“Clouds Hill zu betreten, das fühlt sich an, als würde man nach Hause kommen”, so sagte es Omar Rodríguez-López am Anfang der Zusammenarbeit zwischen The Mars Volta und dem Team am Billwerder Neuer Deich vor gut zwei Jahren. Nicht der einzige große Name im Umfeld von Clouds Hill. In Hamburg-Rothenburgsort haben schon so unterschiedliche Künstler wie Peter Doherty, The Killers, Die Ärzte oder Sportfreunde Stiller an Songs gearbeitet. Ursprünglich war ein Besuch vor Ort geplant, ein Gespräch inmitten der Aufnahmen von Musa Dagh, zusammen mit Produzent Moses Schneider. Corona machte dem Ganzen jedoch einen Strich durch die Rechnung, und so trifft man sich via Zoom, als alles bereits im Kasten ist. Eigentlich sind Aren Emirze und Aydo Abay als Interviewpartner angekündigt. Als das erste Fenster sich öffnet, grüßt allerdings Sascha Madsen freundlich. Madsen und Musa Dagh – ein Personalwechsel? Das ist mal ein überraschender Gesprächseinstieg. “Du wusstest das noch gar nicht?”, lacht der Madsen-Schlagzeuger. “Ich liebe dieses Projekt, genau wegen solcher Sachen!” Kurz darauf ist die Runde komplett, Emirze meldet sich, Abay kommt dazu, die Stimmung ist locker. Umkreist diese Formation mit Blick auf das namhafte Personal womöglich der Ruf eines Projekts, dann verwischt dieser Eindruck schnell, und das schon im virtuellen Beisammensein.

Unter den drei Musikern herrscht offenkundig ein vertrauter Groove. Was den heimeligen Zuhause-Faktor angeht, war die Gefühlslage insbesondere bei Sänger Abay klar ausformuliert. “Ich geh’ nicht noch mal in so einen scheiß Keller, habe ich direkt gesagt.” Das schallende Gelächter deutet an, dass Abay es wohl nicht ganz so drastisch meint. “Nichts gegen Thomas’ Proberaum, der ist echt schön und war für die erste Platte genau richtig. Aber jetzt, bei der zweiten wollte ich ein bisschen mehr Studio-Feeling, und Clouds Hill bedient für mich alles, was gut ist am Musikmachen.” Von Madsen kam die Idee, aber wieso ist der Mann überhaupt dabei, oder anders gefragt: Wo ist Thomas Götz geblieben? “Also, erstmal ist Thomas mit Nina Marie aktiv, dann hat er mit den Beatsteaks einen unglaublichen Konzertsommer hingelegt”, sagt Madsen, während Abay ergänzt. “Es ist ihm einfach zu viel geworden. Die Erwartungen von Chef Aren werden ja nicht weniger. Hier heißt das Druck, Druck, Druck.” Erneut Gelächter.
Tatsächlich absolviert Götz die Songwriting-Sessions noch mit, sein Geist steckt also im neuen Material – ein homogener Anschluss ans Debüt, dessen Schlagkraft die Beteiligten selbst überraschte. “Eigentlich hatten wir die Platte ja nur für uns gemacht. Dann sind wir mit “Halo”, der ersten Single, rausgegangen und es knallte von Null auf Hundert, die Resonanz war riesig”, erinnert sich Emirze mit Blick auf die Zeit rund um den Release von “Musa Dagh”. “Da war so eine Dankbarkeit, dass es plötzlich wieder eine Band gab mit gewissen Zügen, die in der deutschen Noiserock-Szene zuletzt etwas verloren gingen. Die Symbiose aus Thomas’ Schlagzeug, der Art, wie Aydo singt und meinem Gitarrenstil ist gut angekommen.” Auch Madsen wird in Echtzeit zum Fan, nicht ahnend, dass er binnen Jahresfrist Teil von Musa Dagh sein würde. “Ich habe es sofort gehört. Ich war schon immer ein riesiger Blackmail-Fan, Harmful kannte ich natürlich auch und mochte ich sehr. Thomas’ Schlagzeugspiel dazu, das ist ebenfalls immer interessant. Ich habe es von der ersten Sekunde an abgefeiert. Genau der Sound hat gefehlt, das traf dermaßen einen Nerv.”
Die Studiowahl geht fast von selbst vonstatten. Madsen hatte dort bereits aufgenommen, Moses Schneider an selber Stelle mit Turbostaat gearbeitet, Studiochef Johann Scheerer zudem von neuen Aufnahmeräumen berichtet. Am Ende erhält Clouds Hill den Zuschlag. Emirze braucht einen Tag, um sich einzugewöhnen, dann kommt die Maschine ins Laufen. “Diese großen Räume, das ist schon etwas Besonderes”, sagt Abay. “Das versprüht einen gewissen Charme. Man spürt, dass man dort ist, wo Sinnlichkeit entsteht.” Eine Umschreibung, die angesichts des neuen Materials – vier roh abgemischte Songs bekommt VISIONS exklusiv zu hören – überaus treffend klingt. Die Vorarbeit ist so kurz wie intensiv, zwischen Abay, Emirze und Madsen klickt es sofort, zwei gemeinsame Proben, dann ging es ins Studio. Das neue Material haben Musa Dagh live eingespielt und im Anschluss fast nichts geändert. Die Texte sind zu diesem Zeitpunkt noch eher rudimentär, für den Gesang, so Emirze, sollte diesmal mehr Platz sein. Abay relativiert etwas: “Ich habe das Gefühl, das Ganze ist ein einziger Rausch. Alles komprimiert, immer schneller. Da muss mehr rein. Eine krasse Ansage von Aren, die ich aber sehr gut finde.” Zwölf Songs sind eingespielt, als nächstes stehen noch der Gesang und natürlich der finale Mix auf dem Zettel. Gibt es schon ein geplantes Erscheinungsdatum? Emirze grinst: “So schnell wie möglich!”