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DZ Deathrays: Shane Parsons im Interview über das neue Album "R.I.F.F."

DZ Deathrays im Interview

Spaß haben mit System
Unter den strengen Regeln im australischen Lockdown werfen die Dance-Punk-Lieblinge DZ Deathrays für ihr sechstes Album „R.I.F.F.“ einen Blick auf ihre Anfangstage als zweiköpfige Party-Band und besinnen sich auf ein allgegenwärtiges System zurück, um nie den Spaß an der Sache zu verlieren. Frontmann Shane Parsons verrät, wie ihnen das im 15. Bandjahr immer noch gelingt, was tatsächlich die besten Riffs sind und was die Zukunft mit einem eigenen Indie-Label sowie dem neuen Mitglied bereithält.
DZ Deathrays (Foto: David Herington)

Shane, als wir das letzte Mal gesprochen haben, war Australien im tiefsten Lockdown und ihr wart alle übers Land verstreut. Wie ist die Situation heute bei euch?

Ziemlich ähnlich. Aber ich bin im letzten Monat in die Blue Mountains gezogen, das ist etwa eineinhalb Stunden westlich von Sydney direkt in den Bergen. [Gitarrist] Lachlan [Ewbank] ist jetzt in Sydney und [Drummer] Simon [Ridley] ist immer noch in Brisbane. Wir haben jetzt auch einen Bassisten, der jetzt mit uns auf Tour geht und an der Gold Coast lebt, die nur eine Stunde südlich von Brisbane liegt. Wir sind also so immer noch überall verteilt.

Von der Großstadt in die Wildnis: Wie kam es denn dazu?

Nun, ich habe jetzt eine Familie. Wir zu den Eltern meiner Partnerin gezogen und wir sind hier oben, um etwas Geld zu sparen, damit wir uns irgendwann irgendwo ein Haus kaufen können. Sydney ist wirklich sehr teuer geworden. Es gibt keine Mietpreisbindung und der Wohnungsmarkt hat im letzten Jahrzehnt einen regelrechten Boom erlebt. Wenn Häuser, die vielleicht 300.000 oder 400.000 Dollar kosteten, auf 1,5 bis 2 Millionen gestiegen sind, dann fragt man sich, was man tun soll. Naja, auf jeden Fall ist es hier oben wunderschön.

Glaubst du, dass die hohen Kosten auch ein Grund dafür sind, dass die Musikszene in Sydney ausstirbt?  

Auf jeden Fall. Sie ist im letzten Jahrzehnt verschwunden. Es wurden viele Venues geschlossen und Gebiete großflächig saniert. Daher sind die Leute, die bereit waren, ein Risiko einzugehen, um etwas in Sachen Musik zu bewegen auch weggegangen. Sie sind entweder nach Melbourne oder Wollongong gegangen. Wenn man all diese Leute aus den Städten vertreibt, werden sie ein bisschen steril. Ich persönlich liebe Sydney. Ich finde, es ist eine großartige Stadt. Aber es ist schwierig geworden. Man muss wissen, wohin man will, muss wissen, was an einem Freitag los ist. Es ist nicht so wie in Berlin, wo man die Straße entlangläuft und nur so über etwas Erstaunliches stolpert.

Wenigstens gehört ihr zu denen, die es immer wieder probieren. Zum Beispiel mit eurem neuen Album. Dafür habt ihr allein zwei Jahre im Studio gearbeitet – länger als je zuvor. Warum eigentlich?

Wir haben im Jahr 2020 mit den Aufnahmen begonnen. Alle waren also noch im Lockdown. Ich war in Sydney und habe Simon und Lachlan elf Monate lang nicht gesehen. „Positive Rising: Part 2“ war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal draußen, da habe ich schon angefangen, an neuer Musik zu arbeiten. Unser Produzent lud mich in sein Studio ein und wir nahmen einfach ein paar Songs auf, die ich geschrieben habe, weil ich so viel Zeit hatte. Dann dachte ich: „Sollen wir einfach noch ein Album aufnehmen?“

Und dann ging es einfach so los?

Im Laufe der zwei Jahre haben wir uns jede Woche einen oder zwei Tage ausgesucht und immer was aufgenommen. Es war sehr entspannt. Wir nahmen die Songs mit nach Hause, hörten uns an, wo der Song stand, und überarbeiteten ihn. Das war eine ganz andere Art der Aufnahme für uns. Ich habe es gerne gemacht, aber ich weiß nicht, ob ich es wieder tun würde. Ich mag die Idee, einfach nur das zu machen, was man braucht, vielleicht eine Woche lang an der Platte zu sitzen, zu überlegen, was fehlt und es dann umzusetzen. Wir müssten viel überarbeiten. Wenn ich einen Song mir nicht ein paar Mal anhören will, wie soll ich das von jemand anderem erwarten? Er muss in meinem Kopf so gut wie perfekt sein, bis ich denke, dass er jetzt richtig klingt. Es war also ein langer Prozess.

Von links nach rechts: Lachlan Ewbank, Simon Ridley und Shane Parsons (Foto: David Herington)

Klingt so, als ob ihr ohne Plan reingegangen seid und einfach Spaß hattet.

Genau, wir haben sogar noch ein paar andere Songs aufgenommen, die es nicht auf die Platte geschafft haben, und haben sie am Ende hinzugefügt. Ich wollte, dass sich die Platte auf eine bestimmte Weise anfühlt. Als wir dann alle Songs hatten, dachte ich mir: „Dieser Song funktioniert nicht wirklich, aber wir hatten diesen anderen Song, den wir schon vor Ewigkeiten aufgenommen hatten und den wir neu arrangiert hatten. Er heißt „Eat You Up“. Das war der erste Song, der für die Platte geschrieben wurde, und der letzte Song, den wir aufgenommen haben.

Ihr wurdet dabei auch ziemlich kreativ. Einen Song habt ihr mit einem Telefon aufgenommen, für einen anderen habt ihr mit Akustikgitarren gearbeitet.

Das haben wir. Man kann Lachlans Partnerin Eileen [Sparks] auf „Paranoid“ hören, die sagt „Oi! Oi! You’re paranoid“. Ich fragte ihn, ob er Eileen dazu bringen kann das zu sagen und nahm es mit seinem Handy auf. Ich packte es dann aufs Demo. Bei „King B“ haben wir etwas Ähnliches gemacht. Dafür spielte ich eine Akustikgitarrenmelodie auf einer Gibson J 45. Das klang einfach zu schön. Wir hatten also eine Audioaufnahme davon und ich habe sie über die Lautsprecher mit meinem Iphone aufgenommen. Es ist schwer zu erkennen, aber es klingt eher wie eine Aufnahme des Lautsprechers als wie ein Instrument. Es gibt heutzutage so viele interessante Dinge, die man mit Technologie machen kann. Die Sache mit dem Iphone war eine davon.

Spiegelt sich so etwas auch im Titel des Albums wider? Das Akronym soll ja für „Remember It’s For Fun“ stehen.

So in etwa. Wir haben Songs geschrieben, die eine Art traurige Spottlieder sind. Ich wusste, dass, wenn die Platte rauskommt, niemand mehr etwas über Lockdown hören will. Es sollte also etwas mehr Party-Stimmung haben, ein bisschen wie die älteren Sachen vielleicht. Aber auf eine neue Art und Weise, was die Produktion angeht.

Aber woher kommt dann die Abkürzung?

Die ganze Sache hat bei einer unfassbar schlechten Show im ländlichen Australien vor vielen Jahren angefangen. Es war an einer Universität und sie gaben uns ein Seminarraum mit einem Whiteboard zum Abhängen. Ich habe einfach etwas darauf geschrieben und alle aufgemuntert wie ein Coach: „Heute Abend wird es nicht so gut werden, aber wir haben dieses System, es heißt ‚R.I.F.F.‘ – ‚Rember It’s For Fun‘. Deshalb sind wir hier.“

Seitdem benutzt ihr das „R.I.F.F.“-System?

Wir haben es nach dieser Show einfach beibehalten. Wir haben so viele Konzerte in ganz Amerika, Europa, Großbritannien und Australien gespielt. Nicht jede Show ist atemberaubend, also benutzen wir das System: Lasst uns da rausgehen und eine wirklich gute Zeit haben, egal was passiert. Wenn 20 Leute da sind, dann ziehen wir es trotzdem durch, denn am Ende macht es immer Spaß. Wenn du es für dich selbst lustiger gestaltest, wird die Show umso unvergesslicher. Als wir mit den Dune Rats auf Tour waren, hatten wir einige Shows, die ziemlich hart waren. Auch sie haben alle mitgemacht – sie haben es verstanden.

DZ Deathrays bereits sich auf das „R.I.F.F.“-System vor (Foto: David Herington)

Aber du hast Recht. Ihr habt den Party-Vibe von etwa „Black Rat“ eingefangen auf dem neuen Album. Verstehst du es als Befreiungsschlag nach den letzten Jahren?

Das ist es. Wir wollten einfach sehen, wie wir einige Sachen härter, elektronischer und tanzbarer machen können, die Gitarren in den Vordergrund stellen und den Gesang verzerren. All das macht die neuen Songs so aufregend. Ich bin jetzt Mitte/Ende 30, meine Blütezeit war etwa Mitte der 2000er. Das waren meine prägenden Jahre für die Musik. In der Zeit von 2003 bis 2010 habe ich die Musik gehört, die mich beeinflusst hat. Als ich noch ein bisschen jünger war, gab es Sachen wie Nirvana. Aber als ich Anfang 20 war, gab es dann Bloc Party und elektronische Künstler. Daft Punk waren angesagt, Master Craft und Justice. In unseren Anfangstagen war es für uns eine große Sache, diese Bands als Referenzen zu verwenden. Ich wollte nochmal sehen, was den Stein ins Rollen gebracht hat und habe mich davon inspirieren lassen.

Bei „Love And Destruction“ etwa kommt sogar ein bisschen Kasabian durch.  

Nun, ich liebe die ersten beiden Platten. Sie hatten etwas von klassischer Rockmusik, aber sie hatten auch diese großartige Energie mit einem funky Breakbeat in sich. Man hatte immer Lust, sich ein Fußballspiel oder eine Filmszene dazu anzuschauen. Ich glaube, Oasis hatten auch diesen Song „Fuckin‘ In The Bushes“ gemacht, der in dem Film „Snatch“ in der Boxszene vorkommt. Ich liebe einfach dieses Gefühl des Songs. Da fühlt man sich ziemlich tough.

Schreibst du DZ-Deathrays-Songs auch manchmal für solche Filmszenen in deinem Kopf?  

Ich glaube, es gibt einen Song auf „Positive Rising: Part 2“, der ziemlich langsam und groovig wurde. Ich dachte, das wäre ein toller Anfang für „True Detective“. Er hatte einfach diese Art von sexy Gitarren-Lick, du weiß schon.

Wo wir schon bei den Gitarren sind. Was macht ein gutes Riff aus und wie wurde es euer Markenzeichen?

Das wichtigste Spielzeug ist, irgendetwas im Riff oder im Song wieder zu verwerfen. Es gibt also immer einen Moment, in dem es einen Halbton gibt oder man einfach zum nächsten Teil übergeht, damit es sich einfach ein bisschen daneben anfühlt. Das ist es, was ich mag, und was den Unterschied ausmacht  – das Riff einprägsamer macht.

Hast du ein Beispiel dafür auf „R.I.F.F.“?

Es gibt ein paar gute Riffs auf der Platte, an denen wir ziemlich hart gearbeitet haben. „King B“ ist eines davon. Ursprünglich begann es in einer anderen Tonart. Es war ziemlich langsam und ich sagte: „Oh, das wäre großartig, dieses große 4-to-the-floor-Riff zu haben und dann eine Akustikgitarre einzusetzen, damit es sich wie Tag und Nacht anfühlt.“ Am Ende änderte ich die Tonart, bis ich sie und die richtige Akkordfolge gefunden hatte. Dann habe ich die Noten so verändert, dass sie in die Akkordfolge passten, so dass es sich von Anfang bis Ende flüssig anfühlte. Das war wahrscheinlich der Track, auf den wir die meiste Zeit verwendet haben, weil ich so viel ausprobieren musste. Songs wie „My Mind Is Eating Me Alive“ hat Lachlan gemacht. Sein erstes Instrument war das Schlagzeug, er ist also sehr rhythmusorientiert, und der Song erinnerte ihn an die Band Battles – glitchy, elektronisch und schwingend.

Was ist denn überhaupt dein Lieblingsriff?

Oh, das ist eine schwierige Frage. Eines davon ist die Bassline von „E Talking“ von Soulwax. Sehr, sehr cool. Ich finde auch „Helicopter“ von Bloc Party großartig. Auch „Plugin Baby“ und „Newborn“ von Muse sind tolle Riffs. Das „Newborn“-Riff ist sehr interessant: es ist irgendwie wummerig, geht in halbtonale Sachen über, nimmt sich zurück und öffnet sich dann wieder. Diese drei sind auf jeden Fall ganz oben auf der Liste für mich.

Ihr habt für die neue Platte euer eigenes Label DZ Worldwide gegründet. Warum?

In unserer gesamten Karriere waren wir so ziemlich beim selben Label I Oh You. Sie waren großartig zu uns und wir sind zusammen Zeit gewachsen. Als es zu dieser Platte kam, war es ein guter Zeitpunkt, sich zu trennen. Sie wollten ein paar neue Künstler aufnehmen und Platz schaffen, und wir dachten, es wäre eine gute Chance. Wir haben lange darüber nachgedacht, aber wenn wir jemals ein unabhängiges Plattenlabel gründen wollen, sollten wir es jetzt tun. Es hat uns sehr viel produktiver gemacht, was Ideen und Kreativität angeht. Wir haben ein Team, zahlen unsere eigenen Rechnungen. Es ist eine Menge Arbeit, aber es ist alles gut. Vor allem gab es die Firma schon. Simon hat letztes Jahr ein Videospiel herausgebracht, wofür wir sie bereits gegründet hatten.

Habt ihr vor, auch andere Bands aufzunehmen?

Ich glaube nicht. [lacht] Wir haben aktuell kein Kapital, das wir in eine andere Band stecken könnten. Sagen wir einfach: Es wäre toll, irgendwann eine Band aufzunehmen, aber die Musikindustrie ist seltsam. Es ist eine Menge Glück und eine Menge Timing im Spiel. Wir haben wirklich Glück, die Chance zu haben, Teil des Ganzen zu sein.

Stimmt es, dass das Touren für australische Bands noch wichtiger ist als das Veröffentlichen von Alben?

Ja! Und man muss es in einem anständigen Umfang tun, um damit Geld zu verdienen. Denn wen man in Australien mit vier Leuten herumfliegt, kostet das jedes Mal 1000 Dollar. [lacht] Als kleine Band ist es schwer, die Kosten zu decken. Also fangen viele Bands, wie wir damals, damit an, von Montag bis Freitag zu arbeiten und dann nur am Wochenende Shows zu spielen. Simon und ich konnten das anfangs recht einfach machen, weil zwei Leute recht billig sind, aber jetzt sind wir vier Leute plus Crewmitglieder.

Wie habt ihr zuletzt Luke Henery von Violent Soho als viertes Mitglied ins Boot geholt?

Wir sind mit ihm seit unseren Anfangstagen befreundet. Seine Band hat jetzt eine Pause eingelegt. Im Grunde waren sie auf dem Höhepunkt ihres Schaffens, aber aus welchen Gründen auch immer haben sie beschlossen, dass es an der Zeit ist, die Gitarren für eine Weile an den Nagel zu hängen. Luke war einer der Jungs, die mit der Band weitermachen wollten. Wir haben schon länger mit dem Gedanken gespielt, dass es toll wäre, einen Bassisten zu haben, weil wir mittlerweile mehr Basslinien schreiben. Aber wen sollten wir nehmen? Eines Tages hat es einfach Klick gemacht. Sie trennten sich: sollten wir ihn einfach fragen? Und er war Feuer und Flamme. Es war großartig, jemanden mit uns auf Tour zu haben. Es war so einfach mit ihm auf Tour zuletzt gewesen, wir haben nicht mal Soundchecks gemacht – und er ist ein toller Fotograf.

Ihr seid seit 2020 nicht mehr in Europa gewesen. Wann kommt ihr zurück?

Wir hatten so einen Traum nach der Tour mit The Darkness: Wir spielen ein paar coole Shows in großen Venues mit ihnen und kommen dann zurück und machen danach unsere eigenen Shows. Tja, dann kam das und die Jahre sind ins Land gezogen. Aber jetzt haben wir das Album herausgebracht und wir planen rüberzukommen. Wir haben nur auf das Album gewartet. Wir versuchen also, im November durch Europa und Großbritannien zu touren, aber wir werden sehen, vielleicht verschiebt sich das auf Anfang nächsten Jahres – was auch in Ordnung wäre. Europa ist mein liebster Tourneeort auf der Welt, ich möchte so gerne wieder dorthin.

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