Turner kommt 1981 in Bahrain zur Welt und wächst im Süden Englands auf. Seine Mutter Jane Cartwright ist Lehrerin, seine Trans-Mutter Miranda Turner ist Investmentbankerin.
Seine ersten musikalischen Erinnerungen im Elternhaus gehören dem Duo Flanders And Swann, das in Zwei-Mann-Revuen musikalische Parodien aufführte sowie den Beatles. Kurz darauf entdeckt er durch den Bruder seines Warhammer-Spielkameraden Iron Maiden für sich.
Mit gerade mal acht Jahren wird Turner aufs Internat geschickt, seine weiterführende Schulbildung erfährt er mithilfe eines Stipendiums am renommierten Eton-College. Die Zeit dort beschreibt er als traumatisch. Ventil für die angestaute Wut bietet die Hardcore-Community mit Bands wie Black Flag. Er liest, wie er im Gespräch erklärt, Henry Rollins‘ Tourreport „Get In The Van“ wie die Bibel. Nach dem Schulabschluss studiert er an der London School of Economics und macht einen Bachelor-Abschluss in europäischer Geschichte.
Die erste Platte, auf der Turner zu hören ist, stammt von der Hardcore-Band Kneejerk: „Helpless I Cry“ von 1999. Nach dem Ende der Band wechselt er zur Post-Hardcore-Band Million Dead, mit der er zwei Alben aufnimmt, bis er ab 2005 unter seinem Namen solo in Erscheinung tritt. Sein zehntes Album „Undefeated“ ist gerade erschienen. Zusätzlich leistet Turner Label-Arbeit, produziert und managt andere Bands.
In der Podcast-Folge bekommt Schwarzkamp neben einem Mini-Crashkurs zum Fantasy-Spiel “Warhammer” auch einen Einblick in Turners nahezu enzyklopädisches Musikwissen, dessen Vorlieben sich mehr als einmal mit den eigenen überschneiden. Genregrenzen gibt es dabei kaum: Von den Counting Crows, die Turner durch seine ältere Schwester kennenlernt, über Iron Maiden und Judas Priest bis hin zu At The Drive-In, die Turner als Einfluss für Million Deads Sound nennt.
Am Ende verquatschen sich beide Musiknerds auf spannende Art, landen bei belgischen Indie-Labels und kontroversen Ansichten zur Überbewertung der Ramones, die der gemeinsame Freund, Ramones-Museum-Gründer und ehemalige VISIONS-Autor Flo Hayler wohl nicht gutheißen würde, und einigen sich auf ein erneutes Podcast-Gespräch, um weiterzuführen, wofür die Zeit diesmal nicht gereicht hat.
Weshalb Turner eher zufällig Sänger von Million Dead wurde und durch welchen Kommentar sich Schwarzkamp unwissend zwischen die Fronten der Banddebatte The Levellers vs. New Model Army begibt, hört ihr in der aktuellen Folge – exklusiv mit VISIONS+ vorab:
Farin, es soll an dieser Stelle um drei große Themen gehen: Demokratie, Nachhaltigkeit und Sozialtickets. Womit wollen wir anfangen?
Farin Urlaub: Machen wir es doch in genau dieser Reihenfolge.
Den Song “Demokratie” habt ihr jetzt als Single veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Das Stück ist nicht neu, das war bereits auf dem Album “Dunkel”. Aber das Thema selbst ist mit Blick auf die politische Lage natürlich brandaktuell. Bela war es, der vor einiger Zeit damit um die Ecke kam und meinte, wir müssten etwas tun, wir können das alles nicht kommentarlos stehen lassen. Also schlug er vor, den Song “Demokratie” als Single zu veröffentlichen, was mich natürlich geehrt hat. Als zweiten Track haben wir “Doof” dazugenommen und das Ganze auf die Menschheit losgelassen.
Wie fielen die Reaktionen aus?
Also, zumindest weiß ich jetzt, was Bots sind. (lacht) Ein Freund von mir, ein echter Technik-Crack, wies mich darauf hin, dass die hasserfüllten YouTube-Kommentare unter dem Clip größtenteils morgens in Moskauer Zeitzone verfasst und zeitgleich abgeschickt wurden. Ich gehe nicht davon aus, dass die Urheber alle in Deutschland durchgemacht haben. Da hat jemand seinen Rechner eingeschaltet und das rausgehauen. Wir sind eine kleine, deutsche Punkband…
Genau…
…aber doch wichtig genug, um ein bisschen Hass und Zwietracht zu säen, das fand ich schon interessant. Man liest ja immer mal davon, wie so etwas passiert, aber es jetzt mal am eigenen Leib, am eigenen Lied zu erleben, war eine ganz neue Erfahrung. Wenn einer irgendwo reingrätschen kann, um die Diskussion mit sinnlosem Scheiß anzuheizen, wird das offenbar wahrgenommen. Das fand ich gleichermaßen bestürzend und interessant, im Sinne von: Wow, danke für die Lektion.
Erinnerst du dich an ein besonderes Statement?
Wir wurden da als „Staatspunks“ bezeichnet, das ist so jämmerlich, ich will das alles überhaupt nicht wiederholen. Der lustigste Gästebucheintrag besagte, das dies ja wohl das Demokratiefeindlichste wäre, was wir je von uns gegeben hätten.
Darauf muss man erst mal kommen.
Wie ist das wohl gemeint? Dass wir Demokratie gut finden? Dass wir die Leute auffordern, wählen zu gehen? Ich hatte so eine Reaktion echt nicht erwartet. Bela war sehr vehement, auch wenn Rod das Lied hasst, das ist halt die Band-Demokratie. Ich dachte, die Leute zucken mit den Schultern: Und, was jetzt? Wenn wir aufgrund einer solchen Aktion als Demokratie-Feinde bezeichnet werden, zeigt das nur, dass es noch eine Menge Aufklärungsbedarf gibt.
Erinnerst du dich an das erste Mal, als du wählen durftest?
Ich weiß noch, dass es damals schon mit den Reisen losging. Da dachte ich, verdammt, ich bin am Wahltag unterwegs. Also empfahl mir jemand, ich solle doch per Briefwahl wählen. Das war damals noch nicht so selbstverständlich wie heute, wo man die Unterlagen dafür ja gleich mitgeschickt bekommt. Ich musste auf irgendein Amt und begründen, warum ich nicht da bin.
Klingt nach Gewissensprüfung.
So in der Art. (lacht) Von allen Wahlen, an denen ich teilgenommen habe, waren bestimmt 80 Prozent per Brief. Es ging dabei nicht nur um meine Reisen, wir waren ja auch ständig auf Tour. Die Demokratie kennt mich also hauptsächlich von Briefen.
Zum Song und der Demokratie mal die schlichte Frage: Bringt so eine Aktion überhaupt etwas?
Das weiß ich nicht, keine Ahnung. Aber dann sage ich mir wiederum – und jetzt stapele ich mal bewusst ganz tief – wenn nur fünf Leute nach dem Lied sagen: „Was soll’s, ich geh’ jetzt wählen“, dann war es mir das schon wert. Der Größenwahn zu sagen, ohne Die Ärzte geht keiner mehr wählen, liegt mir fern – also, im Gegensatz zu anderen Formen von Größenwahn – das ist einfach ein Diskussionsbeitrag. Wie bei Rod schlagen auch bei mir zwei Herzen in der Brust: Natürlich geht es nicht, dass eine Band mit Punkwurzeln plötzlich solch staatstragenden Schwachsinn von sich gibt. Einerseits. Andererseits ist dieses Lied entstanden, weil mir die Demokratie eben am Herzen liegt. Das ist keine Ironie, das ist kein Gag mit doppeltem Boden. Diese ganze Verdrossenheit, Sprüche wie: „Wenn Demokratie wirklich etwas ändern würde, dann wäre sie verboten.“ Ich mache mir einfach Sorgen. Ich reise sehr viel, auch in Länder, wo katastrophale Diktaturen herrschen, in Länder, die nur vorgeben, demokratisch zu sein, und ich sehe das mit Grausen. Früher ist mir das nicht so aufgefallen, da hatte ich vielleicht noch nicht den Blick, heute wird mir das umso bewusster. Ein Land wie die USA ist auf dem besten Wege dahin, da hört keiner mehr dem anderen zu. Es gibt keinerlei Diskussionsbereitschaft, alle schreien nur noch. Das besorgt mich, deswegen habe ich dieses Lied gemacht. Der Diskussionsbeitrag eines alternden Rockstars. (lacht)
Für das Video zu “Demokratie” wurde mit Künstlicher Intelligenz gearbeitet. Wie zufrieden bist du mit dem KI-Farin?
Furchtbar. (lacht) Dazu muss man sagen, dass es sich lediglich um einen KI-Filter handelt, der diesen einheitlichen Look erzeugt, diese übertriebene, fast Manga-artige Jugendlichkeit. Um das klar zu sagen: Wir spielen nur damit, es ist nicht so, dass wir uns jetzt derart darstellen wollen. Um die Diskussion in Gang zu bringen, ist es schon gut, aber um Himmels Willen, es ist kein künstlerisches Statement von uns, eher im Gegenteil: „Wollt ihr das wirklich?“ Auch KI-generierte Songs werden immer mehr Thema. Das ist auch nicht kompletter Mist, gerade wenn man nicht so genau hinhört und sich nur ein wenig berieseln lässt. Dann ist das zuweilen erschreckend gut, aber eben auch ein gewisser Einheitsbrei.
Die Oasis-Kopie hat mir offen gestanden ziemlich gut gefallen.
Vielleicht kommt irgendwann ein KI-Ärzte-Album.
Ich bin gespannt drauf.
Ich auch, vor allem, wenn ich dann gefeuert werde. (lacht) Der KI-Farin ist viel lustiger. Tschüss!
Beste Platte seit ewig…
Ey, die sind so gut. Das ist wie in den 80ern. Nein, das ist wie in den 90ern. Das ist eigentlich wie immer. (lacht)
Sprechen wir über Nachhaltigkeit. Was hat es mit dem Labor Tempelhof auf sich?
Wir hatten vor zwei Jahren diese drei Konzerte auf dem Flughafen Tempelhof. Das Thema Nachhaltigkeit hat uns schon immer interessiert. Wir haben ja irgendwann beschlossen, als wir unser eigenes Label gründeten, dass es keine Plastikverpackung für unsere CDs geben würde, wir wollen nur diese Pappdinger. Nun könntest du natürlich fragen, ob wir uns mal die CO2-Bilanz angeschaut haben, aber so weit waren wir noch nicht. Wir wollten einfach weniger Plastik und mehr Papier. So früh fing es an. Es gab im privaten Bereich natürlich Entscheidungen, die man getroffen hat, aber unsere Touren und unsere Aufnahmen, das war eigentlich immer business as usual. Wir haben uns da nie große Gedanken gemacht. Mit diesem Tempelhof-Ding gab es in unserem Umfeld plötzlich die Idee, doch mal zu gucken, was so geht. Alles, was wir da ausprobieren, wollten wir – beziehungsweise die Spezialist:innen, die sich um die jeweiligen Aspekte kümmern – auch ins Netz stellen. Es geht darum, an möglichst vielen Problemstellen und Gewerken umweltfreundlichere Alternativen zu finden. Wir wollen so viel wie möglich ausprobieren und alles, was funktioniert oder auch nicht funktioniert, als Info für alle zugänglich machen, damit andere Leute das nachmachen beziehungsweise verbessern können, daher auch der Name mit dem Labor.
Demokratie-Fan Farin Urlaub (Foto: Olaf Heine)
»Uns geht es auch um den Mittelfinger Richtung 800-Euro-Tickets. Wie geldgierig kann man sein?«
Farin Urlaub
Wie sieht der finanzielle Aspekt aus?
Das Labor kostet richtig Geld. Glücklicherweise sind alle Beteiligten sich einig, dass es trotzdem gemacht werden soll. Denn: Wir Menschen haben in ganz vielen Detailbereichen die Technologie, es CO2-ärmer oder sogar Cradle-to-Cradle, also in einem geschlossenen Wertkreislauf, zu produzieren. Wir machen es aber nicht, weil es 5 oder 10 oder 20 Prozent teurer ist. Das wiederum wirft die Frage auf, ob in dem „schmutzigen“ Preis überhaupt die Umweltbelastung eingepreist oder einfach weiterhin gratis ist. Anders gesagt: Jemand stellt ein Produkt her, benutzt die Umwelt und ihre Ressourcen, und die Welt ist danach ein kleines bisschen schlechter, ohne dass er oder sie dafür bezahlen muss. Wir leiden quasi alle – ich übertreibe jetzt massiv, aber ich bin ja auch Rockmusiker und muss keine Chemievorträge halten – also wir alle leiden darunter, dass einer sich bereichert. Warum muss das sein? Das ist so eine Sache, die mir immer wieder in den Kopf kam, als ich die Ergebnisse durchgesehen habe. Warum ist denn immer die bessere Variante, wenn sie schon existent ist, so viel teurer und umständlicher? Warum ist das nicht die Variante, die man einfach machen muss?
Was wird konkret getan?
Wir hatten einige Ideen, die wir nicht umsetzen konnten, weil sie unbezahlbar geworden wären. Das ganze Ding war, obwohl wir da über sehr viel Geld reden, was auf dem Tempelhof umgesetzt wurde, sehr teuer, und wir wollen diesmal noch besser werden. Wir gehen noch tiefer in die Produktionsketten. Wir sind von 60 Prozent auf 100 Prozent vegan/vegetarisch im Catering umgestiegen, und zwar für alle, also auch bei dem, was auf dem Gelände verkauft wird. Es gibt noch mehr Komposttoiletten, damit aus den getrennten Reststoffen Humus und Dünger produziert werden kann. Alle Details kann man sich im Netz unter labor-tempelhof.org anschauen. Es liegt uns am Herzen, dass andere Leute davon profitieren, unsere Ideen nehmen können, um damit zu arbeiten und vor allem, um sie noch besser zu machen.
Was ist besonders effektiv?
Nehmen wir mal den CO2-Ausstoß: Der größte Anteil daran kommt durch die Anreise des Publikums. Deswegen sind natürlich schon lange die öffentlichen Nahverkehrsmittel in unsere Tickets integriert. Wir haben außerdem einen sehr großen Fahrradparkplatz auf dem Gelände. Wir hoffen, dass dadurch so wenig Leute wie möglich mit dem eigenen Pkw anreisen.
Ja, die haben auch ein Konzert unter diesen Bedingungen gespielt. Alles, was auf dem Flughafen stattfindet, soll zukünftig nach diesen Prinzipien ausgestaltet werden. Eine interessante Zahl, die ich neulich erfahren habe: Wenn wir alle Großkonzerte auf das, was wir da jetzt gemacht haben, umstellen, würden wir 50 Prozent CO2 einsparen.
Eine stattliche Zahl, für die wiederum alle an einem Strang ziehen müssten.
Wir sind halt bereit, das Geld auszugeben. Das geht von unserem Gewinn und natürlich auch von dem des Veranstalters ab, also von KKT und Loft Concerts. Wir alle sind der Meinung, dass wir so nicht weitermachen können. Natürlich ist mir klar, dass wir damit nicht die Welt retten. Wir wollen uns auch nicht greenwashen, und es ist bestimmt noch nicht optimal, aber es ist eben besser, als nichts zu machen. Interessanterweise fängt die Politik jetzt an, das Thema ernst zu nehmen. Es kann sein, dass es irgendwann ein Gesetz dazu geben wird. Es gibt jetzt auch europaweite Kontakte, weil wir natürlich nicht die einzigen sind, die solche Ideen haben.
Stichwort Sozialtickets: Worum geht es da, gab es einen konkreten Auslöser?
Wir haben natürlich immer Leute, die sagen – egal wie teuer oder wie billig wir sind – oh, das ist aber ganz schön teuer, einfach weil es 50 Cent oder einen Euro mehr ist als beim letzten Mal. Das ist nicht der Punkt. Vielmehr war es Kiki von KKT, der irgendwann von diesen immer absurderen Luxustickets genervt war. Du bezahlst 70 Euro für ein Ticket deiner Lieblingskünstlerin, aber kannst sie nicht sehen. Dafür musst du 90 Euro löhnen. Noch näher dran? 150 Euro. Dazu ein Glas Sekt und Soundcheck? 300 Euro. Alles absurde Extraleistungen, um immer noch mehr Kohle zu machen. Kikis Vorschlag war es, als Antwort auf diese ganzen Staffelungen nach oben eine nach unten zu machen. Tickets für Leute, die wenig Geld haben. Und wir so: „Yes, was für eine großartige Idee.“ Bei der Überlegung, wie man das festmachen kann, geht es in Berlin ziemlich einfach. Wenn du wenig Geld hast, kriegst du einen Berechtigungsnachweis, den ehemaligen Berlinpass, den wiederum kannst du uns vorlegen. Dann kriegst du das Ticket für unter 20 Euro.
Wie groß ist der bürokratische Aufwand?
Der hält sich in Grenzen. Beim Überprüfen des Einlasses musst du das Dokument mit deinem Namen dabeihaben, aus dem hervorgeht, dass du zum Zeitpunkt des Ticketkaufs eben wenig Geld hattest. Ein geringer Mehraufwand also. Den großen Run auf die Sozialtickets hat es bislang nicht gegeben, da hatte ich mehr erwartet. Vielleicht muss sich das auch erst noch ein wenig herumsprechen. Uns geht es zudem auch um den Mittelfinger Richtung 800-Euro-Tickets. Wie geldgierig kann man sein? Dabei behaupte ich nicht, dass unsere 80-Euro-Tickets ein Klacks sind, aber die sind halt nicht unverschämt, sondern ziemlich nah an dem, was wir in diesem riesigen Rahmen an Kosten haben. Wenn das jemandem zu teuer ist, kann ich es total verstehen. Wir spielen ja immer mal wieder kleinere Konzerte, die deutlich günstiger sind. Um es noch mal zusammenzufassen, und das betrifft im Prinzip alle drei Themen: Es geht nicht immer nur um Geld, sondern es geht darum, dass wir uns jetzt Gedanken machen, wie die Zukunft besser werden kann.
Aber der Reihe nach. Sam Morton sind das Duo Samantha Morton und Richard Russell. Morton ist vor allem als Schauspielerin aus Serien wie “The Walking Dead” bekannt, Russell ist Chef des Labels XL und hat als Produzent und Songschreiber etwa die Karrieren von Gil Scott-Heron und Bobby Womack wiederbelebt. Auch bei Morton hat man den Eindruck, dass er die richtigen Instrumentals für ihren ätherischen Gesang gefunden hat. Ihre teils autobiografischen Lieder schleichen sich auf Samtpfoten an, es knistert und brummt verhalten, ehe sich dann in “Double Dip Neon” ein Drum’n’Bass-Beat der Marke 4 Hero einschmuggelt. “Daffodills & Dirt” (XL, 14.06.) ist eher Listening-Music als tanzbar und erinnert mal an Ibeyi, mal an Kae Tempest, verfügt aber stets über eine sehr eigene Note.
Etwas zupackender zeigt sich Sun, das Soloprojekt von The Notwist-Schlagzeuger Andi Haberl. Wie bei den meisten Platten aus dem Kosmos der Band greift auch “I Can See Our House From Here” (Alien Transistor, 07.06.) auf die etablierte Soundpalette von The Notwist zurück. Es gibt Banjos, klickernde Synthesizer und spätestens bei “Cluster” und “Daydream” wartet man nur darauf, dass die Stimme von Markus Acher einsetzt. Das hat den vielleicht von Haberl beabsichtigten Effekt, dass man seinen Anteil am aktuellen Album “Vertigo Days” größer einschätzen muss, als man es bislang tut.
Machinedrum zieht das Tempo noch weiter an. “3For82” (Ninja Tune, 24.05.) bietet zwölf Tracks, die das kleine Revival fortschreiben, das Drum’n’Bass derzeit feiert. Dabei sind die jazzigen Breakbeats nichts Neues für Travis Stewart, ebenso wenig wie sein Händchen für interessante Stimmen, für die er es wie bei Topas Jonez und Ezri in “Respek” (sic!) auch mal mit hart pumpendem HipHop langsamer angehen lässt. Stücke wie “Honey”, der einzige Track, der mit Vocalsamples arbeitet, wecken Erinnerungen an Jacob’s Optical Stairway, womit klar sein dürfte, dass Machinedrum seinen Drum’n’Bass eher feingliedrig anlegt.
Zwei Attribute, die man auf “We Could Stay” (Extremely Pure, 17.05.) von M Wagner nicht anwenden würde. Hört man Stücke wie den Opener “Release Yrself” oder “Never Gone”, möchte man Wagner am liebsten im Umkreis des Kölner Labels Kompakt einordnen – so europäisch klingt der Techno des New Yorkers. The Field oder auch die vielen Projekte von Wolfgang Voigt (Gas, Love Inc. Mike Ink, Wassermann) können hier als ästhetische Referenzen dienen, wobei Wagner auch ein Faible für den krautigen Trance eines James Holden hat, wie “Rome Generator” zeigt. Mit dem überdrehten Beat von “Thanks For Listening” bringt Wagner zudem etwas Happy Hardcore ins Spiel.
Nach so viel knatternden Bassdrums braucht es etwas, um runterzukommen. Dafür eignet sich “Why Lawd?” (Stones Throw, 07.06.), das zweite Album von Nxworries nach acht Jahren Pause. Dahinter stecken Produzent Knxwledge und Multitalent Anderson Paak. Standen bei Paak zuletzt mit Silk Sonic die Zeichen auf Upbeat-Funk und -Soul, stellt er nun gemeinsam mit Knxwledge seine R&B-Wurzeln stärker aus. Würden die beiden zusammenlegen, könnten sie fast eine Fußballmannschaft aus gewonnenen Grammys aufstellen, wobei die Musik von Nxworries nichts Kalkuliertes an sich hat, sondern so lässig und selbstverständlich fließt, dass sich der Erfolg von ganz alleine einstellen dürfte. Falls nicht, können vielleicht Gäste wie Snoop Dogg, Thundercat oder Earl Sweatshirt neugierig machen.