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Sick Of It All im Interview zu Shows auf Kreuzfahrtschiffen, Tattoos und dem Zustand der Hardcore-Szene

Sick Of It All im Interview

Seasick Of It All
Sick-Of-It-All-Frontmann Lou Koller empfängt im CBGB’s-Shirt und vor riesiger Motörhead-Flagge zum Zoom-Tee. Die Hardcore-Band zwischen den harten Szenen scharrt nach völligem Tour-Lockdown wieder mit den Füßen, wagt sich an Live-Formate auf See und an ein neues Album.
Sick Of It All (Foto: Joerg Baumgarten)
Sick Of It All (Foto: Joerg Baumgarten)

Sick Of It All stechen im nächsten Jahr mit der Wildcat Tattoo Cruise in See. Vom 6. bis 11. Mai schippert die Kreuzfahrt von Bremerhaven über Rotterdam und Dover und hat neben zahlreichen Konzerten auch die erste Tattoo-Convention auf hoher See im europäischen Raum zu bieten.

Lou, wie waren die letzten beiden Jahre für Sick Of It All?

In der Pandemie waren wir als Liveband komplett stillgelegt. Wir mussten uns Nebenjobs suchen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Das war eine harte Zeit. Andererseits hatten wir auch Zeit, eine Menge neuer Songs zu schreiben.

Zusammen mit Life Of Agony habt ihr im Sommer auf der „River Runs Red 30th Anniversary“-Tour eure gemeinsame Vergangenheit zelebriert. Kurz vor Weihnachten dürfen eure Fans die Setlist für eine Show in New York selbst bestimmen. Wie fühlt ihr euch als eine Band, die immer öfter in den Rückspiegel schaut?

Gut. Wir haben die Fans schon einmal die Setlists wählen lassen, um nicht zu viel Routine aufkommen zu lassen. Im Ergebnis wählten die Leute aber fast exakt die gleiche Setlist, die wir vorher auch gespielt haben. Nächstes Jahr wird „Scratch The Surface“ 30 Jahre alt und auch das werden wir feiern.

Wie gut altert die Punk/Hardcore-Szene im Vergleich zur Metal-Community, die das offenbar ganz gut hinkriegt?

Die älteren Fans bewegen sich auf den Shows weniger als früher. In einem traditionell sehr physischen Genre fällt das mehr auf als im Metal. Dort ist Zuhören und mit dem Kopf nicken völlig normal, während man es im hektischen Hardcore als Teilnahmslosigkeit deuten könnte. Ich beneide den Metal darum, keine ernsthaften Nachwuchssorgen zu haben.

Inwiefern?

Ein Freund von mir war kürzlich bei einem größeren Death-Metal-Festival. Dort spielten viele junge Bands, aber auch Szene-Veteranen wie Suffocation. Die jungen Kids haben die Bands ihrer Generation abgefeiert, aber die altvorderen Bands genauso. Bei uns ist das anders. Die Fans von früher kommen natürlich. Einige davon bringen ihre acht- bis zehn-jährigen Kinder mit. Das ist total cool, aber die Leute zwischen 16 und 25 tauchen nicht bei unseren Shows auf.

Rechnerisch muss es also in zehn Jahren einen Riesen-Hype um Sick Of It All geben.

Möglich – vielleicht sitze ich da schon im Rollstuhl (lacht). Ich bin nicht in der Position, mich über all das zu beschweren. Es ist mindestens zehn Jahre her, dass ich mich selbst in einen Pit gestürzt habe.

Ein anderes Jugendthema sind Tattoos. Wie gut erinnerst du dich an dein erstes?

Verdammt gut. Das erste war der Drachen, den wir auch in unserem Bandlogo nutzen. Wir haben uns das zu mehreren Leuten stechen lassen, ich war 19 oder 20. Das Ding oben auf meiner Schulter ist inzwischen ziemlich ausgebleicht.

Was war dein letztes Tattoo?

Auch das ist lange her. Da habe ich mir den ganzen rechten Arm machen lassen. Ein großflächiges, japanisches Motiv, das von den Dragon Ball-Comics inspiriert ist. Ich überlege immer wieder, mir auch den linken Arm stechen zu lassen. Fragt sich nur, wann und wo.

Ihr seid im Mai 2024 erstmals auf der Wildcat Tattoo Cruise dabei, einer schwimmenden Tattoo-Convention auf der Nordsee. Wäre das nicht eine Gelegenheit?

Ich bin kein besonders spontaner Typ, was Tattoos angeht. Auch auf Tour hätte ich oft Gelegenheit dazu gehabt. In Singapur, Japan oder anderen Orten in Asien gab es zahllose Tattoo-Läden, aus denen ich ein Souvenir für die Ewigkeit hätte mitnehmen können – sogar kostenlos. Aber am Ende des Tages kommt eher die Crew mit neuen Artworks auf der Haut zurück als wir. Außerdem hätte ich Angst, dass auf der rauen Nordsee die eine oder andere Linie krumm wird (lacht).

Habt ihr vorher schon Shows auf schwimmenden Venues gespielt?

Wir haben hier in den USA schon eintägige Bootstouren gemacht, aber noch nie fünf Tage am Stück. Was soll ich sagen, so etwas macht Spaß. Diese Trips sind manchmal etwas unvorhersehbar, weil man mehr mit dem Faktor Wetter zu tun hat als bei einer Indoor-Show.

Wärt ihr überrascht darüber, wenn einige eure Teilnahme an einem Kreuzfahrt-Event irritierend finden? In der Metal-Szene hat das Ganze inzwischen Tradition. Im Punk und Hardcore eher nicht. Oder?

Ja und nein. Wir sind nicht die erste Band aus der Punk/Hardcore-Szene, die so etwas macht. Bouncing Souls, Comeback Kid, Gorilla Biscuits, Flogging Molly – die sind alle schon auf solchen Tour-Schiffen unterwegs gewesen. Wir sind mit einem solchen Live-Format eher spät dran.

Habt ihr entsprechende kritische Stimmen dazu wahrgenommen?

Es gab durchaus negatives Feedback, aber ich bin in den letzten Jahren immer mehr davon abgekommen, mich in endlose Internet-Diskussionen einzuschalten. Es ist zwecklos. Ich streite mich lieber von Angesicht zu Angesicht mit jemanden als anonym im Netz.

Was wären deine Argumente?

Wir waren nie die Vorzeige-Band für Political Correctness. Ich nehme lieber eine beobachtende Position ein, als den Zeigefinger zu heben. Natürlich fassen wir uns an den Kopf, wenn wir sehen, welche Ressourcen wir als Menschheit insgesamt und als tourende Band im Besonderen verbrauchen. Jede Menge Diesel für Tourbusse, der Strom auf Festivals, haufenweise Plastikflaschen, in denen oft nur einfaches Wasser steckt – das ist alles irgendwie krank. All diese Dinge werden aber viel weniger in Frage gestellt als eine Schiffstour. Am Ende muss jeder für sich selbst entscheiden, wie man sich in dieser komplexen Konsumwelt verhält.