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    Spiritbox
    Tsunami Sea

    VÖ: 07.03.2025 | Label: Rise/BMG/Universal
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 384
    Platte des Monats
    Spiritbox - Tsunami Sea

    Die Zeichen stehen auf Sturm: Konnten sich Spiritbox mit ihrem Debüt 2021 bereits einen Namen unter Metalcore- und Prog-Metal-Koryphäen machen, gilt es nun diesen Platz zu verteidigen. In “Tsunami Sea” gewinnen sie an Härte und Varianz hinzu, ohne den Durchblick zu verlieren.

    Während ihr Debüt “Eternal Blue” und die 2023 veröffentlichte EP “The Fear Of Fear” zumindest zwischenzeitlich noch von primär eingängigen Songs lebten, werden Spiritbox auf “Tsunami Sea” ungemütlicher. “Fata Morgana” fällt schnell mit der Tür ins Haus, wenn sich Frontfrau Courtney LaPlante zu den für die Band mittlerweile typischen Downtuning-Riffs und Blastbeats die Wut von der Seele schreit und festhält: „Pain is nothing but an infinite enemy upon my conscience“. Der Taktwechsel zum Ende des Songs leitet nahtlos über in “Black Rainbow”, das im Instrumental vor Wut fast überschäumt, aber zugleich elektronische Elemente, wie zuletzt etwa in “Rotoscope” gehört, in den Sound einfließen lässt. LaPlantes Stimme ist außerhalb des Refrains so stark verzerrt, dass sie auch von einer künstlichen Intelligenz generiert sein könnte.

    Für alle fragileren Seelen bietet “Tsunami Sea” aber noch mehr Abwechslung als ausschließlich Hass in Reinform: Ein wenig glatt geleckt kommt “Perfect Soul” daher, besonders im Kontrast zum nachfolgenden “Keep Sweet”, das sich nicht nur direkt als Dauerohrwurm entpuppt, sondern einmal mehr die textliche Verworrenheit und spirituellen Neigungen der Band aufzeigt: „But violent little pieces hide like honey bees inside their hive/ Insidious, they rot alive and I know they follow me like a ghost.“ Wer kein abgeschlossenes Anglistik-Literaturstudium vorweisen kann, bleibt hier wohl vorerst auf der instrumentalen Ebene und hofft auf nähere Erklärungen aus den Tiefen des Internets in naher Zukunft.

    Genug Spannung bleibt schließlich auch auf der musikalischen Oberfläche vorhanden, besonders beim Zwischen-Rave “Crystal Roses”, der die Frage beantwortet, was wohl passiert wäre, hätte sich Blümchen in den 90ern für Metal statt Eurodance entschieden. Klingt skurril, funktioniert aber und erinnert im besten Sinne an “Nihilist Blues” von den Genre-Kollegen Bring Me The Horizon. Bei besagtem Song hat LaPlante bereits einige Male live ausgeholfen und ihre Vorliebe für den Song geäußert – eine Inspiration dadurch ist also naheliegend.

    Deutlich proggiger wird es in “A Haven With Two Faces”, das eine Hymne auf die Heimat der Band, die kanadische Vancouver Island, und ihren zugleich bislang längsten Song darstellt. Neben Heimatliebe stehen auch Themen wie Depressionen im Fokus des Albums, etwa im Titelsong. Etwas direkter wird LaPlante in “Soft Spine”, den sie aktuell live ankündigt als „einen Song für die Leute, die ich verdammt nochmal hasse“. Zwischen hitzigen Screams und Growls ist das auch kaum zu überhören.

    Was bringt das Ganze zum runden Abschluss? Natürlich eine emotionale Ballade: “Deep End” vereint alles, was nötigt ist, um Gänsehaut auszulösen. Besonders in Verbindung mit dem Gedanken, dass der Text dem 2024 verstorbenen ehemaligen Spiritbox-Bassisten Bill Crook gewidmet scheint. Insgesamt gesehen macht “Tsunami Sea” einmal mehr klar: Spiritbox sind gekommen, um zu bleiben und die Szene aufzurütteln.

    DNA:

    Periphery“Periphery V: Djent Is Not A Genre” (3Dot, 2023)

    Nicht nur “Wildfire” hätte so auch aus der Feder von Spiritbox stammen können. Mit ihren teils unvorhersehbaren Wechseln zwischen einnehmender Härte und cleanen Gesangsparts lassen sich leicht Vergleiche zwischen dem aktuellen Album von Periphery und Spiritbox ziehen. Selbst wenn die US-Amerikaner vor allem auf “Periphery V” den Fokus auf Longtracks setzen und ihre Songs teils über elf Minuten spannen.

    Jinjer“Wallflowers” (Napalm, 2021)

    Es liegt fast zu nah, aber dennoch: Nicht nur die Stimmfarben von Tatiana Shmayluk und Courtney LaPlante ähneln sich, auch musikalisch lassen sich in den generellen Songdynamiken und der häufig genutzten Polyrhythmik Ähnlichkeiten finden. Gerne würde man beide Bands mal gemeinsam auf einer Tour erleben.

    Enter Shikari“Take To The Skies” (Enter Shikari, 2007)

    Auch wenn Enter Shikari mittlerweile auf ihren Alben deutlich mehr Popappeal in ihre Hardcore-Drum-and-Bass-Einschläge integrieren, fällt es leicht die elektronischen Elemente, derer sich Spiritbox auf “Tsunami Sea” bedienen, mit denen des Debütalbums der Engländer zu vergleichen – ob es nun die gesprochenen Passagen in “No Loss, No Love” sind oder die Trance-Beats in “Crystal Roses”.

     

    Zweitstimmen:

    Dennis Plauk: „Für ihr zweites Album sind Spiritbox so vorgegangen wie für ihr erstes. Auch ‘Tsunami Sea’ sind zwei EPs vorausgegangen – ‘testing the waters’, nennt Courtney LaPlante die Strategie. Sie ist aufgegangen: Spiritbox haben das Auf und Ab aus Metal-Furor und Pop-Appeal perfektioniert.“

    Jan Schwarzkamp: „Gefauche, Geballer und Gewummer als pausenloser Überwältigungseffekt, dabei nur maschinelle Oberfläche, die als Zukunft von irgendwas wahrgenommen werden will, weil auf dem Laptop irgendwelche Genre-Klötzchen nah zusammenrücken. Wie Evanescence im Djent-Wahn – was nicht als Kompliment gemeint ist.“

    weitere Platten

    The Fear Of Fear (EP)

    VÖ: 03.11.2023

    Eternal Blue

    VÖ: 17.09.2021

    Spiritbox (EP)

    VÖ: 27.10.2017