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Interview: Diversität und Legenden beim Berliner Desertfest 2024

Das Desertfest und seine Szene

Bunt in schwarzen T-Shirts
Vom 24. bis zum 26. Mai findet wieder in Berlin das Desertfest statt. Wir sprachen mit Veranstalter Matte Vandeven über Höhepunkte im Line-up, die Kosten beim Booking und die Diversität der Szene.
Matte Vandeven (Foto: Sound Of Liberation)
Matte Vandeven (Foto: Sound Of Liberation)

Das Desertfest findet zum zweiten Mal auf dem Gelände am Columbiadamm, direkt gegenüber vom Flughafen Tempelhof statt. Gibt es auf dem Gelände in diesem Jahr irgendwelche Neuerungen, Veränderungen oder Optimierungen?

Matte Vandeven: Das Set-up bezüglich des Aufbaus bleibt im Grunde gleich: Die Hauptbühne ist in der Columbiahalle, die zweite Bühne im Columbiatheater. Der Innenhof dazwischen wird von uns wieder mitgenutzt: als Biergarten, Merch-Area mit Food-Ständen und natürlich einer Pop-up-Stage mit diversen Überraschungsacts. Freitags wird es im Silverwings, dem Gebäude direkt gegenüber der Columbia-Venues, eine Aftershow-Party geben. Manch angedachte Neuerung ist wegen Auflagen nicht möglich, an verrückten Ideen mangelt es uns jedenfalls nicht. Aber neben den Bühnen wird es auch in diesem Jahr genug gemütliche Eckchen zum Abhängen geben.

Die Doom-Miterfinder Pentagram werden 2023 eine ihrer Abschiedsshows auf dem Desertfest spielen. Gerade Bobby Liebling ist vom Leben und den Drogen gezeichnet und mit 70 eh längst im Rentenalter. Was bedeutet das für einen Veranstalter wie dich, wenn so eine Legende abtritt?

Bobby Liebling ist eine sehr kontroverse Person mit einem sehr extremen Lebenslauf. 2013 hatten wir die Band schonmal auf unserem zweiten Desertfest, und schon damals dachte ich, das könnte die letzte Tour gewesen sein. Als nun das Angebot für eine Abschiedsshow kam, wollten wir das auf jeden Fall machen. Es treten derzeit und in näherer Zukunft so einige Legenden ab, und vieles ändert sich – an Lifestyle und Lebensentwürfen. Es ist gut, dass es auch heute immer noch junge Musiker:innen gibt, die ihre Musik wirklich voll und ganz leben, und es wird spannend zu sehen, wer die Legenden der Zukunft sein werden.

Noch bemerkenswerter als der Abtritt von Bobby Liebling ist der Auftritt von Arthur Brown und dessen Crazy World. Der Brite – auch bekannt als The God Of Hellfire – ist mittlerweile 81 Jahre alt und gilt als der Erfinder des Okkultrock mit seinen theatralischen Performances mit Make-up und brennender Öllampe auf dem Kopf. Wie hat sich das ergeben, dass dieses lebende Fossil dabei ist?

Arthur Brown ist tatsächlich eine lebende Legende. Man muss ihn wirklich mal live gesehen haben. Mir selbst war das mehrmals beim Burg Herzberg Festival vergönnt. Seine Bühnenperformance war jedes Mal überwältigend. Unser junger Mitarbeiter Jakob hat mit seiner Band Ende letzten Jahres vor Arthur Brown gespielt und war massiv beeindruckt. Einen Musiker, der so generationenübergreifend rockt, wollten wir gerne dabei haben.

Ein enormes Problem der Booking-Branche ist, dass neben steigenden Durchführungskosten auch Bands immer teurer werden. Gleichzeitig wollen Veranstaltende den Eintrittspreis so klein wie möglich halten. Wie hat sich das für das diesjährige Desertfest gestaltet?

Naja, eben genau wie du sagt! Es ist immer wieder goldig, wenn Besucher darüber spekulieren, wie viel Kohle man mit so einem Festival verdienen kann. Wir sind hingegen jedes Jahr erleichtert, wenn wir nicht mit einem Defizit herausgehen und tun unser Bestes, die Ticketpreise so knapp wie möglich zu kalkulieren. Wir wissen ja, dass viele unserer Gäste – vor allem die internationalen – ja auch mit anderen steigenden Kosten zu kämpfen haben, wie Übernachtung und Anreise. Durch das am gleichen Wochenende stattfindende Fußball-Pokal-Endspiel in Berlin etwa steigen direkt die Hotelpreise – aber eben nicht für Gäste, sondern auch für die Crew. Für das, was wir beim Desertfest bieten, sind die Preise für den Drei-Tages-Pass beziehungsweise die Tageskarten wirklich mehr als angemessen, würde ich behaupten.

Als Veranstaltender arbeitet man ein Jahr lang an so einem Festival. Wenn dann alles läuft, die Gäste da sind und eine Band nach der anderen auf der Bühne steht, dann habt ihr oft gar nicht die Zeit, euch irgendwas selbst anzusehen, weil es permanent was zu tun oder jemanden zu begrüßen gilt. Aber: Worauf freust du dich in diesem Jahr am meisten, für welche Band schaltest du dein Funkgerät aus?

Am meisten freue ich mich auf ALLES, das Gesamtpaket: Liebgewonnene Bands, Musiker:innen, die ich seit Jahren oder Jahrzehnten kenne, genauso wie Besucher:innen, Freunde – ein bisschen wie ein sehr großes Familientreffen. Doors open – die Leute kommen rein; wenn dann alles klappt und ich sehe, wie sich Menschen glücklich begrüßen, ihre Bands feiern, sich freuen – das sind für mich die schönsten Momente. Viele Jahre lang haben wir versucht, die Desert-Rock-Kultband Masters Of Reality zum Desertfest zu holen. Das hat in diesem Jahr endlich geklappt, und den Auftritt der Band am Sonntagabend versuche ich nicht komplett zu verpassen.

Viele Veranstaltende müssen sich zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, dass das Line-up kaum divers ist. In einer von bärtigen Männern dominierten Szene zwischen Doom, Sludge und Stoner ist das sicher noch schwerer als etwa im breiten Pop-Spektrum. Bei insgesamt 26 Bands spielen auf dem Desertfest in diesem Jahr bei fünf weibliche gelesene Personen mit. Gibt es da Beschwerden, fordern die Festivalbesucher:innen mehr Diversität?

Beschwerden gibt es keine, aber natürlich auch kein extra ausgesprochenes Lob, so wie in den zwei vergangen Jahren: Da hatten wir einen weitaus höheren Anteil an weiblich gelesenen Personen. Das ist mir grundsätzlich ein Anliegen. Ich finde es super, wie divers unsere Künstleri:innen und unser Publikum sind. Aber quantitativ klappt das eben manchmal aus verschiedensten Gründen nicht immer. Earth Tongue aus Neuseeland finde ich zum Beispiel absolut Hammer. Apropos Hammer: Etwa Thronehammer spielen ja nicht, weil sie eine Frontfrau haben, sondern weil sie gute Musik machen. Die bärtigen Männer mögen zwar dominieren, gleichzeitig ist die Szene offen, und ich würde sagen, viel bunter kann eine Besucherschar in schwarzen T-Shirts kaum sein. Rassismus, Diskriminierungen oder Gewalt im Allgemeinen passt halt überhaupt nicht in unsere Szene.

Tickets und weitere Infos zum diesjährigen Desertfest findet ihr auf der Webseite des Festivals.

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