Was fundamentalchristlichen Predigern Unbehagen einflößt, ist für Kjetil Nernes eine musikgewordene Verbindung zum Ursprünglichen: In “Norwegian Gothic” schlägt das Herz des Rock’n’Rolls. Ganz wörtlich zu verstehen ist das etwa in “Kinks Of The Heart”, das sich rund um den Pulsschlag der Bassdrum aufbaut – die im Übrigen wie eine morsche alte Tür klingt, die von einem ungebetenen Gast malträtiert wird. Um den hypnotischen Beat entspannt sich ein satanischer Ringtanz, in den – reizvoll in ihrer Gegensätzlichkeit – auch ein Mellotron und ein barbarisch klingender Bass einsteigen. Der Rhythmus des Herzschlags bestimmt auch den finsteren Cowboy-Blues “Hounds Of Heaven”, zu dem sich Nernes in alttestamentarische Egomanien hineinpredigt – der perfekte Soundtrack zu einer Slow-Motion-Gewaltszene in einer leider nie gedrehten Clint-Eastwood-/David-Lynch-Kooperation. Wer ganz genau hinhört, kann auch in “Hallucinational” ein Herz schlagen hören – die Aufnahmen stammen aus Karin Parks Schwangerschaft mit der mittlerweile vierjährigen Tochter und leiten über zu einer Gesangsdarbietung, die die Sängerin direkt aus ihrem Unterbewusstsein zu übermitteln scheint. Es ist symptomatisch für “Norwegian Gothic”, dass sich nach dieser quasi-mystischen Erfahrung nur eine überzogene Rock’n’Roll-Nummer wie “(This Is) The Night” mit ihrer wilden “I am howling into the silence”-Energie anschließen kann. Oder dass ein diabolisches Pseudo-Country-Duett wie “Hard Love” irgendwo zwischen der grandiosen Jazzkellerhymne “The Moon Is Dead” und Post-Punk-inspirierten Songs wie “The Rule Of Silence” und “The Crows” zu finden ist. Martialische Töne à la “Look Daggers” mögen auf “Norwegian Gothic” zwar fehlen, doch in Sachen Kantigkeit steht Årabrots neustes Album dem Vorgänger “Who Do You Love” in nichts nach. Das liegt nicht zuletzt an Nernes’ Gesang, der bei fantastischen Phrasierungen gelegentlich schräg in den Wahnsinn abgleitet. Und auch Songs, die sich zunächst geradlinig und zahm geben – wie das hitverdächtige “Feel It On” oder das entfernt an Joy Division erinnernde “Deadlock” – werden zuverlässig von bratenden Noise-Rock-Gitarren unterwandert. “Norwegian Gothic” ist ein Album, das Polarisierung zur Kunst erhebt. In diesem Sinne darf man sich das abschließende Sample vielleicht auch als Kritiker gelegentlich in Erinnerung rufen: “It’s just a piece of entertainment. Shut the fuck up. You’re not that special.”
weitere Platten
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