Zwei Alben, die ein neues Selbstverständnis deutscher Popmusik demonstrieren. Hinter Lotte Ohm steckt Vincent Wilkie, der bereits auf eine ansehnliche Discographie zurückblicken kann, mit Das Ohmsche Gesetz aber sein bislang bestes Album vorlegt. Darüber, daß er das hierzulande ungeschriebene Gesetz mißachtet und seine Texte nicht nur im Sprechgesang vorträgt oder brüllt, sondern mitunter tatsächlich singt, kann man weiterhin streiten, zumindest muß man ihm aber zugestehen, daß er ein glückliches Händchen für eingängige Melodien hat. Besserwisser ist jedenfalls ein richtiger Ohrwurm, der durchaus das Zeug zum Hit hätte, und auch mit Der Tag, an dem ich bemerkte, daß Marvin Gaye in meiner Hutschachtel wohnt oder glaukom legt er zwei sehr schöne Songs im Downtempo-Bereich vor. Insgesamt keine schlechte Platte. Daß Lotte Ohm aber ein besserer Produzent als Sänger ist, zeigt sich im direkten Vergleich zu Video, denn bei dem Album von Kirmes hat er ebenfalls die Regler bedient. Das Münsteraner Duo gibt sich noch ein wenig vielseitiger und hat zudem den besseren Sänger und Texter am Start. Das erste Stück gibt hier gleich die Richtung vor: Da heißt es Ja zur Technologie im Refrain, ebenso wird aber die Zeile Gimme HipHop gesamplet, und von den Songstrukturen hat man es schließlich am ehesten mit einer Indieband zu tun. Smells Like Teen Spirit wird gleich mehrfach zitiert, und die klassische Instrumentierung findet durchaus noch Einzug in die eigentlich sehr rhythmusorientierte Produktion. Selbst wenn die Texte manchmal etwas steif oder unzugänglich geraten, wird hier zumindest nicht die beliebte deutsche Weinerlichkeit zelebriert. Mit 44 Arten von Blau oder Stück Nummer sechs (keine Tracklist vorhanden, aber im Refrain heißt es: Ich mag die einfache Struktur) zeigen Kirmes, daß sie in Sachen Songwriting durchaus Talent haben, und das Lotte Ohm-Cover Komm rein ist ihnen ebenfalls ziemlich gut gelungen. Vielleicht hat man es hier tatsächlich mit einer wegweisenden Band zu tun, denkbar wäre das durchaus.
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