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    The Smile
    A Light For Attracting Attention

    VÖ: 13.05.2022 | Label: XL/Beggars/Indigo
    Text:
    Platte des Monats
    The Smile - A Light For Attracting Attention

    Das arschcoole Metronom – Es ist nicht so einfach, über das erste Album von The Smile zu schreiben, ohne an irgendeiner Stelle den Textentwurf als „Radiohead.docx“ abzuspeichern. Zwei Drittel Radiohead, ein Drittel Sons Of Kemet, produziert von Radiohead-Stammproduzent Nigel Godrich? Fertig, nächste Platte. Ja, aber …

    Johnny Greenwood, Thom Yorke und Tom Skinner haben ein losgelöstes und eigenständiges Werk geschrieben, dessen musikalische Kraft in einer Art inszeniert ist, die Radiohead seit einem Jahrzehnt nicht mehr so richtig hinbekommen. Vielleicht ist es die Reduktion auf den Radiohead-Bandkern, die diese Fokussierung bewirkt, während Skinner als Jazzdrummer aus der allerersten Reihe als arschcooles Metronom fungiert. Der Buzz um die im Lockdown gegründete Band wächst mit der Veröffentlichung von Singles und drei live gestreamten Konzerten Anfang des Jahres. Diese zeigen ein Trio, das sich explosiv freispielt und so wirkt, als wäre sein Post-Punk das Normalste auf der Welt.

    Es folgen Schlaglichter auf nachdenklichere Songs, wie das cineastische „Pana-vision“, dem sein Einsatz als Untermalung des „Peaky Blinders“-Finale eintätowiert scheint (und es ist kein Spoiler, besagten Moment als episch zu bezeichnen). Greenwood importiert Streicher und Bläser als zusätzliche Ebene und gibt der Band damit überdimensionale Größe. Mit einem Mal wächst das Spektrum, das The Smile mit der krachigen Single „You Will Never Work In Television Again“ oder dem coolen Afrobeat in „The Smoke“ in eine Zeit vor der Jahrhundertwende verlagern, um ein Vielfaches. „The Same“, der Opener des Albums setzt bezeichnenderweise da an, wo „Everything In It’s Right Place“, der erste Song des als Paradigmenwechsel bekannten Radiohead-Albums „Kid A“, aufgehört hat. Prophetisch – zum Zeitpunkt des Songwritings ist ein Krieg auf europäischem Boden noch kein Thema – bittet Yorke in einer Kulisse aus Grummeln und somnambulen Harmonien, aufzuhören zu kämpfen: „Please, people in the streets/ We all want the same/ We are all the same“. „The Opposite“ mischt Skinners unwiderstehlichen, von Synkopen durchzogenen Shuffle mit pluckernden Gitarrenpickings und psychedelischen Hall-Orgien. Auch das folgende „You Will Never Work In Television Again“ mit seiner verhallten Gitarre und motorischem Beat verstärkt den Eindruck von Hektik, die Botschaft, dass es in dieser Welt noch vieles zu entdecken gibt. So wie das wunderschöne „Speech Bubbles“, eine Ballade im Geiste von „Pyramid Song“ oder „Street Spirit (Fade Out)“, erweitert um ein sinfonisches Panorama ätherischer Schönheit. Fast schon hypnotisch, und ganz ohne den Einsatz von elektronischer Percussion, krautrockt „A Hairdryer“, während „We Don’t Know What Tomorrow Brings“ den leiernden 80er-Sound der Nu Romantics streift. Das präzise Handwerk von Skinner trägt dabei jeden Moment – sogar jene, in denen er sich entscheidet, nicht zu spielen.

    The Smile vervollständigen auch ein paar uralte, bislang nicht produzierte Songideen von Radiohead, allen voran „Open The Floodgates“. „Free In The Knowledge“ hat wiederum das Zeug zum Soundtrack unserer Zeit, der einen bei der Hand nimmt und ins Ungewisse führt. „A Light For Attracting Attention“ ist kein ungestümer Spaß oder das raue Punk-Album, das einige erwartet haben. Im Gegenteil ist es genau das, was man nicht erwarten konnte.

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