0,00 EUR

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Startseite » Live » Live-Berichte »

Militarie Gun in Köln mit starker Performance vor lichten Reihen

Militarie Gun in Köln

Zu groß gedacht
Militarie Gun spielen dieses Jahr zum dritten Mal in Köln – dieses Mal allerdings im Rahmen einer richtigen Headliner-Tour. Leider legen die Hardcore-Umdenker ihre einwandfreie Performance vor einem nur schlecht besuchten Gebäude 9 hin.
Militarie Gun im Gebäude 9, Köln (Foto: Tim Lasche)
Militarie Gun im Gebäude 9, Köln (Foto: Tim Lasche)

War das etwa schon zu groß gedacht? Bei ihrer Headline-Tour durch Deutschland kriegen die Hardcore-Durchstarter Militarie Gun das Gebäude 9 bestenfalls zu einem Drittel gefüllt. Schade: verdient hätte die Band, die mit ihrem Debüt „Life Under The Gun“ 90s-Indie und Hardcore erfrischend zusammenwirbelt und zu Recht in reichlich Bestenlisten mitmischt, einen vollen Club allemal – auch ein bisschen, weil allein die aufgedrehte Vorband Gumm vor der Rückreise nach Tennessee den Kollegen fast die Show stiehlt.

Gumm Köln (Foto: Tim Lasche)
Springt höher als Ian Shelton: Gumm-Sänger Drew Waldon (Foto: Tim Lasche)

Militarie-Gun-Mastermind Ian Shelton, dieses Mal im schicken Old-School-Gorillaz-Shirt, kann man am wenigsten einen Vorwurf machen. Er hechtet auf der Bühne von einer Seite zu anderen oder wickelt sich um den Mikroständer, während er mit seiner Band, die seit ihrem letzten Besuch mit einem neuen Drummer spielt, mit 20 Songs fast 50 Minuten durchhält – deutlich länger als bei ihrer ersten Show dieses Jahr im Tsunami Cub. Man merkt ihnen an, wie viel Routine sie auf ihrer Mini-EU-Tour im Frühjahr, der ausdehnten US-Tour, bei der sie Popstar Post Malone als Edelfan gewinnen konnten, und dem Besuch mit Rival Schools sammeln konnten. Shelton hat seine oft angeschlagene Stimme bestens unter Kontrolle und auch sowas, wie das Drum-Intro beim Dazy-Koop-Song „Pressure Cooker“ kommt jetzt nicht mehr vom Band.

Militarie Gun Köln (Foto: Tim Lasche)
Kann auch springen: Militarie-Gun-Sänger Ian Shelton (Foto: Tim Lasche)

Trotz allem: das Gebäude 9 ist viel zu leer, dass die Stimmung aufkommt, nach der sich Shelton, der Militarie Gun wohl am ehesten als Hardcore-Band auf der Bühne versteht, sehnt. Sein offensichtlicher Wink mit dem Zaunpfahl, dass mehr Leute mal nach vorne kommen sollten, da es sicherlich keinen Moshpit geben werde, trägt auch kaum Früchte. Immerhin lässt er sich nicht so runterziehen wie bei der Show mit Soul Glo in Nijmegen vergangenen Juni, bei dem ihm das Thema Moshpit-Performance nicht mehr losließ und packt stattdessen die Geschichte aus, dass sie wegen ihrer Texte vor kurzem vom Grenzschutz nicht nach Norwegen gelassen wurden: „Sie wollten uns dort nicht haben, weil sie Angst hatten, wir würden den Norweger:innen die Großartigkeit der Drogen vor Augen führen.“ Tatsächlich spielt Shelton meist auf das Gegenteil an.

Heute mal Smalltalk statt Stagedive (Foto: Tim Lasche)
Heute mal Smalltalk statt Stagedive (Foto: Tim Lasche)

Als Highlight vor den drei stärksten Songs „Big Disappointment“, “Very High” und „Do It Faster“ am Ende kommt aber nochmal Gumm-Sänger Drew Waldon für eine Gastperformance auf die Bühne und dann merkt man, woran es bei Militarie Gun vielleicht noch krankt: den Willen alles in Schutt und Asche zu legen. Musikalisch sind beide Bands gar nicht so weit entfernt, in der Ausführung liegen allerdings Welten dazwischen: Gumm spielen ihre ebenso kurzen, wie eingängige Songs mit melodischem Kern, offensichtlich viel härter und aggressiver, aber bei der Präsenz der Band um Waldon, der um sich tritt und bellt wie ein wildgewordener Straßenköter, können Militarie Gun bis auf Shelton und den klatschnassen Gitarristen Nick Cogan (auch Drug Church) heute nicht ganz mithalten.

nick cogan von militarie gun (Foto: Tim Lasche)
Gibt alles: Gitarrist Nick Cogan (Foto: Tim Lasche)

Nicht falsch verstehen: Die lichten Reihen im Gebäude 9 bringen auch Gumm nicht zum Ausrasten. Man hat eher das Gefühl NRW wäre dieses Jahr schon übersättigt bei dem dritten Besuch von Militarie Gun, die immerhin erst dieses Jahr so richtig durchstarten konnten. Nächstes Mal am besten nochmal in einer Venue à la Tsunami Club, dann klappt es sicher auch mit den Moshpit-Ambitionen von Shelton. Für größere Bühnen muss das deutsche Publikum vielleicht erstmal nochmal das Wechselspiel von Indie-Melodien, sanfte Hooks und Hardcore-Gebrüll verdauen, das die Band so interessant macht. Das Zeug dafür haben Militarie Gun aber längst – gerade wenn man sich Shows in den USA von ihnen anguckt.

Militarie Gun & Gumm Köln (Foto: Tim Lasche)
Hardcore-Rampensäue mit Hang zu Melodien: Ian Shelton & Drew Waldon (Foto: Tim Lasche)