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Mr. Irish Bastard im Interview über ihr neues Album und die irische Diaspora

Mr. Irish Bastard im Interview

»Die richtige Band für große politische Aussagen? Vielleicht.«
Auf ihrem neuen Album „Battle Songs Of The Damned“ stellen die Münsteraner Mr. Irish Bastard die Schicksale und Konflikte der irischen Diaspora in den Vordergrund und finden abseits von Songs über Alkoholgenuss und Schlägereien eine reiche Historie und Geschichten über die Menschen dahinter. Mit Chris Lennon, dem „Irish Bastard“ höchstpersönlich, haben wir über Recherchen zu Songs, die Wichtigkeit von Botschaften und das Vermächtnis von Shane MacGowan gesprochen.
Mr. Irish Bastard (Foto: Julia Radzieowksi)
Mr. Irish Bastard (Foto: Julia Radzieowksi)

Chris, wie seid ihr dazu gekommen, die irische Diaspora in den USA auf eurem neuen Album „Battle Songs Of The Damned“ in den Fokus zu stellen?

Chris Lennon: Das Thema Immigration hat mich immer umgetrieben, weil ich selbst einen irischen Pass habe und somit Teil der Bewegung war. Ich wollte ein Album schreiben, auf dem das Thema Immigration nicht aus einer Position der Schwäche betrachtet ist, sondern aus einer Position der Stärke. Was passiert, wenn du dort angekommen bist, wo du bist? Und was passiert, wenn du dich breit machst?

Also gab es von Anfang an den Plan, ein Album über dieses Thema zu schreiben?

Nein. Das war dann eher bei der Songauswahl, wo man merkte, dass man viele Geschichten zusammenknüpfen kann. Das Konzept kam erst später. Es gibt natürlich jenseits von Saufen und Raufen eine ganz reiche irische Geschichte, die immer verkürzt dargestellt wird. Natürlich bin ich selber Teil des Verkürzens, weil ich auch solche Songs schreibe. Aber ich wollte ein paar Sachen machen, die eine andere Seite dieser coolen Geschichten beleuchten.

Wenn ihr Songs mit historischen Bezügen schreibt, geht ihr dann vor dem Schreiben in eine Art Recherchemodus?

Es sind Geschichten, die dir über den Weg laufen und die du dann einfach nochmal genauer nachbaust. Oder Sachen, bei denen du eine halbe Idee hast. Zum Beispiel “My Love Is Back From America“; als ich den geschrieben habe, hatte ich am Anfang nur diese Zeile. Aus der ergab sich diese Geschichte, die auf dem Buch „Brooklyn“ von Colm Tóibín aufbaut, das auch verfilmt wurde. Dann bekam der Song auch noch eine italienische Komponente, weil es in dem Film auch darum geht.

Besonders auffällig ist in der historischen Hinsicht auch „New York’s Irish Navy“ über die New Yorker Schleppkahn-Flotten. Musstest du da tatsächlich Quellen heraussuchen und Fakten überprüfen?

Bei dem Song bin ich wieder über eine Zeile gestolpert. Ich habe sie am Anfang eines Artikels in der New York Times gelesen, aber der Rest des Artikels war hinter einer Paywall. In dem Artikel geht es darum, dass sehr viele Iren in diesem Kahnschubser-Geschäft in New York tätig waren, weshalb es hieß, das wäre „New York’s Irish Navy“. Was für eine geile Zeile! Es ging sogar so weit, dass ich bei der Firma McAllister in New York angerufen habe. Einer der Söhne des Gründers war kurz davor verstorben, also habe ich mit dem Sohn geredet, der auch schon um die 60 ist. Der hat gesagt, dass es schade wäre, dass ich jetzt erst fragen würde, weil sein Vater einen Riesen-Kick aus der Nummer gekriegt hätte. Dass jemand anruft und fragt, wie das alles war und ob er mir Fotos und Videos schicken könne. Es gab tatsächlich so viel an dieser Geschichte, dass ich darüber mit jemandem sprechen wollte.

„No Justice, No Peace“ ist ein Song, in dem die frühere Diskriminierung von Menschen aus Irland thematisiert wird, der aber auch einen Slogan anführt, der aus der US-Bürgerrechtsbewegung stammt. Ist das als eine allgemeine Solidarisierung zu verstehen?

Die Bürgerrechtsbewegung in Nordirland von 1968 war inspiriert von der Bürgerrechtsbewegung in den USA – also ist das verbunden. In Nordirland haben die Katholiken quasi das erlebt, was Schwarze in den USA erlebt haben. Es gab einen bekannten Politiker namens John Hume, der sich als Teil der Bürgerrechtsbewegung auf die Straße gestellt hat. Das mit der neuen Zeit zu verknüpfen und diese beiden Ebenen textlich zusammenzubringen, ist Teil des Songs. Die ersten Zeilen bringen immer zwei Städte zusammen und verknüpfen Ereignisse in diesen beiden Ländern zu dieser Zeit. Das klingt verkopft, aber das soll es gar nicht sein. In diesen vier Wörtern steckt wahnsinnig viel Wahrheit. Es kann keine Ruhe geben, wenn nicht alle dabei gut wegkommen. Das ist banal, aber wichtig.

Seht ihr in solchen Inhalten auch eure Funktion als Punkband?

Obwohl wir eine gewisse Breitbeinigkeit und Leichtigkeit an den Tag legen, ist es wichtig für uns, auch etwas zu sagen, was darüber hinausgeht. Wenn du so eine Verknüpfung schaffen kannst, kannst du vielleicht auch sagen, dass das, was wir jetzt erleben, nicht neu ist, sondern wir in einer Zeitschleife sind. Wenn jemand das daraus mitnehmen kann, ist das super. Ob wir jetzt die richtige Band sind für große politische Aussagen? Vielleicht, ich weiß es nicht.

„The Parting Glass“ ist ein ewiger Klassiker des irischen Volksliedguts. Wie nähert ihr euch als Band einer Interpretation davon?

Man nähert sich mit großer Vorsicht. Dann versucht man, irgendwas Eigenes drin zu haben. Wir haben mit der Melodie, den Einsätzen und dem Tempo gespielt und man macht es natürlich so, dass man es einem verzeihen kann. Ich glaube, es ist uns gelungen, dem Song so eine eigene Identität zu geben, obwohl er eine sehr große Persönlichkeit hat. Wir haben schon überlegt, ob man das machen kann und ob es dann auch stark genug ist.

Der Opener „All My Friends Are Idiots“ wäre ja ein Beispiel der ganz anderen Sorte, bei dem ihr euch auch an traditionellem Material orientiert. War das im Vergleich einfacher?

Es war zumindest einfacher, die Texte auswendig zu lernen. Auch der Song hat so ein paar verschiedene Iterationen und ich fand die Idee mit dem Kinderreim „Ten Green Bottles“ am Anfang super. Als wir von zehn heruntergezählt bei sieben angekommen waren, merkten wir aber, dass das echt lang werden kann. Wir mussten irgendwie einen Weg finden, dass wir da elegant herauskommen.

Ihr wart 2010 ja auch gemeinsam mit den Pogues auf der Bühne. Ein wichtiger Einfluss für euch?

Die Pogues sind natürlich dann der große Einfluss schlechthin. Shane war an dem Tag in guter Form und wir haben ihn auch kurz persönlich vors Gesicht gekriegt, obwohl er ein bisschen abgeschirmt war. Wir haben nachher noch mit der Band gequatscht und herumgestanden und Bier getrunken. Wenn das deine großen Vorbilder sind, ist das natürlich ein wahnsinniges Ereignis für dich. Die Lehre daraus ist, dass man wohl doch seine Helden kennenlernen soll. Wenn man bedenkt, dass Philip Chevron verstorben ist und jetzt Shane, waren wir in einer Zeit dabei, wo die Band noch eine leichte Reinkarnation hatte und es nochmal so ein bisschen zusammen ging.

Wie hast du auf den Tod von Shane MacGowan letztes Jahr reagiert?

Er war ja 65, als er gestorben ist. Das ist für einen Musiker mit seinem Lebenswandel gar nicht mal so schlecht. Trotzdem ist man natürlich getroffen und enttäuscht. Man denkt ja, dass seine Helden unsterblich sind und ich habe dann nochmal über das Erlebnis nachgedacht. Das war einer der prägenden Tage für mich. Wenn du Musik machst, und du hast die Möglichkeit, denjenigen persönlich zu treffen, dessen Platten du gehört hast. Ich habe früher die Nadel von „Rum, Sodomy & The Lash“ immer wieder auf „Dirty Old Town“ gemacht, weil das so eine geile Scheiße war.

Live: Mr. Irish Bastard

04.04. Bremen – Tower
05.04. Bielefeld – Forum
06.04. Hamburg – Logo
12.04. Freiburg im Breisgau – Jazzhaus
13.04. Frankfurt/Main – Das Bett
20.04. Köln – Luxor
11.05. Hannover – Musikzentrum

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