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Pup über ihr neues Album "Who Will Look After The Dogs"

Pup im Interview

Eine schrecklich nette Familie
Eigentlich dürfte eine Band wie Pup nicht erfolgreich sein. Aber auch fünf Alben mit positiv dämlichen Musikvideos, Texten über die eigenen Unzulänglichkeiten und Gitarrenmelodien in Jazz-Tonarten später halten alte Fans dem kanadischen Weirdo-Punk-Export die Treue und finden neue den Weg in die kunter­bunte Herde. Genauso, wie die vier Bandmitglieder auch immer wieder zueinander finden – obwohl sie sich zwischendurch ganz schön in den Haaren liegen.
Pup (Foto: Martyna Bannister)
Pup (Foto: Martyna Bannister)

Dass sich auch die kumpelhafteste Band einer gewissen Vermarktungslogik unterwerfen muss, das wissen auch Pup mittlerweile. Die kanadische Band, 2010 als Topanga in Toronto gegründet, hat das auf ihrem 2022er Album “The Unraveling Of Puptheband” mit viel Witz, Biss und Ironie thematisiert. Ihr fünftes Album mit dem zu gleichen Teilen selbstironischen wie nachdenklichen Titel “Who Will Look After The Dogs?” widmet sich vermehrt anderen Themen – und nimmt sich selbst nur so wichtig wie nötig. „Ich nehme unsere Musik natürlich ernst“, sagt Sänger und Gitarrist Stefan Babcock. „Aber natürlich bringt sie weder Menschen um, noch rettet sie sie.“ Während seine drei Bandkollegen im Osten Kanadas unterwegs sind, meldet sich Babcock per Videocall aus dem sonnigen Los Angeles. Hier wüteten noch vor wenigen Monaten katastrophale Waldbrände, die reihenweise historische Wahrzeichen und das Hab und Gut Tausender Menschen beschädigt oder zerstört haben. Genau zu diesem Zeitpunkt haben Pup die erste Single ihrer neuen Platte veröffentlicht. „Diese Ereignisse verändern das Leben der Menschen, also kann es sich merkwürdig anfühlen, Musik mit der Message ‚Ich bin sauer und traurig‘ zu veröffentlichen“, sagt Babcock. „Aber generell ist Kunst enorm wichtig. Kunst ist das, was gegen die existenzielle Angst und dieses Gefühl der kompletten Hoffnungslosigkeit ankämpft, das ich fast jeden Tag habe.“

Mit dieser Einstellung ist Babcock nicht allein. Kunst, egal ob in der Malerei oder der Literatur, auf der Leinwand oder dem Tonband, war schon immer ein Weg, die Realität durch eine andere Brille zu sehen und neue Sichtweisen auf sein eigenes Leben und das anderer Menschen zu bekommen. Und anders als es momentan KI-Unternehmen in den Bereichen Bild und Text suggerieren, braucht es für künstlerischen Ausdruck nicht nur Langeweile, sondern einen echten Katalysator. Ein Knopfdruck reicht dafür nicht aus. Trotzdem versucht sich Babcock im Schreibprozess zu “Who Will Look After The Dogs?” daran, Routinen zu etablieren und jeden Tag zu schreiben. Egal, wie mühsam und fruchtlos das manchmal sein mag. Denn nur so können Ideen entstehen. „Jeder Tag, an dem ich aufstehe, mich hinsetze und eine Idee habe, schockiert mich. Es gibt dieses klassische Gefühl, wenn du einen Song beendest, bei dem du denkst: Das war’s, ich bin fertig. Ich habe alles aus mir herausgeholt. Und dann kommt an einem Punkt doch wieder dieser Funke. Du brauchst etwas Ungreif­bares, damit es nicht scheiße wird.“

Auch auf ihrem neuen Album machen Pup dieses Ungreifbare nicht greifbar. Aber es wird klar, dass sie andere Prioritäten als noch vor drei Jahren haben. Damals nisteten sie sich mit The-National-Hausproduzent Peter Katis in ein zerfallendes Landhaus mit jeder Menge Vintage-Equipment ein. Dieses Mal ging es für die gesamte Band nach Los Angeles und Katis wurde durch John Congleton ersetzt. Der Indie-Starproduzent hat etwa The Thermals, Tegan And Sara und Cursive oder auch jüngeren Acts wie Illuminati Hotties, Mannequin Pussy oder Lucy Dacus an den Reglern unter die Arme gegriffen. Laut Babcock war Congleton genau die richtige Wahl. „Er drückt auf Aufnahme, und wenn der Take sich richtig gut anfühlt, kommt von ihm nur: Alles klar, weiter geht’s. In der Vergangenheit hätte es geheißen: Okay, das war gut, aber wir versuchen es jetzt noch fünf Mal, vielleicht wird es ja noch besser. Es gab Momente auf dieser Platte, die in der Vergangenheit niemals durch­gewunken worden wären und glücklicher­weise wurden sie es dieses Mal.“

Pup (Foto: Vanessa Heins)
Pup (Foto: Vanessa Heins)

»Wenn uns etwas zum Lachen bringt, sind wir auf dem richtigen Weg.«

Stefan Babcock

Aufruhr im Paradies

Diese Direktheit und der Verzicht auf Perfektion war Babcock zufolge genau das, was die Band gebraucht habe. Die Entscheidung, nicht zig Gitarrenspuren übereinanderzuschichten, sondern den Live-Aspekt der Band einzufangen, erinnert an die erste Platte. „Damals hatten wir kein Geld, um es anders zu machen. Und ‘The Unraveling…’ war zwar chaotisch, aber das Chaos ist perfekt“, findet Babcock. „Jetzt wollten wir es wieder wie damals versuchen.“ Der Versuch glückt. Der Sound von “Who Will Look After The Dogs?” ist brachialer, roher, weniger poliert. Manchmal werden Text­zeilen vergessen, manchmal singt Babcock schief, manchmal liegen die Instrumente nicht perfekt aufeinander. Aber das ist in Ordnung so. Dabei ist es genau das Herumschrauben an Details, das Pup eigentlich ausmacht – und das auch immer wieder zu Spannungen führt. „Das kann ein Hindernis sein“, erklärt Babcock. „Oft sind es Kleinigkeiten, die uns den Weg nach vorne verbauen. Aber uns ist die Band einfach so scheiß wichtig, und deswegen gibt es diese Spannungen. Die Magie von Pup entsteht für mich aus den Dingen, über die wir uns in den Haaren liegen.“

Genau diese Ansicht Babcocks, die seine Bandkollegen teilen, stößt eine weitere Tür in Richtung Banderfolg auf. Denn man kann sich auch eine gemeinsame Zukunft in den Studios und auf den Bühnen der Welt sichern, ohne dafür Gesellschafter*in zu werden und nur ein Rädchen in einem aus Rahmenverträgen bestehenden Konstrukt zu sein. Man kann eine Band auch als Familie begreifen, in der man sich zankt und hitzig diskutiert, letzten Endes aber immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommt. Das Durchhaltevermögen von Pup gibt dieser Theorie recht. Als sich die Band 2010 gründet, denkt sich keines der Mitglieder, dass es 15 Jahre später zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil von seiner Musik leben kann. Babcock habe selbst nach der Veröffentlichung des Debüts von 2013 geglaubt, maximal ein Jahr genug Geld mit Musik verdienen zu können.

Die Tatsache, dass man sich selbst als Team mit derselben Mission auch mal an die Gurgel gehen möchte, gießen Pup auf dem Nachfolger “The Dream Is Over” im vielsagenden “If This Tour Doesn’t Kill You, I Will” in Text und ein zugehöriges Musikvideo. Für Letzteres prügelt sich die Band gegenseitig ins Kranken­haus, steht aber am Ende doch wieder gemeinsam in OP-Kitteln auf der Bühne. Das, auf eine extreme Weise, ist Familie. Zu der gehört etwa auch Jeremy Schaulin-Rioux. Klar, der Regisseur dieses und vieler anderer Pup-Musikvideos ist nicht Teil der Kernvierers. Aber auf jeden Fall ist er ein wichtiger Pfeiler in einem anderen Familienkonstrukt, das sich im vergangenen Jahrzehnt um die Band gebildet hat. Quasi die Cousins und Cousinen oder die Onkel und Tanten. Das Sicherheitsnetz, das einen auffängt, wenn man sich mal wieder mit den Geschwistern gezofft hat. Neben Schaulin-Rioux ge­hören unter anderem die Foto- und Videografin Martin Wisniewska und Tourmanager Dan Case zu diesem „Club“, wie ihn Babcock nennt.

„Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig unsere erweiterte Familie ist“, sagt er. „Wenn die Crew für eine Band häufig wechselt, hängen häufig beide getrennt voneinander ab. Das ist das komplette Gegenteil von dem, wie es bei uns läuft.“ Babcock betont, dass man sich die kreativen Talente, die das Pup-Universum bevölkern, nicht wegen ihrer Fähigkeiten zusammengesucht hat, sondern dass man befreundet sei, weil man sich mag. „Trotz all dieser Spannungen und der Reibung zwischen uns vieren schöpfen wir so viel Freude draus, dass wir mit unseren besten Freunden Videos machen und als riesige Freundesgruppe zusammen touren.“ Wenn man die Aufnahmeprüfung für Club Pup einmal bestanden hat, gehört man auf jeden Fall lebenslang dazu. Das macht Babcock im Gespräch immer wieder deutlich. Aber mit Zwang hat das nichts zu tun. Die anstehende Tour der Band ist etwa die erste, die sie ohne ihren langjährigen Soundtechniker absolviert, weil der sich mit Frau und Haus lieber einen normalen Vollzeitjob gesucht hat. „Das war am Anfang hart“, gesteht Babcock. „Aber wir werden alle älter und das hier wird nicht ewig andauern.“

Pup (Foto: Vanessa Heins)
Pup (Foto: Vanessa Heins)

Dumm und überdramatisch

Wenn man sich so ansieht, wie sich die Welt und auch die Musikindustrie entwickeln, dann muss man Babcocks Worten glauben. Irgendwann gehen auch die besten Zeiten zu Ende, und was dann? Oder, wie es die Band selbst formuliert: Wer kümmerte sich um die Hunde? Die Textzeile, auf die sich der Titel des neuen Albums bezieht, ist dabei laut Babcock sowohl „emotional und herzzerreißend“ als auch „dumm und überdramatisch“. Schließlich dreht sich der dazuge­hörige Song darum, ob man sich nochmal aufrafft, überhaupt weiterzumachen, aber es eben tun muss, weil irgendwer sich um die felligen Vierbeiner kümmern muss. Aber weitergedacht ist die Frage danach, wer für die Besitzer*innen dieser Vierbeiner und andere Menschen da ist, die von der Welt überrollt werden, heute aktueller denn je. Rechtsruck, finanzielle Unsicherheit und Klimakrise sei Dank.

Gerade die Fähigkeit zu lachen über die Absurdität des Lebens, der eigenen Karriere und der Tatsache, dass man jeden Morgen aufwacht und die Welt sich weitergedreht hat, wird in solchen Zeiten immer wichtiger. Pup haben sich ebendiese Fähigkeit bewahrt. „Ich verbringe so viel von meinem Leben damit, dieses tiefe Loch, Leere, Traurigkeit zu spüren.“, sagt Babcock. „Dann einen Schritt weg von diesem Gefühl zu machen und darüber zu lachen, wie lächerlich das alles ist, fühlt sich einfach gut an.“ Er denkt kurz nach und ergänzt: „Und natürlich ist die Verbindung zwischen Pup [dt. ‘Welpe’] und Hund auch einfach mega dämlich. Das bringt uns zum Lachen. Und wenn uns etwas zum Lachen bringt, sind wir auf dem richtigen Weg.“

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