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    All Diese Gewalt
    Alles ist nur Übergang

    VÖ: 10.11.2023 | Label: Glitterhouse
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 369
    Schönheit
    All Diese Gewalt - Alles ist nur Übergang

    Nach dem Triumph des aktuellen Die-Nerven-Albums veröffentlicht deren Sänger und Gitarrist Max Rieger ein weiteres Soloalbum als All diese Gewalt. Die im letzten Corona-Lockdown entstandene Platte schwebt frei in Riegers eigenem Kosmos aus Widersprüchen, Übergängen und Entladungen.

    Es ist fast schon gruselig, dass sich „Alles ist nur Übergang“ brennend aktuell anfühlt, während seine Entstehung zurückreicht ins düstere 2021. Die in einem Anflug von Manie entstandenen Songs sind Schlaglichter voller Assoziationen, Zitatfetzen und Reflektionen. Der Mix aus Elektronik, Indie-Gitarren und archaischer Percussion klingt drei Jahre nach „Andere“ weniger nach Postmoderne, Post-Punk oder Wave. „Alles ist nur Übergang“ wirkt wie eine Sammlung von Gedankenspielen auf einem Bett aus Musikgeschichte.

    Was soll man nun von einem Album erwarten, das mit der Textzeile „Ich bin das Licht“ beginnt? Wer sich vom übergroßen Textgestus nicht abschrecken lässt, wird von den folgenden Gegensätzen im Opener aus der Bahn geworfen. Denn die eigene Strahlkraft reicht nicht aus, um den folgenden freien Fluss aus musikalischer Verschränkung von kaputten Synthieflächen und Minimal Beats in „21 Gramm“ zu erleuchten. Die Welt, in der die neuen Songs spielen, befindet sich in einer Art Stasis, einem Schwebezustand in der Atmosphäre gleich, so wie es „Zu Staub werden“ beschreibt. Da fliegen Satelliten wie „goldene Altäre“ vor dem inneren Auge vorbei, „100 Kilometer über der Erde“. Riegers Bildwelten sind geprägt von kontemplativer Beobachtung, während er sich einer Sprache bedient, die nur noch rudimentär an frühere Alben erinnert. Zitate aus christlicher Mythologie treffen auf Beschreibungen von Innenwelten und lyrische Reimfolgen.

    Musikalisch greift er dabei tief in Hallräume und produziert epische Weite, sei es mit Fuzz- und Slide-Gitarren oder leicht verzerrtem Rhodes-Klavier. In „Etwas fehlt“ scheinen All diese Gewalt als Jazz-Trio aufzuspielen, „So leicht“ begrüßt einen verhuschten Hintergrundchor, dann wieder erheben sich in einem seltenen aggressiven Moment Gitarrenwände in „AB AB AB“. Die so konstruierten Kulissen verleihen „Alles ist nur Übergang“ seine autarke Identität, und die ist sowohl neu als auch schon wieder Geschichte. Wenn sich Max Rieger heute für ein neues Album einschließen würde, wäre sowohl der Ansatz dafür ein anderer als auch die Welt, in der es entsteht. Trotzdem passt „Alles ist nur Übergang“ mit seiner ergebnisoffenen Sprache erschreckend und wunderbar ins Hier und Jetzt. Ein bisschen Hoffnung gibt es immerhin auch – im Outro von „AB AB AB“: „Ich bin immer noch hier, das Schlimmste hinter mir“.

    Das steckt drin: Apparat, Portishead, Radiohead

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