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Immer noch aggro

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Die Hardcore-Punks Gel sind schon lange keine Newcomer:innen mehr. Mit ihrem Debütalbum „Only Constant“ gelang ihnen schon ein erster Achtungserfolg. Und erstmal scheint es für die Band kein Halten mehr zu geben: mit einem neuen Label im Rücken haben Gel nun ihre neue EP „Persona“ angekündigt.

Als ersten Einblick in die EP veröffentlichen sie die Leadsingle „Mirage“. Die mit krachenden Drums, bedrohlich grummelnden Gitarren und dem heiseren Geschrei von Sami Kaiser nun mal so klingt, wie VISIONS-Redakteur Jan Schwarzkamp den Sound von Gel schon 2021 charakterisierte: „stürmisch und mit ausgiebig artikulierter Wut“. Aber auf „Mirage“ entwickeln sich Gel soundtechnisch weiter. Laut Kaiser wollte die Band die Songs dichter und nuancierter gestalten. „Es ist anders, es ist eingängig, aber es klingt immer noch wirklich nach uns“, so Kaiser.

Die Wut kommt nicht nur durch den stürmisch-aggressiven Klang von „Mirage“ zum Ausdruck, sondern auch durch den Text. Mit Aussagen wie „As if I’d treat myself with the malice you’d inflict“ oder „I hold you, hold you close but you’re keeping me back“, reflektieren Gel das Gefühl, dass gewisse Beziehungen nicht guttun und einem Schmerzen verursachen. Das Ganze wird am Ende durch die Worte „I drew a Devil on the wall/ The Devil’s here drew from my blood, fueled by your call“ auf den Höhepunkt getrieben.

Für „Persona“ haben Gel mit dem Produzenten Jon Markson zusammengearbeitet, der bereits Bands Drain oder Drug Church produziert hat. Die EP erscheint am 16. August und kann bereits vorbestellt werden.

Außerdem kommen Gel im Sommer für Festivals und für drei Headliner-Shows nach Deutschland. Tickets gibt es über die Website von Gel.

Gel – „Persona“
Gel - Persona

01. „Mirage“
02. „Shame“
03. „Persona“
04. „Martyr“
05. „Vanity“

Live: Gel

22.06.2024 Gräfenhainichen – Full Force Festival
28.06.2024 Münster – Vainstream Rockfest
01.07.2024 Köln – MTC (ausverkauft)
02.07.2024 Wiesbaden – Kesselhaus
03.07.2024 Hamburg – Headcrash

Spiel, Satz und Sieg

Für die Besucher des Tennisturniers in New Rochelle sind die beiden Finalteilnehmer lediglich Kontrahenten auf dem Platz. Doch die Spieler, die sich da gegenüberstehen waren einmal Freunde und sind immer noch in dieselbe Frau verknallt.

Dabei könnten sie unterschiedlicher kaum sein: Art Donaldson (Mike Faist, „West Side Story“) versucht sein Comeback nach einer langen Verletzungspause. Er spekuliert auf einen Platz bei den US Open, hat das Preisgeld aber eigentlich nicht nötig. Während er im Ritz Carlton übernachtet, pennt sein Gegner Patrick Zweig (Josh O’Connor, „The Crown“) im Auto oder bei gelegentlichen Tinder-Dates. Für ihn ist der Sieg in New Rochelle die letzte Chance auf eine Profikarriere. Art und Patrick haben schon als Teenager ein Zimmer geteilt und zusammen onaniert. Als sie sich beide in Tashi (Zendaya) verlieben, den aufstrebenden Star der Tenniswelt, werden sie zu Rivalen – nicht nur auf dem Platz.

Rivalen: Art (Mike Faist) und Patrick (Josh O’Connor) (Foto: Niko Tavernise / Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.)
Rivalen: Art (Mike Faist) und Patrick (Josh O’Connor) (Foto: Niko Tavernise / Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.)

Eigentlich sind die Fronten klar verteilt: Art ist mit Tashi verheiratet, Patrick pennt auf dem Parkplatz. Aber das ist nur der Auftakt für ein Liebes-Match der Extraklasse, das Regisseur Luca Guadagnino hier über 131 Minuten Spielzeit aufrollt. Dabei hat er drei der derzeit heißesten Hollywood-Stars in den Hauptrollen zu bieten und eine Hauptdarstellerin, die ihren männlichen Kollegen die Show stiehlt: Zendaya tauscht den staubigen Planeten „Dune“ gegen ein gepflegtes Hotelzimmer in der US-amerikanischen Upper Class und macht dabei eine ebenso gute Figur wie auf dem Tennisplatz.

Guadagninos Vertrauter hinter der Kamera, Sayombhu Mukdeeprom, fängt die Ball- und Partnerwechsel temporeich und stilvoll ein. Atticus Ross und Trent Reznor versehen die Partie mit treibenden Beats, und Justin Kuritzkes‘ Drehbuch führt die Fäden aus zahlreichen Rückblenden zu einem cleveren Abschluss – alles zusammengehalten von der sicheren Hand des Regisseurs: Spiel, Satz und Sieg Guadagnino.

8 / 12

Partybombe

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Los Bitchos machen nach der tanzbaren GenrePiñata ihres Debüts „Let The Festivities Begin!“ explosiv weiter. „La Bomba“ (dt. die Bombe) ist der Titel ihrer ersten Single seit Mini-EP „Pah!“ von 2023 und holt die türkische Retro-Disco von Altin Gün auf ihre eh schon riesige Tanzfläche zwischen Cumbia, Surf und 60s-Pop.

Über den von Oli Barton Wood (u.a. Nilüfer Yanya, Wet Leg) produzierten Song sagte Los-Bitchos-Mitleid Serra Petale: „‚La Bomba‘ ist ein Ausbruch von Energie und Kraft! Es ist einfach ein so lustiger Song – wir haben ihn letzten Sommer auf Festivals gespielt und die Energie fühlte sich so gut an!“, so die Gitarristin. „Der Einfluss der Disco-Ära ist in diesem Song ziemlich offensichtlich, und ich denke, dass die Bassline den Ton dafür perfekt setzt. Strukturell geht der Song direkt in einen Refrain über. Wir wollten den Song so nah wie möglich an einer klassischen Pop-Struktur halten, alles direkt auf den Punkt bringen. Das Tüpfelchen auf dem i sind die kleinen Ping-Pong-Drum-Sounds, die den Song so richtig in Schwung bringen und das Gefühl von Euphorie und purer Energie vermitteln, das ihn durchzieht.“

Auch im Video setzen die Wahl-Londonerinnen auf ordentlichen Disco-Grandezza: „Wir hatten so viel Spaß mit Make-up und Styling für dieses Video. Josefine hat diese Sache auf TikTok gesehen, bei der man so filmt, dass es aussieht, als würde man auf einem Pferd reiten, also haben wir das natürlich ausprobiert und in letzter Minute am Set in das Video eingebaut“, so Petale zum Clip.

Los Bitchos kündigen heute außerdem eine Europa-Tour für Oktober, November und Dezember an, mit ihrer bisher größten Headline-Show in London. Tickets gibt es über die Bandwebseite. Ob sie dann auch ein neues Album dabeihaben werde, verrieten sie aber noch nicht.

Live: Los Bitchos

17.05.24 Stuttgart – About Pop
18.11.24 München – Strom
22.11.24 Berlin – Festsaal Kreuzberg
25.11.24 Hamburg – Knust
03.12.24 Köln – Gebaeude 9

Im Sommer zurück in Deutschland

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Erst letztes Jahr im November hat die US-Post-Punk-Band Protomartyr vier Konzerte in Deutschland gespielt. Jetzt kommt die Band erneut für zwei Konzerte im August nach Deutschland im Rahmen ihrer „Six Nights In August“-Tour.

 

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Im vergangenen Juni haben Protomartyr ihr neues Album „Formal Growth In The Desert“ veröffentlicht, auf dem Frontmann Joe Casey mithilfe von Wüstenmetaphorik den Tod seiner Mutter reflektiert. Im August haben Fans nun die Chance, die Band in Köln und Berlin live zu sehen. Der Vorverkauf startet am Freitag, 26. April, um 11 Uhr an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

VISIONS empfiehlt: Protomartyr

20.08.2024 Köln – Gebäude 9
21.08.2024 Berlin – Lido

Typveränderung

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Buzzcuts (alles auf drei Millimeter!) sind gerade angesagt, wie nie zuvor. Das hat wohl auch die selbsternannte „Riot-Riff-Rock“-Band Nastiriff mitgekriegt. So rasiert sich Frontmann Gavin Willmers selbst kurzerhand im Musikvideo zu ihrer Debütsingle „Suck It“ seine langen Haare ab. Nebenbei wird ihm allerdings von seinen Bandkollegen auch noch das T-Shirt vom Leib gerissen und später wird er von selbigen mit Farbe übergossen, während er unbeeindruckt aber wütend weiter in die Kamera singt.

„Suck It“ verkörpert mit seinem wütenden und zugleich provokanten Text eine Lebenseinstellung, die dazu ermutigen soll, sich der Negativität zu widersetzen und eine unbeschwerte Haltung einzunehmen. Inspiriert vom rebellischen Geist von Liam Lynchs „This Is My United States of Whatever“, strebte Willmers danach, ein ähnliches Gefühl auf seine ganz eigene Art und Weise einzufangen. Trotz und Empowerment schlägt einem die Band aus Kapstadt förmlich ins Gesicht, wobei die Texte zwischen Englisch und Afrikaans wechseln.

Über den Prozess des Songwritings sagt Sänger Willmers: „Ich glaube, ich musste einfach sagen: ‚Fick dich, ich bin fertig mit deinem Scheiß und du bist mir wirklich egal‘, aber auf eine lustige Art und Weise.“ Die Alternative-Punk-Band hat erst vor kurzem einen personellen Wechsel durchlaufen und bildet mit dem neuen Drummer Slade Stephenson, der auch im Video zu sehen ist, nun ein Trio.

Die Debütsingle von Nastiriff erscheint am 26. April und kann bereits jetzt vorgemerkt werden.

Soko Linx

„Die beste Band der Welt (Abk. Die Ärzte) hat circa drölfmilliarden Lieder geschrieben, aufgenommen und veröffentlicht. Viele dieser Werke haben sich im kollektiven Musikgedächtnis des deutschsprachigen Raumes verbarrikadiert. Dennoch gibt es Songs dieser Band, die nur am Rande oder gar nicht von der breiten Masse wahrgenommen werden. Siko Lonx und Oxon Kils, Sänger der Tanzkapelle Soko Linx, haben zehn dieser unbekannteren Perlen ans Tageslicht geholt und präsentieren sie jetzt dem Mainstream. Warum ausgerechnet Soko Linx diese Aufgabe anheimfällt, wird wohl für immer ein maskiertes Geheimnis bleiben …“

01. „Rennen nicht laufen!“

Siko Lonx: Wie ich finde einer der untypischsten Die-Ärzte-Songs überhaupt. Er fängt mit einer Fanfare an, die ganz am Ende des Albums „Im Schatten der Ärzte“ (1985) rückwärts abgespielt noch einmal erklingt. Denn ursprünglich sollte das Album mit diesem Lied beginnen. Aber nach Willen der Plattenfirma kam es doch anders und es wurde auf den 5. Platz in der Tracklist verwiesen. Der Song wird selbst von der Band brutal unterschätzt. Denn es gibt von ihm weder eine Live-Version noch eine weitere Veröffentlichung auf einem anderen Tonträger (vom „Seitenhirsch“ mal ausgenommen). Im Text wird die Geschichte eines jungen Menschen beschrieben. Offensichtlich erfuhr er viel Ablehnung im Laufe seines Lebens. Aufgrund dieser Erlebnisse ist aufgeben keine Option mehr für ihn. Somit schlägt er sich nun rennend durch trotz aller Widrigkeiten. Verbissen und vermutlich komplett auf sich allein gestellt, denn er rennt so schnell, dass sich viele vor ihm fürchten. Doch scheint er dabei ohne Kompromisse viel zu viel von sich selbst abzuverlangen und lässt somit wohl keine Pausen zu. Wahrscheinlich aus dem Wunsch heraus, nie mehr wieder „zu verlieren“. Das hat etwas sehr Tragisches. Ich glaube, in einem ihn liebenden und ihn anerkennenden Umfeld wäre dieser Mensch zu anderen Überzeugungen gekommen. Ob er jemals wieder stehenbleiben und innehalten kann, löst der Song nicht auf.

02. „Liebe und Schmerz“

Oxon Kils: Vielleicht eines der schönsten Liebeslieder (und auch Schmerzlieder) überhaupt von der besten Band der Welt aus der Feder des Stehtrommlers. 1998 auf dem Überalbum „13“ erschienen, fristet dieser Song eher ein Schattendasein im musikalischen Ärzte-Kosmos. Liebeslieder kann die Band. Allen voran Farin Urlaub. Dies dürfte hinlänglich bekannt sein. Das Album „13“ hätte auch „Eine Stunde Hitkunde“ heißen können, derart viele Ärzte-Klassiker befinden sich auf dieser Langspielplatte. Da hat es „Liebe und Schmerz“ schwer sich gehörig in Szene zu setzen. Dennoch reiht der Song sich zwischen all den Evergreens nahtlos als musikalisches Kleinod in das Album ein und wertet dieses auf, ohne es zu merken. „Liebe und Schmerz“ gehört schon jetzt präventiv auf jede Trennungsschmerzkompilationskassette für die Regentage des Herzens.

03. „Shit Piece“

Siko Lonx: Dieser Song hat es noch nicht mal auf den „Seitenhirsch“ geschafft. Frechheit! Dabei enthält er doch alles, was einen guten Die-Ärzte-Song ausmacht. Eingängige Hook im Refrain mit E-Gitarren auf Anschlag und mehrstimmige Uhus von Farin Urlaub. Gekonnt kontrastiert wird der Chorus durch die reggae-esken Strophen. Außerdem sticht er heraus, weil dieses Lied eines der wenigen ist, dass in englischer Sprache verfasst wurde. Ursprünglich ist das Lied auf dem Sampler „Extreme Terror“ (2000) erschienen, fälschlicherweise (Who knows?) mit dem Titel „Shit Peace“. Absolutes Nerdwissen. Diesen Sampler besitze ich sogar. Warum auch immer.

04. „Dobly“

Oxon Kils: Eine B-Seite der ersten Singleauskoppelung des letzten DÄ-Albums „Dunkel“ (2021). Für mich ist dieses Lied ein Hit. Eigentlich sogar ein Überhit. Absurder Text, eingängige Melodie. Farin singt an Bela und Rod gerichtet, dass er sich einen Synthie gekauft hat und untermauert dies musikalisch eindrucksvoll. Warum dieses Lied nicht direkt auf den sowieso mit Songs überladenen „Hell“/“Dunkel“-Alben erschien, weiß die Band wohl nur selbst. Richtig Ärzte-like wäre es eigentlich sogar gewesen, wenn das die erste Single des Albums gewesen wäre. Oder zumindest die zweite. Oder dritte. Aber egal. Ich geh mir jetzt einen Synthie kaufen …

05. „Die Welt ist schlecht“

Siko Lonx: Eines der wenigen Lieder, das aus der Feder von Farin Urlaub und Bela B stammt. Bela schrieb den Text auf das bereits bestehende Instrumental von Farin Urlaub mit dessen Vorgabe, dass die Zeile „Die Welt ist schlecht“ Verwendung finden muss. Entstanden ist ein Song, in dem die Geschichte eines Mannes erzählt wird, der von seiner Freundin verlassen wurde, um nur etwas später mit anfänglicher Skepsis ein neues Liebesglück in den kraftvollen und doch zärtlichen Armen eines anderen, warmherzigen Mannes zu finden. Heteronormative Standards wurden von Die Ärzte nicht nur in diesem Lied, sondern immer wieder mal humoristisch aufgebrochen und somit infrage gestellt. Die Melodie ist eingängig und der Text mit dem Twist am Ende einfach mal wieder gutes Storytelling à la Bela B. Nur steht das für mich leider schon auch im deutlichen Widerspruch zu manchen Ansagen der Die Ärzte, die letztes Jahr mit Recht einen gewissen Shitstorm im Internet auslösten.

06. „Quadrophenia“

Oxon Kils: Wieder eine B-Seite. Dieses Mal aus der Singleauskopplung „Zeidverschwändung“ des Albums „Auch“ (2012). B-Seiten kann die Band. „Quadrophenia“ – ein Lied von Rodrigo González. Die Stücke von Rod, vielleicht mal abgesehen von „1/2 Lovesong“ und „Dinge von Denen“, stehen wie ich mittlerweile bei Rockkonzerten eher in den hinteren Reihen. Unverdienterweise. Rod schreibt sehr schöne Ärzte-Songs. Ob nun „nur“ musikalisch beteiligt (z.B. „Friedenspanzer“, „Die Banane“) oder aber auch textlich (u.a. „Rock’n’Roll Übermensch“, „Anti-Zombie“, „Breit“, „Polyester“) – der Chilemann aus BRD hat es mir mit seinen Liedern angetan. „Quadrophenia“, für mich ganz klar eine A-Seite, steht dafür stellvertretend. Rod – we love you!

Siko Lonx:
Hier stimme ich in allen Punkten zu. Der Song ist einfach ein kleines Meisterwerk, das viel zu wenig Aufmerksamkeit genieszt.

07. „Sex Me, Baby“

Siko Lonx: Dass es dieser Song nicht aufs Album „Planet Punk“ (1995) geschafft hat, ist mir nach wie vor ein unerklärliches Rätsel. Das Gitarrenriff u. a. im Intro von Rod holt mich auch jetzt noch nach fast 30 Jahren total ab. Auch klingt Rods Gesang irgendwie anders als bei anderen Songs. Nur der Text wirkt auf mich inhaltlich doch irgendwie schlecht gealtert und hinterlässt hier und da ein kleines Störgefühl. Vor allem an der Stelle, wo das lyrische Ich bei dem Thema Abtreibung plötzlich Lust auf Sex bekommt. Für mich nicht ganz nachvollziehbar. Aber wir betrachten diesen Song einfach mal als Zeugnis seiner Zeit. Denn dieser inhaltliche Diskurs liest sich konsequenterweise auch auf andere Songs dieses Jahrzehnts wie „Alles aus Liebe“ (1993) von Die Toten Hosen erweitern, in dem das lyrische Ich sogar einen Femizid aus Liebe gnadenlos romantisiert.

08. „Freundschaft ist Kunst“

Oxon Kils: Ein Stück von Bela B aus dem Album „Auch“ (2012). Einem Album, das bei Fans und Kritikern ungerechtfertigt gehörig unter dem Radar mäandert. Mit Liedern wie „Tamagotchi“, „Fiasko“, „Cpt. Metal“, „Angekumpelt“ (ROD <3!), „M&F“, „Ist das noch Punkrock?“ oder eben „Freundschaft ist Kunst“ hat der Longplayer für mich reihenweise gute Musik zu bieten. Letzteres Stück setzt sich bitterböse und zynisch mit Menschen aus der Kunstbranche auseinander, die sich wohl für etwas Besseres halten und deren Darmwinde scheinbar angenehmer riechen als die herkömmlicher Erdenbewohner:innen. Das lyrische Ich des Liedes begibt sich in die tiefen Abgründe der Künstler:innenszene, hängt in dieser rum und weiß dabei mit vortrefflichen Aussagen zu glänzen: „Sie leben exzessiv, nur in der Enge frei. Sie sind stets depressiv und haben ihren Spaß dabei.“ Ganz große Kunst.

Siko Lonx: Auch bei mir fällt das Album trotz einiger guter Songs als Gesamtwerk durch. „Freundschaft ist Kunst“ ist da einer der Songs, den ich in seiner ironischen Überheblichkeit sehr unterhaltsam finde.

09. „Am Ende meines Körpers“

Siko Lonx: Dieser Song enthält einen der absurdesten und aberwitzigsten Texte der Bandgeschichte von Die Ärzte. Den Hardcore-Musikkenner:innen wird dabei die Ähnlichkeit zum Lied „Astronomy Domine“ nicht entgangen sein, die ich als eine wertschätzende Verbeugung und gelungene Reminiszenz an das Frühwerk von Pink Floyd um den damaligen Sänger und Gitarristen Sid Barrett verstehe. Doch wie „Am Ende meines Körpers“ führt in meiner Wahrnehmung das gesamte Album „Le Frisur“ (1996) zu Unrecht eher eine Nischenexistenz als unliebsames Sandwichkind zwischen „Planet Punk“ und „13“. Dabei sticht dieses Album wie alle Alben der 1990er der Die Ärzte für mich als besonders gelungen hervor. Denn der Humor der besten Band der Welt erreichte in dieser Dekade nach meinem Verständnis seinen absoluten Höhepunkt. Zusätzlich ist der Sound dieser Platte noch der konsistent härteste und raueste, den Die Ärzte nur kurz davor, aber danach bis jetzt nie wieder mehr erreichten. „Am Ende meines Körpers“ ist deswegen eine universale Hörempfehlung für alle Menschen, die einen Sinn haben für surreale Texte sublimiert durch psychodelische Harmonien. Eine Klimax der Groteske.

10. „Himmelblau“ (Economy Version)

Oxon Kils: (Die durchs Internet surfenden Ärzte-Nerds hören ab hier bitte auf zu lesen, ihr wisst das doch eh alles schon und könnt woanders weiterreiten.) Ende 2007 erschien von der „Jazz ist anders“ eine Economy Version. Das reguläre Album wurde neu vertont und eingespielt, Texte und Musikstile nach Herzenslust verändert. Gleich zu Beginn ertönt wie im Original das Lied „Himmelblau“. Jedoch ist der Himmel dieses Mal grün, woran die Russen schuld sind. Weiterhin wird die Frage aufgeworfen, warum „wir“ für Gas und damit verbundener Wärme bezahlen sollen. Unter Freunden sei dies nicht üblich. Zitat Farin: „Mensch Putin, gib dir mal nen Stoß! Wir wollen nicht frieren, wir sind alle Freunde! […] Schon mal was von Druschba gehört? Druschba heißt Freundschaft und Freundschaft heißt Menschen warmzuhalten!“ Insgesamt eine Albumversion, welche mir sehr viel Freude bereitet und in diesem speziellen Fall mit einem herrlich absurden Text. Dieser kam mir unvermittelt wieder in den Sinn, als fucking Despoten-Putin und Russand vor zwei Jahren die Ukraine überfielen. Nicht das dies lustig wäre, mitnichten. Die anschliessend geführte Debatte um die Energieversorgung Deutschlands und die bis dahin resultierende Abhängigkeit von russischem Gas hoben den Text jedoch auf eine Aktualität, die seinerzeit zum Erscheinen des, nun ja, Albums noch nicht in der Form gegeben war. Die Band bewies ungeahnten Weitblick. Die Ärzte – Die Simpsons der Musikbranche. (Ey, Ärzte-Nerds, noch da?! Hat Farin nun eine Freundin? Wisst ihr da was Noise?)

Mit „Blosz keinen Stresz“ erscheint am 26. April das neue Album von Soko Linx über Bakraufarfita.

Bunt in schwarzen T-Shirts

Das Desertfest findet zum zweiten Mal auf dem Gelände am Columbiadamm, direkt gegenüber vom Flughafen Tempelhof statt. Gibt es auf dem Gelände in diesem Jahr irgendwelche Neuerungen, Veränderungen oder Optimierungen?

Matte Vandeven: Das Set-up bezüglich des Aufbaus bleibt im Grunde gleich: Die Hauptbühne ist in der Columbiahalle, die zweite Bühne im Columbiatheater. Der Innenhof dazwischen wird von uns wieder mitgenutzt: als Biergarten, Merch-Area mit Food-Ständen und natürlich einer Pop-up-Stage mit diversen Überraschungsacts. Freitags wird es im Silverwings, dem Gebäude direkt gegenüber der Columbia-Venues, eine Aftershow-Party geben. Manch angedachte Neuerung ist wegen Auflagen nicht möglich, an verrückten Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht. Aber neben den Bühnen wird es auch in diesem Jahr genug gemütliche Eckchen zum Abhängen geben.

Die Doom-Miterfinder Pentagram werden 2023 eine ihrer Abschiedsshows auf dem Desertfest spielen. Gerade Bobby Liebling ist vom Leben und den Drogen gezeichnet und mit 70 eh längst im Rentenalter. Was bedeutet das für einen Veranstalter wie dich, wenn so eine Legende abtritt?

Bobby Liebling ist eine sehr kontroverse Person mit einem sehr extremen Lebenslauf. 2013 hatten wir die Band schonmal auf unserem zweiten Desertfest, und schon damals dachte ich, das könnte die letzte Tour gewesen sein. Als nun das Angebot für eine Abschiedsshow kam, wollten wir das auf jeden Fall machen. Es treten derzeit und in näherer Zukunft so einige Legenden ab, und vieles ändert sich – an Lifestyle und Lebensentwürfen. Es ist gut, dass es auch heute immer noch junge Musiker:innen gibt, die ihre Musik wirklich voll und ganz leben, und es wird spannend zu sehen, wer die Legenden der Zukunft sein werden.

Noch bemerkenswerter als der Abtritt von Bobby Liebling ist der Auftritt von Arthur Brown und dessen Crazy World. Der Brite – auch bekannt als The God Of Hellfire – ist mittlerweile 81 Jahre alt und gilt als der Erfinder des Okkultrock mit seinen theatralischen Performances mit Make-up und brennender Öllampe auf dem Kopf. Wie hat sich das ergeben, dass dieses lebende Fossil dabei ist?

Arthur Brown ist tatsächlich eine lebende Legende. Man muss ihn wirklich mal live gesehen haben. Mir selbst war das mehrmals beim Burg Herzberg Festival vergönnt. Seine Bühnenperformance war jedes Mal überwältigend. Unser junger Mitarbeiter Jakob hat mit seiner Band Ende letzten Jahres vor Arthur Brown gespielt und war massiv beeindruckt. Einen Musiker, der so generationenübergreifend rockt, wollten wir gerne dabei haben.

Ein enormes Problem der Booking-Branche ist, dass neben steigenden Durchführungskosten auch Bands immer teurer werden. Gleichzeitig wollen Veranstaltende den Eintrittspreis so klein wie möglich halten. Wie hat sich das für das diesjährige Desertfest gestaltet?

Naja, eben genau wie du sagt! Es ist immer wieder goldig, wenn Besucher darüber spekulieren, wie viel Kohle man mit so einem Festival verdienen kann. Wir sind hingegen jedes Jahr erleichtert, wenn wir nicht mit einem Defizit herausgehen und tun unser Bestes, die Ticketpreise so knapp wie möglich zu kalkulieren. Wir wissen ja, dass viele unserer Gäste – vor allem die internationalen – ja auch mit anderen steigenden Kosten zu kämpfen haben, wie Übernachtung und Anreise. Durch das am gleichen Wochenende stattfindende Fußball-Pokal-Endspiel in Berlin etwa steigen direkt die Hotelpreise – aber eben nicht für Gäste, sondern auch für die Crew. Für das, was wir beim Desertfest bieten, sind die Preise für den Drei-Tages-Pass beziehungsweise die Tageskarten wirklich mehr als angemessen, würde ich behaupten.

Als Veranstaltender arbeitet man ein Jahr lang an so einem Festival. Wenn dann alles läuft, die Gäste da sind und eine Band nach der anderen auf der Bühne steht, dann habt ihr oft gar nicht die Zeit, euch irgendwas selbst anzusehen, weil es permanent was zu tun oder jemanden zu begrüßen gilt. Aber: Worauf freust du dich in diesem Jahr am meisten, für welche Band schaltest du dein Funkgerät aus?

Am meisten freue ich mich auf ALLES, das Gesamtpaket: Liebgewonnene Bands, Musiker:innen, die ich seit Jahren oder Jahrzehnten kenne, genauso wie Besucher:innen, Freunde – ein bisschen wie ein sehr großes Familientreffen. Doors open – die Leute kommen rein; wenn dann alles klappt und ich sehe, wie sich Menschen glücklich begrüßen, ihre Bands feiern, sich freuen – das sind für mich die schönsten Momente. Viele Jahre lang haben wir versucht, die Desert-Rock-Kultband Masters Of Reality zum Desertfest zu holen. Das hat in diesem Jahr endlich geklappt, und den Auftritt der Band am Sonntagabend versuche ich nicht komplett zu verpassen.

Viele Veranstaltende müssen sich zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, dass das Line-up kaum divers ist. In einer von bärtigen Männern dominierten Szene zwischen Doom, Sludge und Stoner ist das sicher noch schwerer als etwa im breiten Pop-Spektrum. Bei insgesamt 26 Bands spielen auf dem Desertfest in diesem Jahr bei fünf weibliche gelesene Personen mit. Gibt es da Beschwerden, fordern die Festivalbesucher:innen mehr Diversität?

Beschwerden gibt es keine, aber natürlich auch kein extra ausgesprochenes Lob, so wie in den zwei vergangen Jahren: Da hatten wir einen weitaus höheren Anteil an weiblich gelesenen Personen. Das ist mir grundsätzlich ein Anliegen. Ich finde es super, wie divers unsere Künstleri:innen und unser Publikum sind. Aber quantitativ klappt das eben manchmal aus verschiedensten Gründen nicht immer. Earth Tongue aus Neuseeland finde ich zum Beispiel absolut Hammer. Apropos Hammer: Etwa Thronehammer spielen ja nicht, weil sie eine Frontfrau haben, sondern weil sie gute Musik machen. Die bärtigen Männer mögen zwar dominieren, gleichzeitig ist die Szene offen, und ich würde sagen, viel bunter kann eine Besucherschar in schwarzen T-Shirts kaum sein. Rassismus, Diskriminierungen oder Gewalt im Allgemeinen passt halt überhaupt nicht in unsere Szene.

Tickets und weitere Infos zum diesjährigen Desertfest findet ihr auf der Webseite des Festivals.

Dysfunktional wäre eine Untertreibung

In mehreren Akten folgt Matthias Glasners („Sexy Sadie“) autobiografisch geprägter Film der Familie Lunies. Sie dysfunktional zu nennen, wäre eine Untertreibung. Die todkranke Mutter Lissy (Corinna Harfouch) erklärt ihrem beziehungsunfähigen Sohn Tom (Lars Eidinger), dass sie ihn eigentlich nie leiden konnte, ihre Tochter Ellen (Lilith Stangenberg) betäubt ihre familiären Verletzungen mit Alkohol, während Vater Gerd (Hans-Uwe Bauer) langsam von seiner Parkinson-Krankheit aufgefressen wird.

„Sterben“ ist geprägt von kaputten Beziehungen auf allen Ebenen: Tom dirigiert ein Stück seines depressiven Freundes Bertrand, einem Choleriker, der seine Freundin schlägt, zugleich ist Tom so etwas wie der soziale Vater des Kindes seiner Ex-Freundin Liv. Ellen säuft und vögelt sich mit ihrem Chef, einem verheirateten Zahnarzt, durchs Hamburger Nachtleben, und Mutter Lissy verströmt selbst ihrer fürsorglichen Nachbarin gegenüber Eiseskälte.

„Sterben“ lebt vom herausragend besetzten Ensemble. Das spielt so mitreißend, dass der Film es nicht nötig hat, Emotionen durch Musik zu simulieren. Das Auseinanderbrechen der Familie Lunies, aber auch das prekäre Künstlerleben von Tom tragen die drei Stunden. Immer wieder gelingen Regisseur Glasner trotz des existentiellen Themas auch komische Momente, wobei „Sterben“ gerade im ersten Akt in seiner Inszenierung an „Vortex“ von Gaspar Noé erinnert – nicht die schlechteste Referenz.

10 / 12

Albtraum Mutterschaft

Ehefrau und Mutter zu sein ist doch der Traum jeder Frau. Oder? In der Welt von „Die Knochenfrau“ sind diese festgefahrenen Rollenbilder zumindest noch omnipräsent. Regisseurin und Drehbuchcoautorin Michelle Garza Cervera haucht in ihrem ersten Spielfilm der mexikanischen Volkssage um die Knochenfrau „La Huesera“, die junge Frauen verfolgt, neues Leben ein.

Valeria (Natalia Solián) hadert mit ihrer Mutterschaft
Valeria (Natalia Solián) hadert mit ihrer Mutterschaft

In ihrem folkloristischen Horrordrama verschmilzt diese mystische Figur mit der werdenden Mutter Valeria (Natalia Solián), deren anfängliche Freude über ihre lang ersehnte Schwangerschaft schnell Angst und Stress weicht. Ihre zunehmende Anspannung – geschürt von ihrer Familie, die sie in die klassische Mutterrolle drängt und ihr gleichzeitig vermittelt, dass sie dieser nicht gerecht werden kann – äußert sich nicht nur im permanenten, markerschütternden Knacken ihrer Finger- und Rückenknochen, sondern auch in grausamen Visionen und Paranoia.

Für Valeria scheint schnell klar: Sie wird von bösen Geistern bedrängt. Dass hinter dem Body-Horror und den übernatürlichen Geschehnissen jedoch mehr steckt, wird zumindest den Zuschauer:innen schnell klar. Als Valerias Werkstatt wie selbstverständlich einem Kinderzimmer weichen muss, und später, als Valeria ihre Ex-Freundin aus ihrer rebellischen Jugend aufsucht, drängt sich die Erkenntnis in den Vordergrund, dass eine Schwangerschaft für viele Frauen nicht nur die größte Freude, sondern auch der größte Stress und die größte Unsicherheit ihres Lebens sein können. Gleichzeitig wirkt die hier dargestellte Häuslichkeit mehr und mehr wie ein Gefängnis, wie eine schleichende Selbstaufgabe, und man fragt sich: Will Valeria das überhaupt? Oder denkt sie nur, dass sie das wollen muss?

Cervera inszeniert diesen vielschichtigen Horror einfühlsam und bedrückend mit effektivem Sounddesign und einigen großartigen Bildern, verliert sich jedoch auch gerne in langatmigen Nichtigkeiten, ohne wirklich auf den Punkt zu kommen. Wer sich in der Schnittmenge von „Hereditary“ und „Rosemary’s Baby“ wohlfühlt, sollte diesen Film nicht verpassen.

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