Timo, wie geht es dir im Nachhinein mit der Entscheidung, das Maifeld Derby nicht fortzuführen. Überwiegt Wehmut oder Erleichterung?
Die Wehmut wird mit Sicherheit noch kommen, sie steht aber gerade nicht im Vordergrund. Ich glaube, es war eine wichtige und richtige Entscheidung, die eigentlich früher hätte fallen müssen. Es gab 2019 schon einmal die Entscheidung zu einer Pause. Dann kam die Pandemie und es hat sich alles recht schnell wieder überschlagen, zum Teil bedingt durch zunächst üppigere Fördermittel. Da habe ich mich in einen kleinen euphorischen Wahn versetzen lassen und mich unreflektiert erneut zu tief in die Sache gestürzt. 2023 hätte realistischerweise ein Cut stattfinden müssen, was sowohl die Struktur als auch die Förderung des Festivals betrifft. Danach kam von der Stadt Mannheim nämlich sehr wenig an Unterstützung, insofern war die Situation vergangenes Jahr die gleiche wie 2019: ein viel zu großes Projekt, für viel zu schlanke Strukturen. Da war die Absage jetzt überfällig.
Wieviel geht damit verloren und gab es auch Zweifel?
Klar geht damit sehr vieles verloren. Das merke ich gerade jetzt, wo das Feedback auf die Absage sehr groß und rührend ist. Und natürlich war es für mich immer auch eine persönliche Veranstaltung, zum Teil eine zu persönliche Veranstaltung. Deshalb zweifle ich auch nicht an der Entscheidung.
Das klingt so, als wäre nicht ausschließlich die fehlende Rückendeckung der Stadt Mannheim ausschlaggebend gewesen.
Nein, nicht ausschließlich. Ich bin da aus der Balance gekommen, was diese Veranstaltung betrifft. Das grenzte teilweise an Selbstausbeutung. Ich habe Veranstaltungen zur Querfinanzierung des Maifeld Derbys hochgezogen und mich in gewisser Weise zum zweiten Mal verhoben. Andere machen so etwas stattdessen mit Wiesenhof und Aida als Großsponsoren. Das würde ich nie wollen. Ich wollte schließlich immer diese inhaltliche Freiheit haben. Und die habe ich mir auch genommen, aber ich habe sie teuer bezahlt.
Warum fällt es der Stadt Mannheim so schwer, Musik & Kultur angemessen zu fördern, oder begegnet dir als Wahlberliner dieses Phänomen auch anderswo?
2025 begegnet einem dieses Phänomen mehr oder weniger überall. Im Falle von Mannheim hat sich die Stadt vor zehn Jahren allerdings noch damit gerühmt, Pop-Hauptstadt zu sein, die die Förderwürdigkeit von Popkultur allerdings nie ansatzweise durchdrungen hat. Wenn sich das Nationaltheater wieder um 5 Millionen verkalkuliert, ist das kein Problem, bei mir wurde nachgefragt, was ich denn mit 100.000 Euro überhaupt machen würde. Mir sind da so Dinge entgegengeschlagen wie „Erfolgloses Rock am Ring“, weil nirgends Hochkultur draufsteht, mit Jazz, Klassik oder Theater. Dabei habe ich mich als Brückenbauer zwischen der Pop- und Hochkultur positioniert. Von Kolleg*innen aus anderen Städten habe ich in der Vergangenheit durchaus mitbekommen, dass die Förderwürdigkeit von Popkultur dort nicht immer derart erklärungsbedürftig ist. Dass Popkultur eben nicht nur bedeutet, dass Madonna in der SAP Arena spielt, sondern von der Basis her gedacht werden muss, damit bin ich in Mannheim einfach nicht durchgedrungen. Interessanterweise ist die Wertschätzung auf europäischer Ebene deutlich größer, was man an der Auszeichnung als amtierendes „Best Small Festival“ Europas erkennen kann.
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Warum funktionieren andere, vermeintlich weniger nischige Veranstaltungen wie etwa das Zeltfestival, das du ja auch organisierst, finanziell besser als das Maifeld Derby?
Naja, das hat im vergangenen Jahr auch nicht funktioniert. Das kommt noch dazu, dass auch die vermeintlich kommerzielleren Dinge seit der Pandemie immer unberechenbarer werden. Da findet irgendwo ein Wandel statt, sowohl auf Künstlerseite auch als beim Publikum. Die Planbarkeit ist extrem schwierig geworden. Trotzdem gibt es die Überlegung, das Zeltfestival weiterzuführen. Das wird sich in den kommenden Wochen entscheiden. Mit dem neuen Kulturbürgermeister ist etwas frischer Wind dazu gekommen.
Welchen frischen Wind zeichnet die bevorstehende letzte Ausgabe des Maifeld Derby aus?
Ich haben den Anspruch etwas gelockert, bei den Headlinern in jedem Fall etwas Neues zu präsentieren, weil es mir wichtig ist, den Abschluss mit Leuten zu feiern, die emotional etwas mit der Veranstaltung verbinden, wie zum Beispiel Bilderbuch, die zum vierten Mal dabei sind. Dasselbe gilt für The Notwist, die zum dritten Mal da sind. Es werden mit der nächsten Ankündigung noch mehr Wiederholungstäter folgen. Wer darauf aber keine Lust hat, darf sich sicher sein, dass parallel auf den anderen Bühnen immer was gänzlich Neues stattfindet. So wie Zaho De Sagazan, die gerade auf dem Weg zum globalen Superstar ist und deshalb zur Headlinerin wurde.
Vergangenes Jahr gab es erstmals eine zweite Open-Air-Bühne. Wie sieht das Bühnenkonzept 2025 aus?
Daran wird sich gar nicht viel ändern. Besagte Bühne ist 2024 zum absoluten Publikumsliebling avanciert. Sie war eine enorme Bereicherung und bleibt bestehen. Momentan gibt es den Plan, dort nach 23 Uhr mit Kopfhörer-Live-Acts das Programm fortzuführen.