Statt Gebäude 9 heißt es kurzfristig Club Volta für Ditz, die wie ihre Vorband Hoofs ein bisschen erleichtert sind, dass genug Anwesende die kleine Hochverlegung mitbekommen haben. Nicht weil, etwa keine Karten mehr da gewesen wären, in der Venue in Köln Deutz wurden nachts zuvor offenbar Stromkabel geklaut, was zu der spontan Verlegung führt, erklärt Frontperson Cal Francis später.

Zuerst gibt es aber eine Noise-Behandlung von Hoofs aus Amsterdam. Die haben ein tragisches Jahr hinter sich, in dem sie ihren Sänger Ramón verloren haben, spielen aber mit ihrer Ersatzsängerin so befreit auf, dass man ihre Katharsis, die auch ihren Songs innewohnt, deutlich spüren kann. Gitarrist Thomas Huikeshoven schreit jede einzelne Zeile mit, ohne auch nur ein Mikro in Sichtweite zu haben und Steve-Albini-Lookalike Richard Lagerweij, ebenfalls an der Gitarre, dirigiert seine Kollegen hochkonzentriert durch die paar technischen Probleme. Wie Hoofs ihrem eigenen brachialen Sound mit Vibe und Groove trotzen und sich nicht auf angepissten Parolen ausruhen, hat durchaus große Momente.

Ditz lassen sich zunächst noch etwas bitten, Francis und Gitarrist Jack Looker rauchen noch auf dem Innenhof ein paar Zigaretten, während von der Dunkelheit der Bühne eine Art morbide Horrorfilm-Sounds dröhnen. Spannung können Ditz, das beweist nicht zuletzt ihr aktuelles Album „Never Exhale“ – live entlädt sich diese bei der Band aus Brighton aber ungleich monumentaler.

Das erste Mal lösen sie die Spannung mit „Taxi Man“, was sich mechanisch nach vorne schiebt und Francis im knallroten Kleid direkt aufs teilweise kostümierte Kölner Publikum befördert. Von irgendwo fliegt Glitzer in die Luft. Die Chemie stimmt auf Anhieb – auch wenn sich Francis nur selten mit Never-Ending-Bitchface und lakonischer Eleganz was anmerken lässt. Vor allem dann, wenn Francis mit nur wenigen Handbewegungen und gespielt gelangweilt die Menge auseinandertreibt, um sie zu den massiven Noise-Kaskaden zwischen Industrial- und Punk-Ausbrüchen wieder aufeinanderprallen zu lassen.

So brutalistisch und ernsthaft, dass auch alles daherkommt, steht aber der Spaß an diesem Exzess für Ditz im Vordergrund. Nach einer guten halben Stunde steigt Francis von der Bühne und teilt mit dem über den Boden schleifenden Mikrokabel den Saal, während die Band weiter dem fröhlichen Gemetzel frönt. Dabei fällt Francis auch die Fotobox in der hintersten Ecke des Club Volta auf, läuft wortlos darauf zu und holt mit Fingerzeichen genau vier Leute für eine unverhoffte Fotosession in der Kabine ran. Das Foto gibt es am nächsten Tag bei Insta.

Abseits von Francis’ Showmaster-Qualitäten, ist die gnadenlose Tightness und schiere Klanggewalt von Ditz allein schon beeindruckend. Der gutturale Bass von Caleb Remnant fräst sich ohne Probleme durch sämtliche Eingeweide und Sam Evans ist nicht umsonst nach dem zweiten Song oben ohne: Evans prügelt so präzise und knallhart auf sein Set ein, dass man die Snare sogar im Brustkorb spürt. Dann wäre da noch die Sache mit der Spannung: Ihre Songs haben so viele Wendungen, unberechenbare Stopps und eine meisterhafte Laut-Leise-Dynamik, dass man sich permanent so fühlt, als würde man der Sprengung eines Hochhauses beiwohnen, nur weiß man nicht, wann das Ding hochgeht – und man sitzt dazu mittendrin.

Mit welcher Entschlossenheit Ditz hier vorgehen, hat nicht nur wegen des Sounds etwas von Idles, als sie noch keine großen Hallen gefüllt haben. Nur: Eint heute alle nicht ein aufgekratzter Aufruf zur Selbst- und Nächstenliebe, sondern viel mehr ein gewisser Hang zur Selbstzerstörung und ein Abgesang auf die Überreste unserer Gesellschaft. Und so eine Art von kollektivem Existenzialismus ist immerhin auch eine Art Gemeinschaftsgefühl, wenn man damit alle zum Tanzen bringt.

Nach dieser Machtdemonstration sind Ditz keinen Beweis mehr schuldig, dass sie einen ähnlichen Weg wie Idles gehen könnten – nur wünschen tut man es ihnen fast nicht, wenn man sieht, wie vor allem Francis sich ausgelassen nach wirklich jeder Show Zeit für Fans nimmt, um mit ihnen zu quatschen, Fotos zu machen und Kippen zu vertilgen als gäbe es kein Morgen.
