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    Idles
    Crawler

    VÖ: 12.11.2021 | Label: Partisan/Pias/Rough Trade
    Text:
    Schönheit
    Idles - Crawler

    Mit ihrem HipHop-Produzenten Kenny Beats wollen Idles diesmal unmissverständlich klarstellen, dass sie keine Rock-Band sind – das experimentelle Ergebnis wirkt dabei wie Rausch, Kater, kalter Entzug und Katharsis zugleich.

    Man sollte meinen, „Crawler“ sei das bislang egoistischste Album der Briten, denn weit und breit sind weder Gäste noch hymnische Proklamationen von Nächstenliebe zu finden – Joe Talbot bellt diesmal ganze allein auf weiter Flur sein Elend in die Nacht. Dabei nimmt er einen auf eine zynische Reise in sein Ich mit, um sein altes Leben mit Drogen- und Alkoholsucht zu sezieren. Gerade weil er seine Seele so schonungslos von innen nach außen stülpt, vermittelt er das Gefühl, dass niemand allein ist und man trotz dieser traumatischen Erfahrungen auch wieder Freude am Leben haben kann. Das geht tiefer unter die tätowierte Haut als ein weiteres „Joy“. Co-produziert von Kenny Beats und Gitarrist Mark Bowen wagen die Briten dabei größere Experimente als zuletzt auf „Ultra Mono“. Der Opener bleibt trotzdem die Königsdisziplin: „MTT 420 RR“ ist nach dem Motorrad benannt, das Talbot nur knapp verfehlte, als er mitten in der Nacht high in seinem Auto saß – der entscheidende Moment, sein Leben umzukrempeln. Während er bedächtig sein Mantra aufsagt, wird er nur dezent von der Gitarre, aber dafür mit einem sich aufbäumenden Elektro-Dröhnen und Tambourin begleitet. Wortwörtlich nur die Ruhe vor dem Sturm und dem bombastischen Finale: „Are you ready for the storm?“ Für eine Antwort bleibt keine Zeit, denn mit „The Wheel“ geht es direkt in den gewohnten Strudel aus brutal drückendem Bass und treibendem Beat. Dazu gibt Talbot mit „Can I get a halleluja?“ einen manischen Pfarrer, der auf den Knien und mit Schnapsflasche in der Hand erst seine Mutter anfleht, dann die Hörenden. Besonders ungewöhnlich ist die zurückhaltende Soul-Ballade „The Beachland Ballroom“, die mit geisterhaftem Jaulen, Piano und Orgeleinsatz entfernt an Nick Cave & The Bad Seeds erinnert. Als krasser Gegensatz dazu verwandelt sich Talbot in den wahnwitzigen 30 Sekunden Grindcore von „Wizz“ vom „Crawler“ zum Growler, wenn er die kryptischen Textnachrichten seines ehemaligen Dealers brüllt: „P! Rocket fuel/ Bang bang off the train/ Peruvian flake/ Hmmm pink champagne.“ Folgerichtig fühlt man sich in „Meds“ mit scheinbar endlosem Groove und Free-Jazz-Saxofon an die abgehalfterten Typen von den Viagra Boys erinnert, die einem die Pillen überhaupt erst angeboten haben. „In spite of it all/ Life is beautiful“, das Fazit in „The End“, ist die Läuterung von all dem – und macht Idles unsterblich.

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