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    Gravenhurst
    Fires In Distant Buildings

    VÖ: 28.10.2005 | Label: Warp/Rough Trade
    Text:
    Gravenhurst - Fires In Distant Buildings

    Purer Folk gehört für den Multiinstrumentalisten Nick Talbot zur Geschichte. Der schüchterne Brite überrascht durch pointierte Einsprengsel von Psychedelia und Krautrock.

    „Oh Nicole, oh Nicole, from the moment we met we let it get out of control“ Jedem anderen müsste man diesen Schnulz als unverzeihlich ankreiden und den Sekt ins Gesicht schütten. Flegel. Doch niemand kann einem Solo-Künstler wie Talbot nachtragen, die volle Palette zu benutzen. Wann immer es Drama und Dynamik erfordern, zieht er die Register wie ein manischer Organist. Aus dem Nichts schmettern plötzlich Faith No More-Gedächtnis-Keys in vollem Ornat, um mit der ebenfalls gerade erst einsetzenden röhrenverzerrten Rhythmusgitarre ein Riff abzuschreiten. Dann wieder Stille. Sein Drummer David Collingwood benutzt zum Teil sogar Besen. Jazzy. Erstmals bekommt das Schlagzeug von ihm eine wichtige Rolle zugeteilt. Anders als bei den drei Alben zuvor. Sanft treibend drückt die klassisch durchratternde Achtel-Kick den Song nach vorne. Wie bei NEU!, wie bei Klaus Dinger. Die Gitarre macht geisterhafte Effekte. Atmosphärischer ist das Gravenhurst nie geglückt. Lag vielleicht am Aufnahmeort, einem georgianischen Haus in Bristol. In seinem Studio-Tagebuch weiß Talbot zu berichten, dass es dort spukt. Ein Pferd geht um. Es wurde 1888 dort gehängt. Für ein Verbrechen, das es nicht begangen hat. Natürlich. Talbot hatte es im Kontrollraum erblickt, kurz nachdem er eine Flasche Hustensaft geleert hatte. Irgendetwas jedenfalls war verhext. Jeden Tag nahm Talbot den Weg über den Friedhof zum Studio, um Atmosphäre zu atmen, doch der Sound in seinem Kopf ließ sich nicht auf die Festplatte übertragen. „Im Studio klang es nach Slint. Ich nehme es nach Hause, spiele es dort ab und es klingt wie Boston“. Die Zeit verrinnt in solchen Situationen schneller als üblich. Schließlich hielt er sich an den „Truth Sayer“, einem kaputten Sony Discman, angeschlossen an einen 27 Jahre alten Fernseher. „To understand the killer/ I must become the killer.“ Erhellend, es funktioniert. Nick Drake statt Boston, hypnotisch statt hyperventilierend. Noch ein Warp-Highlight in diesem Jahr, und was eine Überraschung! Die perfekte Platte für den Herbst. Lyrisch, komplex, dynamisch, erzählend und trotz romantischer Ader angenehm stilsicher und spannend.

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