Converge
Bloodmoon: I (mit Chelsea Wolfe, Stephen Brodsky & Ben Chisholm)
Text: Anke Hügler
Converge sind Weltmeister in Sachen Hass, das bestätigen zum 20-jährigen Jubiläum von „Jane Doe“ im September Kritiker:innen und Fans wie aus einem Mund. Im Gegensatz zu vielen anderen im Hardcore verwurzelten Kollegen zelebriert die Band ihre Zerstörungswut allerdings nicht so unbeeindruckt wie eine Abrissbirne – Converges Musik ist zu gleichen Teilen Explosion und Implosion, ihr Chaos eine Collage aus unzähligen Details und Gefühlen. Besonders prominent beweisen das etwa der knapp zwölfminütige „Jane Doe“-Titelsong oder der erhebende „Axe To Fall“-Klassiker „Wretched World“. Auf dem 2009 erschienenen Album finden sich einige der vielschichtigsten und bekanntesten Converge-Kooperationen, unter anderem mit Cave In-Frontmann Stephen Brodsky und Neurosis‚ Steve Von Till. Beide stießen 2016 wieder zur Band, um gemeinsam mit Chelsea Wolfe und Ben Chisholm ein denkwürdiges Cover-Set auf dem Roadburn Festival zu spielen. Was damals mit Neuinterpretation ruhigerer Converge-Songs begann, legte – in leicht reduziertem Line-up ohne Von Till – den Grundstein für ein gemeinsames Studioalbum. Trotz All-Star-Besetzung ist „Bloodmoon I“ kein bloßer Ausstellungsraum verdienter Szenegrößen. Unter Anleitung von Gitarrist und Produzent Kurt Ballou wagen sich vielmehr alle Beteiligten mit hörbarem Spaß aus der eigenen Komfortzone – so eingängig wie in der graziösen Gothic-Rock-Hymne „Coil“ oder der samtigen Halbballade „Crimson Stone“ hat man Converge bis jetzt noch nie gehört. „Flower Moon“ bereichert das geschmackvolle Düsterrock-Spektrum des Albums derweil mit einer herrlich dubiosen Bass-Line nebst patentierten Black Sabbath-Dissonanzen – und lässt zudem erahnen, wie sich Type O Negative mit Jerry Cantrell am Mikrofon angehört hätten. Denn auch ein wenig Schmutz dekoriert „Bloodmoon I“, im Grusel-Grunge von „Daimon“ etwa oder in Gestalt des scheinbar sonnigen „Failure Forever“, das sich mit seinem desolaten „Our failures last forever“-Songtext selbst einsargt. Auf „Lord Of Liars“ brillieren Converge mit gewalttätigem Gesang und hyperaktiven Leads dagegen auf ihrem umstrittenen Fachgebiet, während spätestens das düstere Sludge-Schwergewicht „Tongues Playing Dead“ erklärt, warum die Schlangen auf dem Album-Cover entfernt an Neurosis‘ „Through Silver In Blood“ erinnern. Für „Viscera Of Men“ beschwört Chelsea Wolfe derweil das ganze apokalyptische Doom-Unheil ihres „Hiss Spun“-Albums herauf. Besonders der im gewaltigen Titelsong demonstriert, wie spielerisch sich Sängerin und Band ergänzen – etwa, wenn Wolfes Stimme im Duett mit Jacob Bannon vom feinen Wimmern zum glorreichen „Deicide!“-Gebrüll aufbäumt. Selbst wenn der Titel in Verbindung mit dem Closer „Blood Dawn“-Assoziationen mit einer Jugendbuchreihe weckt, bleiben Stilbedenken gänzlich unbegründet. „Bloodmoon I“ ist erwachsen im besten Sinne – und ein Lehrstück darüber, wie viel Wucht und faszinierende Eleganz in Musik jenseits von Genregrenzen stecken kann.
weitere Platten
Beautiful Ruin (EP)
VÖ: 29.06.2018
The Dusk In Us
VÖ: 03.11.2017
Jane Live
VÖ: 24.02.2017
Thousands Of Miles Between Us
VÖ: 27.11.2015
All We Love We Leave Behind
VÖ: 05.10.2012
Axe To Fall
VÖ: 23.10.2009
No Heroes
VÖ: 20.10.2006
You Fail Me
VÖ: 20.09.2004
Jane Doe
VÖ: 04.09.2001
Caring And Killing
VÖ: 30.11.1995