V.A.
I'll Be Your Mirror: A Tribute To The Velvet Underground & Nico
Text: André Bosse
The Velvet Underground und ihr Mentor Andy Warhol wollen provozieren. Sie kombinieren Lärm und Zärtlichkeit, teilweise gesungen von einer unnahbaren Deutschen. Sie lassen Lou Reed über Themen singen, die in den Songs dieser Zeit – die Aufnahmen finden 1966 statt – kaum zu finden sind, vor allem die Bezüge auf Drogen sind direkt, die Kollegen von den Beatles singen da noch über den Marmeladenhimmel. Dazu noch das Pop-Art-Cover mit der Banane, fertig ist der Eklat, der zu Verkäufen führt. So die Kalkulation. Doch die geht nicht auf: “The Velvet Underground & Nico” ist zunächst kein Bestseller, der immense Einfluss des Albums wird erst mit den Jahren erkennbar: Wer Ende der 60er, Anfang der 70er Lust auf musikalische Abenteuer hat und diese Platte hört, den wird dieses Erlebnis auf ewig prägen. Iggy Pop ist 20 Jahre alt, als dieses Album erscheint, Thurston Moore neun, Michael Stipe sieben. Als die drei ältesten Teilnehmer an diesem Tribute dienen sie als Zeitzeugen für die Wucht, die diese LP erzeugt hat. Wie lückenlos und nachhaltig diese Dynamik wirkt, zeigen die anderen Beteiligten: Bobby Gillespie und Matt Berninger, Sharon Van Etten und Angel Olsen,Courtney Barnett und Fontaines D.C.: Beinahe jede Generation ist dabei. Konzipiert wurde “I’ll Be Your Mirror – A Tribute To The Velvet Underground & Nico” von Hal Wilner, dem Großmeister der Tribute-Kultur. Er verstarb im April 2020 an den Folgen einer Corona-Infektion. Diese Hommage war damals zumindest vorgeplant, nun trägt sie das traurige Merkmal der letzten Produktion von Wilner, dem es gelungen war, diverse Nischenthemen der Musikkultur in Pop- und Rock-Kontexte zu überführen, zum Beispiel Piraten- oder Theaterlieder. “I’ll Be Your Mirror – A Tribute To The Velvet Underground & Nico” verfolgt ein weniger riskantes Konzept: Die Bands widmen sich den Stücken des Albums in Originalreihenfolge. Michael Stipe beginnt mit einer gemütlichen Version von “Sunday Morning”, Matt Berninger hat ein wenig Probleme damit, der subtilen Hektik von “I’m Waiting For The Man” gerecht zu werden. Sharon Van Etten und Angel Olsen singen Nicos “Femme Fatale” halb betäubt, halb betörend, als ständen sie auf der Bühne des Roadhouse von Twin Peaks. Fontaines D.C. ziehen den wortgewaltigen “Black Angel’s Death Song” in ihre düstere Post-Punk-Welt, bevor sich am Ende Iggy Pop mit Hilfe von Matt Sweeney lautmalerisch durch den Lärmbrocken “European Son” ackert. Kein Ausfall, viele Ideen, den unantastbaren Originalen eine andere Färbung zu geben – so geht eine gelungene Hommage.
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