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    Idles
    Joy As An Act Of Resistance

    VÖ: 31.08.2018 | Label: Partisan
    Text:
    Platte des Monats
    Idles - Joy As An Act Of Resistance

    Der Ausgang des Brexit ist ungewiss, aber den meisten schwant, es wird nichts Gutes. Idles packen dieses Gefühl in eine der besten Platten des Jahres. Widerspenstiger Punk aus dem Pop-Mutterland.

    Es ist derzeit leicht, die Freude am Leben zu verlieren. Das politische Klima ist nah am Gefrierpunkt und schickt seine untoten Wiedergänger aus längst überwunden geglaubten Zeiten in ganz Europa aus. Besonders gebeutelt: Großbritannien, das eine Handvoll besonders Laute in den Ausstieg aus der EU getrieben hat, dessen Konsequenzen unabsehbar sind. Fest steht: Besser wird dadurch nichts. Ausgerechnet in dieses Klima platzieren Idles eine Platte mit dem Titel „Joy As An Act Of Resistance“. Und die Platte hält, was der Titel verspricht: sie macht unfassbaren Spaß. Manche der Songs darauf verfügen über derart lächerlich simple Refrains, dass man sie auch mit zwei Promille mitgrölen kann. Wie das geht, macht einem Sänger Joe Talbot vor, mit seiner gurgelnden Türsteherstimme.

    Aber „Joy As An Act Of Resistance“ ist wie ein Kaktus. Schön anzusehen, aber wehe man geht zu nahe ran – dann bleibt man in einem der mit Widerhaken besetzten Stacheln hängen. „I’m Scum“ füllt dieses Bild mit Leben: Da ist zum einen der knallharte Post-Punk, den die Band spielt. Gitarren am Rand des Nervenzusammenbruchs, der Bass bollert voller Kraft, das Schlagzeug beschränkt sich auf einfache Dinge, aber umso knalligere Akzente. Die eher gesprochene Strophe führt zu einem Refrain, dessen La-la-la-Melodie nur leidlich kaschieren kann, wie viel Selbsthass Talbot hier auskübelt: „For a long old time I’ve known I’m/ Dirty, rotten, filthy scum“. Daraus spricht die ganze Resignation einer Schicht, die seit Thatcher immer nur Abstriche machen musste, der aber stets Besserung versprochen wurde.

    „Joy As An Act Of Resistance“ ist noch mehr: Talbot ist ein sorgfältiger Beobachter und ein News-, Film-, TV- und Musikjunkie. Seine Texte sind bevölkert von Fußballmannschaften voller lebender und toter Personen, aus denen er ein Panoptikum der Popkultur formt. Allein im Opener „Colossus“ treten auf: Die Wrestler Steve Austin und Ted DiBiase, Jesus, Evel Knievel, Fred Astaire und Talbots Vater, dem er mit diesem Song richtig vors Schienbein tritt. „Danny Nedelko“ trägt wie „Rachel Khoo“ auf dem Vorgänger „Brutalism“ den Titel einer lebenden Person. Ihrem Freund Nedelko widmen Idles wunderbare Zeilen: „My blood brother is an immigrant/ A beautiful immigrant/ My blood brother’s Freddie Mercury/ A Nigerian mother of three“. „Love Song“ ist vermutlich eines der bittersten Liebeslieder, die je geschrieben wurden. Talbot lässt es darin offen, ob er „This modern love“ oder „This mother in law“ singt.

    Hinter den vermeintlich einfachen Songs der Band mit ihren teils schlichten Refrains steckt also viel mehr: textlich, aber auch musikalisch, wenn etwa „June“ im Mittelteil in Richtung Post-Rock ausbricht, und Talbot kurz die Nägel aus dem Hals nimmt, um Kreide zu fressen. Hierin liegt das Faszinierende dieses Albums, seine Langlebigkeit und seine lebensbejahende Widerständigkeit.

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