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Live is life

Als der 24-jährige Robb Flynn 1991 Machine Head im kalifornischen Oakland gründet, hat er schon sieben Jahre lang Lehrgeld in der umtriebigen Metal-Szene der Bay Area um San Francisco gezahlt. Als Gitarrist spielte er 1985 und 1986 drei Demos mit Forbidden Evil ein, ehe diese das “Evil” in ihrem Namen streichen und bis 1990 zwei heute als Thrash-Klassiker geltende Alben aufnehmen. Bei Vio-Lence beteiligt er sich an den Alben “Eternal Nightmare” (1988), “Oppressing The Masses” (1990) und “Nothing To Gain” (1993, bereits 1990 aufgenommen), doch die Unterordnung in ein Bandgefüge scheint ihm von jeher schwerzufallen.

“Ich gründete Machine Head zunächst als Nebenprojekt, weil ich mein Schicksal selbst in die Hand nehmen und ein Band­leader sein wollte. Adam Duce, der den Bass übernahm, und Gitarrist Logan Mader waren Mitbewohner und Freunde von mir, die noch nie live mit einer Band gespielt hatten. Wir verstanden uns aber hervorragend, was reichte, um mit ihnen loszulegen.” Gemeinsam mit Schlagzeuger Tony Constanza entstehen Demoaufnahmen, bevor er durch Chris Kontos ersetzt wird, der zuvor bei den lokalen Hardcore-Bands Grinch und Attitude Adjustment gespielt hat.

Von Null auf Durchbruch

Hardcore ist seinerzeit neben Rap und Industrial der Marke Godflesh und Ministry (bei denen sich Flynn 1992 übrigens vergeblich als Live-Gitarrist bewirbt) die Lieblingsmusik des frischgebackenen Frontmanns, obwohl die Gründung von Machine Head von Metallica inspiriert wird, die Flynn und Duce am 12. Oktober 1991 beim Festival A Day On The Green im Oakland-Alameda County Coliseum tief beeindrucken. Dennoch sind die beiden auch vom musikalischen Vermächtnis ihrer Heimatregion geprägt. “Ich kannte die Hippie-Szene, Sachen wie The Grateful Dead, Santana oder Jefferson Airplane, und eine meiner früheren Freundinnen war ein Deadhead. Ich begleitete sie zu Konzerten und konnte zwar nichts mit der Musik anfangen, weil sie so soft war, doch die Atmosphäre gefiel mir. Eine Show zur chinesischen Neujahrsfeier ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil alle auf Acid waren und vögelten, während ein Drache durchs Publikum lief und die Band wie verrückt jammte. Das hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen, und ich wusste schon damals, dass Machine Head nie Single-Hits landen oder im Radio laufen würden. Darum war mir klar, dass wir auf andere Weise von uns reden machen mussten.”

Damit meint Flynn unentwegtes Touren und behauptet, die Gruppe sei in all den Jahren immer mindestens 20 Monate lang unterwegs gewesen, wobei sie bis heute allein in Nordamerika ungefähr 1.800 Konzerte gegeben habe. Ihr allererstes findet weniger als ein Jahr nach ihrer Gründung am 15. August 1992 statt. Ihrem Kumpel Mike Scum wird der Mietvertrag gekündigt, also wird das Haus im Rahmen einer wilden Party buchstäblich auseinandergenommen, sodass die Polizei aufkreuzt. Hier stellen sie die Weichen für die von Destruktivität und Exzessen geprägte Frühphase der Band, die ihren ersten drei Songs “Death Church”, “Blood For Blood” und “Fuck It All” (der einzige, der nicht auf dem Debütalbum landen wird) rasch weitere folgen lässt. Flynn: “Ich habe nicht fürs Radio oder MTV geschrieben und tue das immer noch nicht. Auch nicht für die Spotify Top-50 noch Youtube oder den Instagram-Algorithmus. Ich schreibe nur für mich und Menschen, die Musik wie unsere in ihrem Leben brauchen.”

Als Joey Huston ihr Manager wird und Roadrunner Records ein Demo-Tape zukommen lässt, erhalten Machine Head prompt ein Vertragsangebot von dem Label, das den Metal-Zeitgeist der frühen 90er mit Gruppen wie Fear Factory, Sepultura, Life Of Agony, Biohazard, Obituary und Type O Negative stark prägt. Gemeinsam mit dem britischen Produzenten Colin Richardson (u.a. Carcass) spielt die Band in den Fantasy Studios in Berkeley ihren Album-Einstand “Burn My Eyes” ein. “Wir wollten so heavy, intensiv, angepisst, experimentell und wild wie möglich klingen”, sagt Flynn heute über die elf Songs, die der althergebrachten Thrash-Formel mit viel Groove, Sprechgesang und durchgängigem Realitätsbezug ein Update verpassen. “Bis dahin gab es eine Menge Fantasy-Kram im Metal, womit ich nichts anfangen konnte.”

Stattdessen schreibt er über die LA Riots von 1992 (“Block”), Drogenabhängigkeit (“I’m Your God Now”) oder die in einer tödlichen Feuersbrunst endende Belagerung der Siedlung der Waco-Sekte in Texas durch das FBI 1993. Das entsprechende Stück “Davidian” wird mit seiner Schlüsselzeile “Let freedom ring with a shotgun blast” zu einer der Szenehymnen jener Zeit. “Burn My Eyes” erweist sich nach seiner Veröffentlichung Anfang August 1994 als Roadrunners bis dato bestverkauftes Banddebüt (1999 übertroffen von Slipknots Debüt), eine Tournee im Vor­programm von Slayer macht Machine Head in Europa zum Newcomer schlechthin, während ihre Shows in den Staaten bis auf weiteres nur spärlich besucht sind.

Das Gleiche, bloß anders

Bis 1996 ist die Band jeweils für sieben bis acht Wochen auf Achse und gönnt sich dann eine 14-tägige Auszeit. “Die Tour wollte nicht aufhören, und als es endlich so weit war, fingen wir gleich mit dem Songwriting fürs nächste Album an.” Flynn sieht sich nicht nur in kreativer Hinsicht unter Druck gesetzt, sondern hadert auch mit dem plötzlichen Erfolg. “Wir verkauften auf Anhieb eine halbe Million Platten, ich moderierte ‘MTV Headbangers Ball’ und kam mir vor wie unterm Mikroskop, als würde mich die ganze Welt beobachten.” Im Zuge des hohen Arbeitspensums der Band bekommt Chris Kontos gesundheitliche Probleme und muss den seine Position nach mehreren krankheitsbedingten Absagen zwangsweise für Dave McClain räumen, der dafür die zu jener Zeit schwächelnden Arizona-Thrasher Sacred Reich verlässt. Das zweite Album “The More Things Change…” wird ebenfalls von Colin Richardson produziert und mit einiger Verzögerung (McClain verletzt sich, Aufnahmespuren verschwinden auf mysteriöse Weise, Equipment wird gestohlen) im März 1997 veröffentlicht. Dass die Platte mit der heißen Nadel gestrickt ist, hört man ihr nicht an, sie ist im Gegenteil objektiv betrachtet stärker und abwechslungsreicher als das Debüt, machen Machine Head in den USA erstmals zu einem Chart-Thema und enthält mit dem prägnanten “Ten Ton Hammer” mindestens einen weiteren künftigen Signature-Track der Band.

Während der anschließenden Welttour steht erstmals auch das prestigeträchtige Ozzfest auf dem Programm, doch durchs personelle Gefüge ziehen sich weitere Risse: Gitarrist Logan Mader verabschiedet sich schließlich nach einem Streit im Drogenrausch, an seine Stelle tritt das weitgehend unbeschriebene Blatt Ahrue Luster. Auf ihn und den Produzenten Ross Robinson (Korn, Limp Bizkit – McClain spielte mit ihm bei Murdercar) führen Kritiker das Mehr an Raps und die vordergründig melodischen Momenten auf “The Burning Red” (1999) zurück, doch Flynn lässt nichts an sein drittes Album kommen: “Ich verbinde nur positive Erinnerungen damit, obwohl ich damals eine schwere Zeit durchmachte. Von allen unseren Platten kann ich mir diese am wenigsten anhören, weil sie für mich sehr persönlich und schmerzhaft war. Ich habe darauf eine Menge Scheiße verarbeitet.” Dies geschieht im Rahmen einer Therapie, die ihn zu einer Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit und der Drogensucht zwingt. Flynn kennt seine leiblichen Eltern nicht, wurde mit fünf Jahren von einem Nachbarn seiner Adoptivfamilie sexuell missbraucht, setzt sich noch vor “Burn My Eyes” eine beinahe tödliche Dosis Heroin und leidet eine Zeitlang unter einer Essstörung.

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Zur Zeit von “The More Things Change…”: Flynn, Duce, Logan Mader, McClain (v.l.) | Photo by Mick Hutson/Redferns/Getty Images

»Ich habe nicht fürs Radio oder FÜR MTV geschrieben. Ich schreibe nur für mich und Menschen, die Musik wie unsere in ihrem Leben brauchen.«
Robb Flynn

Trotz allem wird die LP zum zweitgrößten Bestseller der Band nach ihrem Debüt und enthält mehrere Songs, die Flynn zufolge Favoriten insbesondere US-amerikanischer Fans geworden sind. Während Europa hingegen kein gutes Haar an dem Album lässt, was umso mehr gilt für den 2001er Nachfolger “Supercharger” (Produktion: Johnny K, der auch mit Disturbed und 3 Doors Down arbeitet), der sich als kommerzieller Flop herausstellt und Machine Head ihren Plattenvertrag in Nordamerika kostet. Den Nu-Metal-kompatiblen Look, mit dem die Musiker ihre Hörerschaft vor den Kopf stoßen, relativiert der Frontmann heute mit dem Argument, das sei damals eben der Modetrend gewesen, genauso wie die HipHop-Ghetto-Ästhetik des “Davidian”-Videos zuvor dem Geist der frühen 90er entsprochen habe. “Außerdem sind die Songs dieses Albums immer Highlights bei unseren Shows. Gerade bei ‘Bulldozer’ rasten die Leute aus, das ist mittlerweile ein Klassiker von uns, genauso wie der Titeltrack und ‘Crashing Around You’. Wenn man eine Platte nur daran misst, wie die Fans sie zur Zeit ihrer Veröffentlichung bewerten, gibt das einen leicht verzerrten Eindruck wieder, denn Musik hat einen Schmetterlingseffekt; im jeweiligen Moment finden Songs vielleicht keinen Anklang, aber fünf oder zehn Jahre später können die Leute plötzlich etwas damit anfangen. Außerdem durchlaufen Bands Hoch- und Tiefphasen, gelten als uncool und sind dann doch wieder schwer angesagt. Das war eben unsere uncoole Zeit.”

Erschwerend hinzu kommt, dass “Supercharger” weniger als einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erscheint. “Wir sind nur ein paar Tage Tage später zu unserer nächsten Tour aufgebrochen, die uns durch alle möglichen Kleinstädte führte, von Fargo in North Dakota über Green Bay in Wisconsin zurück nach Fresno in Kalifornien. Ich werde die Stimmung bei den Shows nie vergessen, den Ausdruck in den Gesichtern der Fans, die zu erwarten schienen, dass wir ihnen Zuversicht geben. Ich selbst zweifelte an mir und fragte mich, was wir da überhaupt machen. Nach einer Weile wurde mir wieder bewusst, dass es um Musik ging – damit gaben wir den Leuten Zuversicht.” Das Video zu “Crashing Around You” wird wegen des Songtitels nirgendwo ausgestrahlt, doch live nutzt Flynn den Song, um die Fans direkt anzusprechen und zu ermutigen. Machine Head sind dann auch eine der wenigen US-Bands, die ihre geplante Europatournee nicht absagen. “Wir dachten, dass die Menschen genau das brauchten, und die Shows waren der Hammer. Darum blicke ich gerne auf diese Zeit zurück, auch wenn sie krass war und trotz der schlechten Resonanzen auf die Platte. Unseren Auftritt in New York im Januar 2002 werde ich in diesem Zusammenhang auch nie vergessen.”

Phönix aus der Asche

So gerne sich Flynn diese Phase heute schönredet: 2002 stehen Machine Head an einem Scheideweg. Da ein neuer Plattenvertrag in Nordamerika nach wie vor auf sich warten lässt und Ahrue Luster wegen der berühmten kreativen Differenzen aussteigt, bleibt nur noch die Flucht nach vorne, die in diesem Fall einen Schritt zurück bedeutet. Die Band schreibt als Trio neues Material, erhält aber Dutzende Label-Absagen und produziert ihr fünftes Album “Through The Ashes Of Empires” selbst, weil Colin Richardson verhindert ist und nur den Mix sowie das Mastering übernehmen kann. Dass der Brite ihr neuerlicher Wunschproduzent ist, kommt nicht von ungefähr, denn musikalisch geht es back to the roots. Die Veröffentlichung im Oktober 2003 in Europa und Australien wird ein solcher Erfolg, dass Roadrunner US der Gruppe rasch einen neuen Deal anbieten und die Veröffentlichung in Nordamerika für April 2004 ansetzen. “Wir glaubten hundertprozentig an die Songs, wohingegen die Öffentlichkeit nach den beiden vorigen Alben an uns zweifelte, doch als die Platte herauskam, explodierte sie förmlich. Wir erhielten verdammt gute Festival-Slots in Europa und gingen ganze drei Mal als Headliner auf US-Tour.” Der Videomitschnitt eines Auftritts in der Brixton Academy London im Dezember 2004 wird knapp ein Jahr später unter dem Titel “Elegies” auf DVD veröffentlicht.

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist Livegitarrist Phil Demmel, mit dem Flynn einst bei Vio-lence spielte, zu einem vollwertigen Bandmitglied aufgestiegen. Mit ihm tritt die Gruppe in ihre goldene Ära ein, wenn man so will; in seinen Grundzügen zeigt “Through The Ashes Of Empires” sie so, wie man sie heute kennt – mit vielen traditionellen Metal-Elementen, druckvoll modernem Hochglanzsound (die Produktion liegt abermals in den Händen der Band), bestechenden Bühnenqualitäten und episch angelegten Songs wie “Imperium”, dessen Videoclip im langsam aussterbenden Musikfernsehen zu einem Dauerbrenner wird. Roadrunners wiedergefundene Begeisterung geht so weit, dass der Band­leader zu einem von vier “Teamkapitänen” auserkoren wird, um die Arbeit an dem Projektalbum “Roadrunner United: The All-Star Sessions” zum 25-jährigen Jubiläum des Labels zu koordinieren. Unterdessen haben Machine Head schon zwei Dutzend neuer Ideen gesichtet, die schließlich zu acht größtenteils überlangen Songs kondensiert werden, was mit Flynns und McClains neuerlicher Beschäftigung mit den Frühwerken der kanadischen Progrock-Ikonen Rush zusammenhängt.

Von der Gruppe selbst gezogene Vergleiche zwischen “The Blackening” (2007) und Metallicas “Master Of Puppets” sind nicht völlig abwegig, denn beide Alben behandeln große Themen von Krieg (“Clenching The Fists Of Dissent”, “A Farewell To Arms”) über Liebe (“Now I Lay Thee Down”) bis zu Religionskritik (“Halo”) und enthalten ausladende, technisch anspruchsvolle Kompositionen, in denen ein einprägsames Riff das nächste jagt. Auch das an einen Kupferstich angelehnte Artwork unterstreicht das klassische Flair der Platte, die dann auch zahlreiche Lorbeeren wie “Album des Jahres” oder gar “Album des Jahrzehnts” erntet und in den internationalen Charts so gut abschneidet wie kein anderes der Band. Überdies werden Machine Head mit der Single “Aesthetics Of Hate” für einen Grammy in der Kategorie “Best Metal Performance” nominiert, den aber letzten Endes Slayers “Final Six” (von “Christ Illusion”, 2006) gewinnt. Im Songtext verleiht Flynn seinem Verdruss über einen Webkommentar Ausdruck, dessen Verfasser die Ermordung des ehemaligen Pantera-Gitarristen Dimebag Darrell während eines Konzerts seiner damaligen Band Damageplan im Dezember 2004 glorifiziert.

“Wir waren drei Jahre und drei Monate lang für ‘The Blackening’ auf Tour, unter anderem mit Metallica und Slipknot”, so Flynn kopfschüttelnd. “Zudem gab es eine Reihe von Festivalauftritten in hohen Positionen und einen Headliner-Slot beim Wacken Open Air 2009. Ich könnte mich jetzt hinstellen und behaupten, wir hätten das vorhergesehen, doch das haben wir nicht. Man weiß im Vorfeld nie, wie neue Musik bei den Leuten ankommt, weil sie eben sehr launisch sind. In diesem Fall standen die Sterne wohl einfach günstig – alles passte zusammen, was umso erstaunlicher ist, weil vier der acht Stücke auf dem Album neun bis zehn Minuten lang sind.” Die Komplexität der Tracks ist zu Beginn der Arbeiten an “The Blackening” nicht abzusehen. Die kompakteren Songs sind die ersten, die das Quartett fertigstellt, ehe es kein Halten mehr gibt. “Wir reden hier von 2006. Damals hatten wir keine Uhren in unserem Backstage- oder Proberaum, und da es noch keine iPhones gab, konnte man nicht ständig nachschauen, wie spät es war. Wir schrieben also munter drauflos und jammten, bis wir eines Tages feststellten: Scheiße, das ist lang! Zuerst befürchteten wir, die Fans könnten nicht bereit dafür sein, doch dann war es uns egal, weil sich die Songs einfach gut anfühlten.”

Zeiten des Umbruchs

Die kräftezehrende Tour-Odyssee hinterlässt unweigerlich ihre Spuren, weshalb das siebte Album “Unto The Locust” (2011, mit 48 Minuten ihr kürzestes) laut Robb unter erschwerten Bedingungen entsteht. “Wenn du so lange mit denselben Gesichtern in einem engen Bus haust, fängst du irgendwann an, den Verstand zu verlieren. Wir brauchten danach eigentlich eine ausgedehnte Pause, doch mich juckte es schon nach einem Monat wieder in den Fingern. Ich wollte zwar nicht mit der Band proben, aber die Ideen sind mir förmlich zugeflogen, also sammelte ich zunächst, wobei mir klar war, dass ich kein zweites ‘The Blackening’ machen wollte.” Die Gitarrenparts der neuen Songs gehören zu den anspruchsvollsten, die der Bandkopf je geschrieben hat, was live besonders offensichtlich wird, vor allem wenn Machine Head das Album später im Rahmen ihrer “Electric Happy Hour”-Online-Streams in Gänze performen.

“‘Unto The Locust’ ist ein hervorragendes Workout”, sagt Flynn und lacht. “Am wichtigsten finde ich, dass die Tracks völlig zeitlos sind – besonders ‘Darkness Within’, weil ich mich darin so weit öffne wie nie zuvor. Der Text handelt von meinem Burnout nach der vorangegangenen Tour. Ich wurde depressiv und machte mir Sorgen um meine beiden kleinen Söhne, nachdem der zweite zu Beginn des Promo-Zyklus für ‘The Blackening’ zur Welt gekommen war. Über lange Phasen hinweg von zu Hause fort zu sein, weil mein Job das einfach mit sich bringt, und nicht miterleben zu können, wie sie groß wurden, machte mich unglücklich. Diese Ballade entwickelte im Laufe der nächsten Tournee eine Eigendynamik und gehört definitiv zu den Schlüsselsongs unserer Karriere.”

Der Gedanke, die Dauer der Konzertreisen langfristig einzuschränken, kommt erstmals auf, doch eine konsequente Umsetzung liegt noch in weiter Ferne. Für die engen Vertrauten der Band ist es deshalb keine Überraschung, dass sie sich Anfang 2013 von ihrem Bassisten und Mitbegründer Adam Duce trennt, der schon lange unzufrieden gewesen sei. Sein Abschiedsrelease ist somit das 2012er Doppel-Livealbum “Machine F**king Head Live”. Was Flynn in seinem mittlerweile nicht mehr einsehbaren Onlinetagebuch “The General Journals” (“General” ist seit jeher sein Spitzname) über den Rauswurf des Bassisten schreibt, ist sehr aufschlussreich in Hinblick auf die damalige Situation und die relativ bodenständige Attitüde, mit der es Machine Head so weit gebracht haben. “Für jemanden wie Adam gibt es nur alles oder nichts, überwältigende Erfolge oder vernichtende Niederlagen, nichts dazwischen. Und obwohl das für eine Fernsehserie, ein markiges Interview-Zitat oder einen John-Wayne-Film Sinn ergibt, der nach 90 Minuten zu Ende ist, funktioniert das Leben einfach nicht so, schon gar nicht für eine Band wie Machine Head, die in der oberen Mittelklasse spielt. Wir kennen weder überwältigende Erfolge, nur Achtungserfolge, noch vernichtende Niederlagen, sondern sagen uns: ‘Beim nächsten Mal haben wir mehr Glück.’ Wir haben uns eine eigene Nische geschaffen, in der uns niemand etwas vormacht, aber es ist eben eine Nische, und er hatte es satt, nie richtig groß herauszukommen.”

Zusammen mit Duces Nachfolger Jared MacEachern, der zuvor in erster Linie bei der Underground-Band Sanctity spielte, nimmt das verbleibende Trio die LP “Bloodstone & Diamonds” in Angriff, die 2014 Machine Heads erste Veröffentlichung bei dem deutschen Branchenriesen Nuclear Blast wird. “Du musst dich von der Musik tragen lassen, wohin sie will”, bemerkt Flynn bezüglich der Zwanglosigkeit, mit der man komponiert habe, und führt The Cure als Vorbilder an, wenn es darum geht, sich mit keinem Album zu wiederholen. Tatsächlich lehnen sich die Amerikaner so weit aus dem Fenster wie lange nicht, wenn sie mit den Keyboardern Rhys Fulber (Front Line Assembly) und Jordan Fish (Bring Me The Horizon) zusammenarbeiten, die auch Streicher-Arrangements für mehrere Stücke schreiben. Politische und gesellschaftskritische Texte dominieren die nunmehr vertraute Mischung aus Longtracks und kürzeren Songs, die der Band ihren zu Hause bis heute höchsten Chart-Einstieg (Platz 21 in den Billboard 200) bescheren. Flynn: “Es ist ein sehr dringliches Album und wirklich heavy mit einer düster bedrohlichen Stimmung, aber auch eher rockigen Momenten. Dass es manchmal reduzierter klingt, gefällt mir besonders. Die Demos strahlten eine Unmittelbarkeit aus, die sich auf die finalen Aufnahmen übertragen hat, wobei wir zügig und spontan vorgegangen sind.”

Neue Leichtigkeit?

Ohne außerordentliche Auftritte mitzurechnen, dauert allein die nächste Headliner-Tour vier Monate, unterbrochen lediglich von einer sechswöchigen Pause über Neujahr 2014/15. Letzten Endes liegen fast vier Jahre zwischen “Bloodstone & Diamonds” und dem nächsten Werk “Catharsis”, das Anfang 2018 erscheint. Der Wille, niemandem mehr etwas zu beweisen und unberechenbar zu bleiben, lässt Flynn alte Fäden aufgreifen, was bedeutet, dass er sich wieder in die gefürchtete Nu-Metal-Grauzone begibt. Zwar werden alle Bandmitglieder in den Songwriting-Credits aufgeführt, doch als Ende des Jahres sowohl Demmel als auch McClain aussteigen, heißt es von ihrer Seite aus, es handle sich im Grunde um ein Soloalbum des Frontmanns, der “Catharsis” im Nachhinein naturgemäß verteidigt: “15 Songs und 75 Minuten Spielzeit waren viel zu verdauen. Ich weiß noch, wie ich im Oktober 2017 auf Pressetour in Europa gemeint habe, ein so langes Album herauszubringen sei eine fürchterliche Idee, weil die Menschen heute eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben. Wir standen aber zu unserer Entscheidung. Die Platte enthält einige fantastische Tracks, die übersehen wurden, und dass gewisse Personen – darunter auch ehemalige Mitglieder – versucht haben, sie schlechtzureden, ist kein Geheimnis. Mit dem Titelstück und ‘Beyond The Pale’ enthält sie auch zwei echte Live-Kracher.”

Das Album spaltet die Gemüter bis heute, wenn auch nicht im gleichen Maße wie “Supercharger”, und um die Zeit bis zur Neujustierung des Bandgefüges zu überbrücken, kommt das 25-jährige Jubiläum von “Burn My Eyes” sehr gelegen: Die verbliebenen Musiker nehmen das Debüt zu diesem Anlass noch einmal mit den damaligen Mitgliedern Logan Mader und Chris Kontos live in den Sharkbite Studios Oakland auf und veröffentlichen die Session digital beziehungsweise als auf 2.500 Exemplare limitiertes Doppel-Vinyl.

Diese Reunion, die bis zu Beginn der Pandemie auch mit einer Tour gefeiert wird, ist jedoch zu keiner Zeit als dauerhaft vorgesehen, denn schon im Herbst 2019 stellen Machine Head den Polen Wacław “Vogg” Kiełtyka (Decapitated) und den Briten Matt Alston (Devilment) als neuen Gitarristen und Schlagzeuger vor. Die nun zu einem internationalen Projekt gewordene Band bringt zum Totschlagen des Leerlaufs während der Lockdown-Phasen mehrere Digitalsingles über ihr eigenes Nuclear-Blast-Sublabel Imperium Recordings heraus, dessen Name fortan alle Veröffentlichungen der Band zieren soll. Als Schlagzeuger helfen Carlos Cruz (Warbringer) und Navene Koperweiss (ex-Animals As Leaders) aus. Ebenfalls der notgedrungenen Tatenlosigkeit geschuldet ist das Streaming-Format “Acoustic Happy Hour”, das nach anfänglichen Solo-Performances von Flynn abendfüllende Bandkonzerte mit außergewöhnlichen Setlists (etwa ganze Alben am Stück) bietet.

Die Single “My Hands Are Empty” und die EP “Arrows In Words From The Sky” fungieren als Vorgeschmack auf das zehnte Album “Øf Kingdøm And Crøwn” (2022), an dessen Aufnahmen Kiełtyka und Alston aufgrund der andauernden Reisebeschränkungen nicht teilnehmen können, weshalb Flynn alle Gitarrenspuren selbst einspielt und Koperweiss erneut am Schlagzeug aushilft. Die Songs sind zwar bis auf den zehnminütigen Opener “Slaughter The Martyr” durchschnittlich lang, aber an ein von der Anime-Serie “Attack On Titan” inspiriertes Science-Fiction-Narrativ gebunden und demnach keine leichte Geburt. Den überwiegend begeisterten Kritiken folgt eine beispiellose Tour, beginnend im August 2022 mit dem Bloodstock Open Air in England. Fünf Shows in Schottland dienen anschließend zum Warmlaufen für Europakonzerte als Co-Headliner neben Amon Amarth und 39 “Electric Happy Hour”-Auftritte in den USA, wobei Kiełtyka von Reece Scruggs (Havok) vertreten wird.

18 weitere angekündigte US-Shows werden Anfang 2023 aufgrund von Komplikationen mit den Arbeitsvisa der europäischen Bandmitglieder ersatzlos gestrichen. Nach einem relativ entspannten Sommer mit wenigen Festivals und ein paar Südamerikakonzerten startet im Januar die “Slaughter The Martour”, in deren Verlauf Kiełtyka seinen Ausstieg bekanntgibt, um sich auf Decapitated zu konzentrieren. Reece Scruggs steigt zum offiziellen Mitglied auf. Während der Arbeit an ihrer nächsten LP kündigen Machine Head für Frühling 2025 eine gemeinsame Nordamerikatour mit In Flames, Lacuna Coil und Unearth an, zu deren Anlass der Song “These Scars Won’t Define Us” mit Gesangsbeiträgen von allen drei Support-Acts veröffentlicht wird.

Der Track ist auch auf dem neuen Album “Unatøned”, für dessen Produktion abermals Flynn verantwortlich ist, während Colin Richardson wieder als Mixer fungiert. Die Band existiert längst in ihrem eigenen Kosmos und ist einschließlich ihres eigenen Shotgun Blast Whiskeys zu einer Metal-Marke geworden. Als solche ist sie zwar noch nicht in die allgemeine Popkultur eingegangen wie Metallica oder Motörhead, doch ihr Anführer hätte gute Gründe, den Rockstar zu mimen, und tut es trotzdem nicht, obwohl er den Wert seines Lebenswerks kennt. “Dass es uns immer noch gibt, hat sicher mit meiner Hartnäckigkeit zu tun, aber auch mit viel Glück. Es ist eine Mischung aus beidem. Und wenn ich höre, dass wir jüngere Acts beeinflussen, müssen wir auch irgendetwas richtig gemacht haben, denn immer wieder kommt jemand auf uns zu und gibt Dinge wie ‘Mensch, wenn es diese Platte nicht gäbe, gäbe es uns nicht’ von sich, etwa die Jungs von Gojira. Das ist super, auch wenn ich es mir nicht zu Kopf steigen lassen will. Generell möchte ich mir nicht zu viele Gedanken über die Band machen und würde auch gar nicht so ausführlich über sie reden, wenn ich keine Interviews geben müsste. Ich halte das alles nicht für selbstverständlich, sondern weiß es wirklich zu schätzen.”

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Längst ihre eigene Marke: Machine Head 2025 | Foto: Travis Shinn

»Ich muss einen persönlichen Zugang zu den Texten haben, doch es muss darin nicht zwangsläufig um mich gehen.«
Robb Flynn

Erstes Album als Band seit 51 Jahren

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1975 gaben Alice Cooper – die Band – nach sieben Studioalben ihre Auflösung aus verschiedenen Gründen von Drogenmissbrauch bis Unstimmigkeiten über die Bühnenshow bekannt. Sänger Vincent Furnier startete unter seinem Künstlernamen Alice Cooper allerdings direkt eine Solokarriere, die bis heute in 22 Studioalben mündete.

Nun hat sich Cooper wieder mit einigen seinen alten Bandkollegen vereint, um mit “The Revenge Of Alice Cooper” am 25. Juli das erste Album der Band seit 51 Jahren zu veröffentlichen. Teil der Alice Cooper Band sind neben ihrem Sänger dann wieder Gitarrist Michael Bruce, Bassist Dennis Dunaway und Drummer Neal Smith. Produziert hat Coopers Stammproduzent Bob Ezrin. Bei der Reunion fehlen die späteren Mitglieder Mick Mashbir (Gitarre) und Bob Dolin (Keyboard). Gründungsmitglied Glen Buxton ist bereits 1997 verstorben, soll aber in irgendeiner Form auf dem Album auftauchen.

Als erste Single erscheint im Laufe des Tages in Coopers Radioshow „Alice’s Attic“ Opener „Black Mamba“, bei dem Robby Krieger von The Doors mitwirkt. Die Tracklist umfasst sonst 14 Songs und zwei Bonustracks, darunter ein Remix des Easy-Action-Songs “Return Of The Spiders” (1970).

In einem Interview mit Billboard über die Reunion sagte Cooper, das Projekt sei wie aus dem Nichts entstanden und die Band mache da weiter, wo sie nach “Muscle Of Love” von 1973 aufgehört habe. „Es war so, als wäre dies unser nächstes Album nach ‘Muscle Of Love’, einfach so, ‘OK, das ist das nächste Album’,“ sagte er. „Ist das nicht komisch nach 50 Jahren? Plötzlich passt alles zusammen.“ Ezrin ergänzte: „Natürlich sind alle älter, reifer und gefestigter geworden, aber wenn wir alle zusammenkommen und ich das Zusammenspiel zwischen ihnen beobachte, ist es, als wären sie gerade von der Highschool gekommen und würden im örtlichen Café abhängen.”

Die vier Alice-Cooper-Mitglieder spielten bereits bei ihrer Aufnahme der Rock & Roll Hall Of Fame im Jahr 2011 zusammen, was zu weiteren Kooperationen bei Coopers Soloalben und zu einigen kurzlebigen Live-Reunions über die Jahre führte.

Alice Cooper (Band) – “The Revenge Of Alice Cooper”

Alice Cooper The Revenge Of Alice Cooper Album Cover

01. “Black Mamba”
02. “Wild Ones”
03. “Up All Night”
04. “Kill The Flies”
05. “One Night Stand”
06. “Blood On The Sun”
07. “Crap That Gets In The Way Of Your Dreams”
08. “Famous Face”
09. “Money Screams”
10. “What A Syd”
11. “Inter Galactic Vagabond Blues”
12. “What Happened To You”
13. “I Ain’t Done Wrong”
14. “See You On The Other Side”
15. “Return of the Spiders 2025” (bonus track)
16. “Titanic Overunderture” (bonus track)

Fünftes Album kommt

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Mit “The Lash” kündigen The Dirty Nil ihr fünftes Album in zehn Jahren an. Das Power-Trio aus Hamilton, Ontario zeigt sich auf dem neuen Foto dazu allerdings als Duo, denn im Kern besteht die Band schon immer aus Sänger/Gitarrist Luke Bentham und Schlagzeuger Kyle Fisher. Die Position des Bassisten rotiert immer wieder. Zuletzt an den vier Saiten dabei: Sam Tomlinson. Ob er eine Rolle auf “The Lash” spielt, hat die Band nicht verraten.

Erst im Januar veröffentlichten The Dirty Nil eine Doppel-A-Seiten-Single mit den Songs “I Hate The Internet”/”True Devotion”. Beide werden nicht Teil von “The Lash” sein. Dafür gibt es mit “Gallop Of The Hounds” ab sofort einen ersten Song von der Platte.

Für die erwähnten Songs aus dem Januar gönnten The Dirty Nil sich bereits ein martialisches Artwork von Punk-Musiker Rizki Akber. Für “The Lash” und die Vorab-Single haben sie mit dem britischen Designer Jack Sabbat zusammengearbeitet. Der hat der Band einen düsteren Mittelalter-Folterkeller-Style im Crustpunk-Look verpasst – komplett mit Dolchen, Skeletten und Brutalität zusammengezimmert.

“The Lash” kommt dabei sogar als CD und LP in einem Look, als hätten man das Inlay eines Tapes ausgeklappt – mit den Songtiteln und dem Albumtitel auf der linken Seite des Covers.

Aufgenommen haben The Dirty Nil das Album mit dem lokalen Engineer Vince Solivari innerhalb von zwei Wochen im Boxcar Sound Studio. In “Rock N’ Roll Band” macht sich Bentham Luft in Sachen Grabenkämpfe in der Musikindustrie. “Gallop Of The Hounds” gibt sich ungeschminkt mit sattem Riff, hat aber noch Platz für Kastagnetten. “Spider Dream” wiederum zeigt die Band von ihrer zurückhaltenden Seite.

Inspiriert hat Bentham für die Atmosphäre der neuen Songs ein Trip in den Vatikan: “Ich war in einem sehr staubigen Kellergewölbe unterwegs, und dort gab es diese krassen Bronzereliefs, die einige der brutalsten Dinge abbildeten, die ich je gesehen habe. Eines im Speziellen: ‘The Horror Of War’, das zwei Typen zeigt, die um ein Messer kämpfen. Dieses Bild hat mich geleitet bei der Arbeit an dieser Platte.”

Kollege Kyle Fisher ergänzt nicht ganz ernst gemeint: “Ich erzähle Leuten gerne, dass dies Lukes Therapie-Platte ist.” Das Album kommt am 25. Juli via Dine Alone Records und kann hier vorbestellt werden.

Im Oktober sind The Dirty Nil dann auch wieder zu Gast in Europa im Rahmen der “Common Thread”-Festival-Tournee. Am 18. Oktober spielen sie in der Turbinenhalle in Oberhausen.

Schlagzeuger Kyle Fisher ist momentan mit seiner Zweitband, den Garage-Punks The Golden Shitters, in Deutschland auf Tour. Hier die letzten Daten:

22.04. Bayreuth – Schokofabrik
23.04. Dresden – Chemiefabrik
24.04. Berlin – Schokoladen
25.04. Hamburg – Komet

The Dirty Nil –  “The Lash”

The Dirty Nil, "The Lash" Album Artwork
 

01. “Gallop Of The Hounds”
02. “Fail In Time”
03. “That Don’t Mean It Won’t Sting”
04. “Rock N’ Roll Band”
05. “This Is Me Warning Ya”
06. “Do You Want Me?”
07. “Spider Dream”
08. “They Won’t Beat Us”
09. “Hero Narrative”
10. “I Was A Henchman”

Melodisch pöbeln

Hunde gehen immer, auch in einer All-Areas-Playlist: “Mein Hund heißt wie Du!” singt das Match made in heaven Kochkraft durch KMA und Team Scheisse und wehrt sich damit gegen die Reihenhausifizierung von Beziehungen. Das ist nicht nur ein großartiger Rumpel-Song, sondern auch ein Beweis, wie viele etablierte und neue Acts aktuell das Alternative-Genre mit echten Hymnen überschütten.

Eine persönliche Neuentdeckung ist Jasmine.4.t, die als frisches Signing auf Phoebe Bridgers‘ Label Saddest Factory ihr Debüt veröffentlichte. Logisch: Bridgers ist auch künstlerisch involviert und steuert zum Song “Guy Fawkes Tesco Dissociation” über die Mental Health Issues als Transperson in einer transfeindlichen Gesellschaft ihre Stimme bei. Banger!

Wet Leg deuten derweil mit “Catch These Fists” an, dass ihr zweites Album noch mehr Raum für kantige Riffs bietet – sehr gut. Gewissheit gibt es dagegen bei Dead Pioneers und Press Club: Beide Bands klingen auf ihren aktuellen Alben so groß produziert und bedeutend wie nie und landen nicht nur wegen “My Spirit Animal Ate Your Spirit Animal” und “I Am Everything” in meiner Heavy Rotation.

Dort sind auch Grandmas House fest verankert, die mit ihrem Haken schlagenden Grunge-Punk und geteiltem Gesang die großartige EP “Anything For You” inklusive “Nothing Special” veröffentlicht haben. Apropos großartige EP: Rachel Chinouriri zeigt mit Songs wie “23:42”, dass sie nach sphärischem Indiepop bereit ist für körnigen Pop-Punk. Wir auch!

Zum Abschluss gibt es drei Songs, die wunderbar absurd sind und damit bestens in den Zeitgeist passen: Slung verbinden Mastodon-Riffs mit Press-Club-Melodien und wecken damit große Lust auf ihr Debütalbum. Pup machen mit Jeff Rosenstock genau das, was man sich erhofft: Melodisch pöbeln und fassungslos auf die Gegenwart schauen. Und Tropical Fuck Storm spielen und singen sich im polyrhythmischen “Bloodsport” durch apokalyptische Szenarien. Viele Sounds. Viele Hymnen.

Noch mehr All Areas Playlisten sowie unsere “Draußen”- und “Best New Songs”-Playlisten findet ihr unter visions.de/playlists Und wer noch mehr hören möchte, sollte in unseren Podcast “Der Soundtrack meines Lebens” reinhören.

Zak Starkey darf bleiben

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Anfang vergangener Woche feuerten The Who ihren langjährigen Schlagzeuger Zak Starkey. Heute gab Gitarrist Pete Townshend bekannt, dass Starkey zurück in der Band sei, nachdem „einige Kommunikationsprobleme“ gelöst wurden.

“Er wird nicht weiter gebeten, The Who zu verlassen”, schrieb Townshend in einer Erklärung auf der Bandwebsite. “Es gab einige Kommunikationsprobleme, persönliche und private auf allen Seiten, die geklärt werden mussten, und diese wurden auf glückliche Weise geklärt.”

“Wir sind eine Familie”

Starkey wurde offenbar gefeuert, nachdem er bei einem Auftritt Ende März zum Unmut von Sänger Roger Daltrey zu laut gespielt habe. Townshend und Daltrey konnten sich mit ihm nun verständigen, wie sie in Zukunft zusammen spielen wollen. “Roger und ich möchten, dass Zak seinen zuletzt entwickelten Schlagzeugstil strafft, um unserer nicht-orchestralen Besetzung gerecht zu werden, und er hat bereitwillig zugestimmt”, so Townshend. Weiter übernahm der Gitarrist der Verantwortung für die “Verwirrung”, erklärte, dass er selbst sich nicht genug von seiner Knieoperation erholt habe und sich die Band nicht, genug Zeit für die Soundchecks genommen habe. Starkey habe laut Townshend allerdings auch ein paar Fehler gemacht und sich entschuldigt. “Wir sind eine Familie, das hat sich sehr schnell hochgeschaukelt. […] Es ist vorbei. Wir gehen jetzt mit Optimismus und Feuer im Bauch nach vorne.”

Starkey ist Sohn des Beatles-Drummers Ringo Starr und spielt seit der Reunion 1996 bei The Who – so lange wie keiner seiner Vorgänger. Er wird für seinen Stil gelobt, der an den des legendären Keith Moon (Starkeys Patenonkel) erinnert, ohne jedoch eine Kopie zu sein.

Zak Starkey dankbar für Rückkehr

Zu seiner plötzlichen Entlassung vergangene Woche erklärte er: „Nachdem ich diese Songs so viele Jahrzehnte lang mit der Band gespielt habe, bin ich überrascht und traurig, dass irgendjemand ein Problem mit meinem Auftritt an diesem Abend hatte, aber was kann man schon tun“, so der Drummer. “29 Jahre in irgendeinem Job sind eine gute Zeit, und ich wünsche ihnen das Beste.”

Nach der Ankündigung seiner Rückkehr teilte Starkey das Statement von The Who auf Instagram und fügte hinzu: “Ich bin dankbar, Teil der Who-Familie zu sein. Danke Roger und Pete xx.”

 

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»Mixes Of A Lost World«

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Gestern kündigten The Cure die Veröffentlichung eines neuen Remix-Albums an, passend zum 66. Geburtstag von Frontmann Robert Smith. “Mixes Of A Lost World” erscheint am 13. Juni und enthält gleich 24 Remixe der bereits bekannten Songs von “Songs Of A Lost World”. Mitgewirkt haben unter anderem Chino Moreno von den Deftones, Mogwai, Four Tet und Trance-DJ Paul Oakenfold. Die Remixe von Four Tet und Oakenfold wurden bereits veröffentlicht. Das Album kann vorbestellt werden.

Smith erklärt, wie es zu dem Album kam: “Kurz nach Weihnachten bekam ich unaufgefordert ein paar Remixe von ‘Songs Of A Lost World’ zugesandt, die mir sehr gefielen. The Cure haben eine bunte Geschichte mit allen Arten von Dance Music, und ich war neugierig, wie das ganze Album von anderen neu interpretiert klingen würde.” Wie bereits bei ihrem zuletzt veröffentlichten Live-Album “Songs Of A Live World”, sollen auch die Einnahmen des Remix-Albums an die Hilfsorganisation War Child gespendet werden.

Das Remix-Album erscheint ein knappes halbes Jahr nach “Songs Of A Lost World”. Fans der Band dürften derweil weiterhin auf die Ankündigung des Nachfolgers warten, den Smith bereits seit einiger Zeit andeutet. Anfang des Jahres hatte er zuletzt einige Songtitel verraten und wies darauf hin, dass das Album noch dieses Frühjahr erscheinen könnte – mit Blick auf das aktuelle Datum scheint dies mittlerweile jedoch eher unwahrscheinlich zu sein. Ganze 16 Jahre waren zwischen den vergangenen beiden The-Cure-Alben vergangen. So lange dürfte es wohl nicht bis zum nächsten Album dauern – zumindest plant Smith bereits, die Karriere von The Cure spätestens 2029 an den Nagel zu hängen.

The Cure – “Mixes Of A Lost World”

the cure mixes of a lost world album cover

01. “I Can Never Say Goodbye” (Paul Oakenfold Cinematic Remix)
02. “Endsong” (Orbital Remix)
03. “Drone:Nodrone” (Daniel Avery Remix)
04. “All I Ever Am” (meera Remix)
05. “A Fragile Thing” (Âme Remix)
06. “And Nothing Is Forever” (Danny Briottet & Rico Conning Remix)
07. “Warsong” (Daybreakers Remix)
08. “Alone” (Four Tet Remix)
09 “I Can Never Say Goodbye” (Mental Overdrive Remix)
10. “And Nothing Is Forever” (Coscmodelica Electric Eden Remix)
11. “A Fragile Thing” (Sally C Remix)
12. “Endsong” (Gregor Tresher Remix)
13. “Warsong” (Omid 16B Remix)
14. “Drone:Nodrone” (Anja Schneider Remix)
15. “Alone” (Shanti Celeste ‘February Blues’ Remix)
16. “All I Ever Am” (Mura Masa Remix)
17. “I Can Never Say Goodbye” (Craven Faults Rework)
18. “Drone:Nodrone” (JoyCut ‘Anti-Gravitational’ Remix)
19. “And Nothing Is Forever” (Trentemoller Remix)
20. “Warsong” (Chino Moreno Remix)
21. “Alone” (Ex-Easter-Island Head Remix)
22. “All I Ever Am” (65daysofstatic Remix)
23. “A Fragile Thing” (The Twilight Sad Remix)
24. “Endsong” (Mogwai Remix)

»Mosht, ihr Säcke!«

Es knallt. Und zwar mächtig. Das ist der erste Eindruck, damals wie heute. Nach Akiko Sans Begrüßung auf Japanisch, der “friendly reception”, wie es im Booklet heißt, wird im Opener “Mehr” zunächst mal getrommelt, was die Snare hergibt. Täuscht es, oder klingt das blechern hoch gestimmte Teil ein wenig nach dem vieldiskutierten Ulrich’schen Scheppern auf “St. Anger”? Weniger von Metallica, vielmehr von den Foo Fighters wird in den Kritiken zum Album – und auch in diesem Text – die Rede sein, und nicht nur dort. Farin Urlaub selbst verortet einiges an Inspiration vor der Produktion bei Dave Grohl und seiner Band. Ungewöhnliche Arrangements, überraschende Wendungen, Riffs, die nicht schon etliche Male zum Einsatz kamen, Dutzende von Gitarren natürlich – hier streift Urlaub den Ärztekittel ab und lässt seiner Kreativität freien Lauf. Dabei sind es ehrlicherweise weniger die Foo Fighters, an die der Song “Mehr” erinnert. Spätestens wenn die Gitarren einsetzen, denkt man vielmehr an den Sturm und Drang des Nirvana-Klassikers “Breed”.

Das ist unüberhörbar ein anderer Wind, der hier weht als noch vier Jahre zuvor. Anfang des neuen Millenniums hatte Urlaub sein Solodebüt “Endlich Urlaub!” veröffentlicht, ein erster Alleingang, für den Bela B ein gutes Stück Mitverantwortung getragen hat. Ende 1999 hatten Die Ärzte das Livealbum “Wir wollen nur deine Seele” veröffentlicht und eine zwischenzeitliche Erholungspause angekündigt. In einem MTV-Interview nahm Bela nun Farin scherzhaft in die Pflicht und kündigte mal eben dessen erstes eigenes Album an. Einerseits frei erfundener Flachs, andererseits nicht ganz aus heiterem Himmel. Von jeher hatte Farin etliche Songs mehr geschrieben, als Die Ärzte auf ihren Platten unterbringen konnten und wollten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich der kreative Überdruck Luft verschaffen würde. Die Saat war also ganz offiziell gesät. Und sie sollte aufgehen. Knapp zwei Jahre später, im Oktober 2001, wird aus dem Witz Wirklichkeit, “Endlich Urlaub!” erscheint, ein 16 Songs starkes Werk, das in weiten Teilen wie ein verlängerter Arm des Die-Ärzte-Oeuvres klingt. “Sumisu”, das Smiths-Tribut mit fantastischer Gitarre nach Johnny Marr-Art, “OK” mit Anklängen an “Der Rebell”, “Das schöne Mädchen” und “1000 Jahre schlechter Sex”, klassische Liebeleien nach Ärzte-Art, so geht Fan-Bedienung für zwischendurch.

“‘Endlich Urlaub!’ ist eher als die Summe seiner Teile anzusehen, ein Gute-Laune-Album, das man immer wieder gerne auflegt, mehr aber auch nicht”, so der pragmatisch-unterkühlte Kommentar von VISIONS-Autor Bernardo Gui. Mit dem Song “Am Strand” findet sich hier interessanterweise sogar eine Art Vorgeschmack auf spätere Großtaten, zumindest, was den Titel angeht. Im Jahre 2020 gehört Urlaubs wunderbare Gesellschaftskritik-Ballade “Ich, am Strand” zu den Höhepunkten des Albums “Hell”. Und auch textlich lässt sich hier anknüpfen: “Ich lieg’ am Strand mit einem eiskalten Getränk in meiner Hand/ Ich hab ‘ne Sonnenbrille auf, weil ich sie brauch’/ Die Sonne scheint mir auf den Bauch/ So geht’s doch auch!”

Von der gebräunten Plauze auf die dunkle Seite binnen vier Jahren – “Am Ende der Sonne” verschiebt den Ton von Dur nach Moll, in weiten Teilen jedenfalls. Es scheint, als wollte hier jemand zeigen, dass jenseits der wortgewandten Ulknudeleien auch andere, nicht ganz so schöne Dinge passieren, Stichwort: “The Dark Side Of The Jan”. Eben jener Song über die Sonne ein Lied vom Sterben, vom Überleben danach, das Uptempo als stilistischer Widerspruch zum Inhalt: “Und ob man schwitzt und ob man friert und ob man den Verstand verliert/ Ob man allein im Bett krepiert/ Die Sonne scheint, als wäre nichts passiert” – eine trotzige Bestandsaufnahme für jene schwere Zeit, in der es gilt, den Verlust eines geliebten Menschen zu verkraften.

Punk und Paranoia

Als “Sonne”, die dritte Single, erscheint, hat das Album bereits ein halbes Jahr auf der Uhr. Drei Wochen vor Veröffentlichung am 7. März 2005 ist Urlaub mit der ersten Single “Dusche” zurück ins Solisten-Scheinwerferlicht getreten. “Warum vier Gitarrenspuren aufnehmen, wenn’s auch zehn sein können?”, heißt es im Infotext dazu auf farin-urlaub.de. Die Verhaltensregel dazu liest sich unmissverständlich: “Mosht gefälligst, ihr Säcke!”, so steht es geschrieben. In der Tat, hier lässt sich in punkto Härte bereits erahnen, wo später die Verweise auf etwa die Foo Fighters ihren Ursprung haben. Wer genau hinhört, erkennt im metallischen Beat des Intros mit etwas Fantasie gar ein Zitat aus dem Neubauten-Klassiker “Yü-Gung”.

Der Text des Stückes über mörderische Haushaltsgegenstände und die dadurch ausgelöste Paranoia ist selbst für Ärzte-Verhältnisse ein ganzes Stück drüber, lustigerweise klingt Farin hier mehr nach Bela als Bela selbst. Dazu gibt es einen Clip mit dem unvermeidbaren Nasszellen-Verweis auf Hitchcocks “Psycho”, mit räkelnden Bikini-Girls und Urlaub als Bond-Bösewicht, ebenso kurzweilig wie beliebig zusammengedengelt. Der Song “Porzellan” komplettiert das Single-Triple, die besagten Gitarrenspuren so punktgenau montiert, dass man spätestens hier meinen könnte, es tatsächlich mit einem Backing-Track der Foo Fighters zu tun zu haben.

Insgesamt 14 Songs sind es geworden, 15, wenn man den vorgelagerten Hidden Track mitzählt. Den inoffiziellen Preis für den besten Titel erhält “Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor”. Nicht nur inhaltlich DÄ-Style, musikalisch fühlt man sich hier an die sehnsuchtsvolle Melodie von “Westerland” erinnert, getoppt von einem Bläsersatz, bei dem wohl auch Feine Sahne Fischfilet einst genau hingehört haben dürften. Für die kompetente Atemarbeit am Mundstück vertraut Farin Urlaub auf die Bläser der Ska-Band The Busters.

Im nach vorn preschenden “Unter Wasser” geht es zum wiederholten Mal um das Gefühl, “als wenn es gleich zu Ende wär'”, “Augenblick” hätte ohne die traditionell gedrosselte Strophe auch Peter & The Test Tube Babies gut gestanden, geradeaus gespielter Punkrock, zu dem sich bestens Bierdosen zerdrücken lassen. Ähnlich funktioniert auch “Immer noch”, das vielleicht großartigste Stück des Albums, in dem sich Die-Ärzte-Vibe und die neue Farin-Härte am euphorisierendsten verbinden, der geflüsterte Breakdown-Part vorm Chorus ein Meisterstück in Sachen Arrangement. “Alle dasselbe” will alles, von Ska bis Highspeed-Punk, “Kein Zurück” thematisiert Suizidgedanken, “Dermitder” kombiniert schräge Posaunen mit Dub-Albereien und Vollgas-Refrain.

“Die platten Kalauer der frühen Jahre sind schon lange einer Sprache mit Tiefgang gewichen”, konstatiert man damals ganz seriös im Rahmen eines Porträts bei Treffpunkt Kultur im ORF2, “einer Sprache, die sich mit der Oberflächlichkeit der Zivilisation befasst.” Als “Frontman der Ärzte” will Urlaub sich von Moderatorin Erna Cuesta dennoch nicht bezeichnen lassen. “Sonst gibt es zuhause wieder Ärger”, feixt er, hier eher seriös unterwegs und inhaltlich auch von heute aus gut anzuschauen. Ganz im Gegensatz zum Promotalk-Auftritt bei VIVAs Sarah Kuttner, einem anstrengenden Viertelstündchen aus F(r)otzeleien, Ins-Wort-Fallen und Kalauern.

Irgendwo in der Mitte treffen sich Urlaub und Ingo Neumayer zu jener Zeit zum Thementalk für VISIONS. Es geht um Thoreaus Transzendentalismus-Ansatz und Ralph Waldo Emerson, um Westernhelden und Zyklopen, Bruce Lee und Muhammad Ali und, natürlich, um den Ernst und die Schwere des neuen Albums. Oder ist das alles ein Missverständnis? “Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Tod in mein Leben getreten ist. Erst dachte ich, ich könnte das mit mir selbst abmachen, aber das ging nicht”, so Urlaub. “Dann habe ich eben versucht, das zu verarbeiten. Das musste sein, und daher kommen die persönlichen Texte. Aber zwischendurch beschäftigen mich ja auch immer noch Quatsch-Themen wie der Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb. Ich hätte natürlich auch sagen können: Ich mach jetzt gar nichts Lustiges auf die Platte, aber das wäre zu aufgesetzt gewesen, Geschichtsfälschung quasi.” Die kann man Urlaub kaum vorwerfen, im Gegenteil, treffen sich doch Gags und Gravitas, das Metallische aus der Blasmusik und dem Heavy Rock, die Schwere des Todes und die Leichtigkeit des Seins in fast selbstverständlicher Balance.

Auch das eigene Ende wird schließlich thematisiert, er sei nicht mehr der Jüngste, so Neumayer zu Urlaub – damals gerade mal 41 Jahre alt – ob es denn auch mal Gedanken an die Rock-Rente gäbe? Farin Urlaub verweist auf den Mann in Schwarz: “Da denke ich auch oft drüber nach. Aber nicht wegen des Alters. Ich denke, da hat Johnny Cash uns allen Mut gemacht. Aber ich frage mich, ob ich irgendwann den Punkt erreiche, wo ich a) das Gefühl habe und b) auch zugeben kann, dass jetzt nichts mehr Neues kommt. Dass es irgendwann hässlich und unansehnlich wird, ist ja nicht so schlimm: Die Leute müssen ja nicht hingucken. Aber wenn ich anfange, den ‘Teenagerliebe’-Remix rauszubringen, weißt du: Jetzt darfst du mich von hinten abknallen. Bis das passiert, dürfen es sich die Leute aussuchen, ob sie sich das anhören wollen oder nicht.”

Bela zieht nach

Wie wir heute, 20 Jahre danach, wissen, ist das mit dem Remix noch nicht passiert, Farin Urlaub ist wohlauf, und wie viele Leute immer noch Bock darauf haben, Die Ärzte zu sehen und zu hören, haben die vergangenen fünf Jahre noch einmal eindrücklich vor Augen geführt. “Am Ende der Sonne” – der Titel übrigens, so Urlaub, nicht etwa eine Allegorie auf den Untergang, sondern vielmehr das Symbol für die Unendlichkeit, siehe Covermotiv – erreicht schließlich den Platz an der Sonne, erreicht Platz 1 der deutschen Albumcharts. Drei Jahre würde es dauern bis zum Nachfolger “Die Wahrheit übers Lügen”.

Und Die Ärzte? Die lassen im Oktober 2005 den Bandnamen ins Markenregister eintragen. 2007 veröffentlichen sie ihr nächstes Studioalbum, “Jazz ist anders”, darauf mit “Junge” wiederum ein Klassiker für die Geschichtsbücher, vor dem selbst Xavier Naidoo und Heino nicht Halt machen. Zwischendrin meldet sich auch Bela B zu Wort, macht das, wofür er Kumpel Farin einst bei MTV gepiesackt hat und veröffentlicht im Mai 2006 sein erstes Soloalbum, der Titel: “Bingo”. “Da wird der blonde Lulatsch aber Augen machen”, flachst VISIONS-Autor Nils Klein in seiner Album-Rezension damals. “Bandkollege Bela B kann es auch: ein Soloalbum schreiben.”

Dave Grohl tritt mit Orchester auf

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In diesem Jahr spielte das Sinfonieorchester LA Philharmonic zum ersten Mal beim Coachella. Für ihr Set am zweiten Wochenende am Samstag begrüßten die Symphoniker und ihr Musikdirektor Gustavo Dudamel eine handvoll Gäste – darunter Foo Fighters-Chef Dave Grohl.

Grohl wurde bereits am vergangenen Wochenende als Überraschungsgast gehandelt, nachdem Fans die Proben im Hollywood Bowl belauscht hatten und einen Foo-Fighters-Song ausmachen konnten. Sein Auftritt fand dann gestern Abend tatsächlich statt. Er spielte orchestrale Interpretationen des Foo-Fighters-Songs „The Sky Is A Neighborhood“ von “Concrete And Gold” 2017 und des Klassikers „Everlong“ von 1997. Davor und danach spielten Jazz-Pop-Sängerin Laufey, HipHop-Duo Ca7riel & Paco Amoroso, Cynthia Erivo und Natasha Bedingfield mit dem Orchester.

 

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Grohls Gastauftritt folgt auf die überraschenden Nirvana-Reunions beim All-Star-Benefizevent FireAid mit mehreren Gastsängerinnen und dem Jubiläumsspecial von “Saturday Night Live” mit Pop-Star Post Malone als Gastsänger.

Mit dem Coachella-Auftritt tritt der sonst so omnipräsente Foo-Fighters-Chef immer weiter nach längerer Pause in die Öffentlichkeit. Seit letztem September, als Grohl die Geburt einer außerehelichen Tochter bekannt gab, zog er sich aus dem Rampenlicht zurück und stellte alle Live-Aktivitäten seiner Band ein, inklusive der Absage eines Festivalauftritts. Berichten zufolge haben die Foo Fighters auch ihre Pläne für eine Europatournee dieses Jahr aufgegeben.

Mike Patton will nicht mehr mit Faith No More auftreten

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Während er mit Mr. Bungle bis Sommer 2024 wieder regelmäßig tourte, sieht es immer unwahrscheinlicher aus, dass Sänger Mike Patton in absehbarer Zeit wieder zu Faith No More stößt. Laut Schlagzeuger Mike Bordin will Patton nämlich einfach nicht mehr zurückkommen.

Im Podcast “Let There Be Talk” des Comedians Dean Delray sprach Bordin über den aktuellen Status der Band, rund dreieinhalb Jahre nachdem Faith No More überraschend alle für 2021 angekündigten Auftritte abgesagt hatten. Im Vorfeld habe die Band sechs Monate lang für die Shows – ihre ersten seit fünf Jahren – geprobt. Eineinhalb Tage vor der ersten Show habe Patton schließlich die Probe geschwänzt. Als sie Patton aufsuchten, so Bordin, „war es ganz klar, dass er zu diesem Zeitpunkt körperlich nicht in der Lage war, mitzuspielen. Wir trafen die Entscheidung: ‘Wir müssen unseren Freund unterstützen’. Es wird einen Shitstorm geben, wenn wir 75 Shows absagen, aber keiner von uns will derjenige sein, der ihm das Genick bricht und ihn zwingt, etwas zu tun, wozu er nicht in der Lage ist. Das stand nicht einmal zur Debatte.”

“Es verletzt mich”

Nachdem Faith No More Patton während und nach der Tourabsage unterstützt hätten, sah Bordin allerdings mit an, dass Patton seit Ende 2022 mit den reaktivierten Mr. Bungle wieder auf Tour ging. “Es entwickelte sich von nicht mehr in der Lage zu sein, die Shows zu spielen, zu eindeutig nicht mehr gewillt sein, mit uns zu spielen”, so Bordin. “Das ist ein großer Unterschied. Und wir haben noch nicht wirklich viel darüber gesprochen. Es fühlt sich für mich nicht gut an. Es verletzt mich ehrlich gesagt ein bisschen, aber das ist etwas Persönliches. Das ist eine private Sache. Es geht ums Geschäft. Wir würden nie jemanden zwingen, etwas zu tun, wozu er nicht in der Lage ist. Und jetzt sieht es so aus, als ginge es eher darum, dass man gewillt ist, es zu tun.“ Bordin sei allerdings dankbar für die Zeit, die die Band mit Mike Patton verbracht hat, aber er wisse nicht, wie die Zukunft aussehe.

Semipermanente Pause

Auch der langjährige Keyboarder Roddy Bottum (Man On Man) sagte im Oktober letzten Jahres kurz, aber dennoch pessimistisch, dass sich die Band in einer “Art semipermanenten Pause” befinde. Im Januar sagte Bassist Billy Gould gegenüber dem chilenischen Radiosender Radio Futuro: “Im Moment befinden wir uns in einer wirklich seltsamen Lage, einer wirklich seltsamen Lage, und ich kann euch nicht wirklich sagen, was los ist. Ich weiß es selbst nicht. Ich bekomme verschiedene Informationen von Leuten, und ich bin in der Band.”

Patton stieß 1988 zu Faith No More, mit ihm feierten sie ihre größten Erfolge. Seit Ende 2015 haben sie nun kein Konzert mehr mit Patton gespielt. Faith No Mores letzte Auftritte waren zwei Wiedervereinigungen mit Sänger Chuck Mosely im Jahr 2016, ein Jahr vor seinem Tod.

Ursprünglich hatten die Alternative-Größen geplant, 2022 wieder auf Europatour zu gehen, nachdem ihre letzten Auftritte zum Comeback-Album “Sol Invictus” (2015) dort bereits wieder sieben Jahre zurücklagen. Im September 2021 sagte die Band dann alle Termine ab, Patton entschuldigte sich und erklärte die Absagen mit seiner angeschlagenen psychischen Gesundheit und Problemen mit Agoraphobie, die sich im Zuge des Lockdowns verschlimmert hätten. Nachdem er professionelle Hilfe in Anspruch nahm, ist er wieder mit Mr. Bungle unterwegs, zuletzt auch zum erstem Mal wieder seit 24 Jahren in Deutschland.

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