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    Militarie Gun
    Life Under The Gun

    VÖ: 23.06.2023 | Label: Loma Vista
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 364
    Schönheit
    Militarie Gun - Life Under The Gun

    Hardcore mit Melodien vollzustopfen liegt zwar gerade im Trend, aber kaum jemand bringt den Paradigmenwechsel so kompromisslos auf den Punkt wie Militarie Gun mit ihrem Debüt.

    Die Bereitschaft der Band um Dreh- und Angelpunkt Ian Shelton, sich trotz ihres Hangs zum überharten Einsteigen ihrer ersten EPs stärker auf Melodien einzulassen, steht den großen Brüdern im Geiste von Turnstile und Drug Church mittlerweile nämlich in nichts nach. Im Gegenteil: Die zahlreichen Einflüsse und die Geradlinigkeit beim Vorgehen dieser jungen Typen, die aussehen, als hätten sie gerade erst das erste Semester am College abgebrochen, zeugen von fester Entschlossenheit, das Genre weiterzudenken – und es dafür weder aufzupolieren noch salonfähig zu machen. Für Zuckerguss oder sonstiges Brimborium steckt Sänger Shelton mit Anfang 30 auch schon zu viel Leben in den Knochen.

    Er wächst in schwierigen Verhältnissen auf, nimmt schon als Kind an AA-Meetings teil, da sich seine Familie keinen Babysitter leisten kann. Später wird er deshalb mit anderen“bad kids“ in eine Klasse gesteckt. Shelton verliert sich daher schon früh in der Musik, wirkt an etlichen Projekten mit, darunter auch Self Defense Family, und macht als Kopf von Regional Justice Center vor Militarie Gun ziemlich heftigen Powerviolence. Während er damals noch sein Umfeld explizit verarbeitete und über den Umgang mit gefährdeten Jugendlichen und das katastrophale Gefängnissystem in den USA schrieb, sprüht er auf „Life Under The Gun“ nur so vor positiver Energie.

    Es geht zwar in der ersten Hälfte wie in „Very High“ um Sucht und Scham („Pretty big on embarrassment […] I’ve been feeling pretty down/ So, I get very high“) oder in „Will Logic“ um schlechte Freunde, doch umso mehr zeigt Shelton gegen Ende in der an Blur erinnernden Mellotron-Ballade „See You Around“, dass es Hoffnung gibt, aus dem Teufelskreis der Selbstverachtung auszubrechen. Seine Texte hält er dafür universell, aussagekräftig und vor allem kurz, wie die meist zweiminütigen Songs, die er mit seinem charakteristischen Brunftschrei „Uh, Uh“ passend zur New-York-Hardcore-Kante versieht.

    Diese dürfte neben dem heißeren Geschrei auch als einziges Merkmal der alten Schule übriggeblieben sein, denn Songs wie „Return Policy“ oder „Sway Too“ haben einen durchaus melancholischen Kern, wie man ihn von Fugazi erwarten würde, aber vor allem bei Modest Mouse oder Guided By Voices findet. Auch wenn Militarie Gun mit ihrer frischen Balance schon in höhere Sphären schielen, fühlt sich das gerade wegen ihres Backgrounds nach wie vor am besten auf der Hardcore-Show im Jugendzentrum an.

    Das steckt drin: Fugazi, Guided By Voices, Weezer

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