Platte der Woche: Musa Dagh – “No Future”
Die Supergroup Musa Dagh um Aren Emirze (Harmful, Emirsian, Taskete) und Aydo Abay (Ex-Blackmail, Abay, Ken, Freindz) liefert erneut fiesesten Noiserock mit zuckrigen 90s-Alternative-Momenten ohne jeglichen Kitsch ab. Vielseitigkeit, die von Chaos in Leichtigkeit umschlägt und umgekehrt – und alles andere dazwischen. Mit neuem Drummer Sascha Madsen haben Emirze und Abay für “No Future” den passenden Irren gefunden. Eine Supergroup mit Zukunft!
Metallica – “72 Seasons”
Das lange Warten hat sich wieder gelohnt: Sieben Jahre nach “Hardwired… To Self-Destruct” fangen Metallica sich selbst als selbstreferentielles Heavy-Metal-Universum in Albumlänge ein: Von Ur-Thrash bis hin zu NWOBHM, Prog-Tauglichkeit hat “72 Seasons” das Potenzial, ältere Fans (und sich selbst) in die Zeit und die Ideale der frühen Metallica-80er zurückzubeamen.
The Robocop Kraus – “Smile”
Eine der besten Live-Bands Deutschlands kommt nach 15 Jahren mit einem neuen Album um die Ecke. Darauf weht ein Hauch Freude und Lebendigkeit mit einer Unverstelltheit durch die 13 Songs, die zunächst die Pointe missen lässt. Dennoch: Wer auch mal auf Ecken und Kanten verzichten kann, wird Spaß an dem melodischen Kern von The Robocop Kraus haben.
Temples – “Exotico”
Alles schon gesagt? Wenn das Debüt hervorragend ist, kann die Band manchmal nicht mit sich selbst Schritt halten. Auf “Exotico” setzt das Retro-Psych-Gespann aus England richtig an, verliert sich aber in Pastellfarben und watteweichem Dreampop in der Endlosigkeit. Trotzdem gelingt Temples eine hübsche Sommerplatte.
Rogers – “Rambazamba & Randale”
Halbernst und schon wieder vergessen: Nicht alle Songs auf dem neuen Album der Rogers machen es einem zu einfach wie zuletzt. Doch wenn die Düsseldorfer Punks etwa mit dem Titeltrack von “Rambazamba & Randale” hervorragend das Gefühl einfangen, nach der Pandemie wieder auf der Straße zu sein, ist die Beliebigkeit mancher Songs ebenfalls vergessen.
Feist – “Multitudes”
Bei Feist bedarf es nicht mehr als einer halbakustischen Gitarre und einer glasklaren Stimme, um mit Folk-Balladen das Spektrum zwischen Leben und Tod abzudecken und trotzdem noch Raum für Stücke zu schaffen. Ihre üppigen Arrangements und unverwechselbare zarte Stimme mündet am Ende regelrecht zu etwas Tröstlichem.
The Tallest Man on Earth – “Henry St.”
Entschleunigung mit Saxofon und Akustikgitarre: Zwischen inhaltsschweren Balladen und eindringlichen Stücken wie “Every Little Heart” treibt Kristian Matsson die Frage um, wie sinnvoll das Streben nach Erfolg in Zeiten nicht enden wollender Krisen ist. Forderung: Ein in Leichtfüßigkeit verpacktes Umdenken.
Kommando Kant – “Eklat”
Eine fragmentarische Bestandsaufnahme zwischen gelebter Innerlichkeit und dem Zustand der Welt: Mit ihrem dritten Album lotet die Hamburger Band Kommando Kant Genregrenzen aus, indem sie zwischen Indie-Pop und Post-Punk lustwandelt und dabei maximal unkonkret in Aussage und Sound bleibt.
Lazy Queen – “Growing Pains”
Auf ihrer EP jonglieren Lazy Queen mit Genre-Versatzstücken und wissen dabei nicht nur mit feinfühligen und sensiblen Stücken Geschichten zu erzählen, sondern auch, wie man mit einer Dampfwalze aus Gitarrenriffs alles platt macht. Akustisches Kontrastprogramm und Lust am Experiment in voller Bandbreite.
Jesus Piece – “…So Unknown”
EInmal mit der Dampfwalze darüber bitte! Jesus Piece verarbeiten auf ihrem neuen Album zwischen Breakdowns und peitschenden Riffs alles zu Kleinholz, was ihnen in den Weg kommt, um am Ende die versöhnliche Message rauszuhauen: Zwischen der ganzen Scheiße sind wir im Grunde doch alle nur Menschen. Und ein Wunder noch dazu.