Sänger und Songwriter Conor OBrien stellt sich offenbar eine Art Abkommen der beiden Seiten vor: Er singt zur Unterhaltung und Erhellung des Publikums über Dinge, die die meisten Leute für sich behalten würden, und das Publikum leistet seinen Teil, indem es interessiert genug tut, um jetzt schon zum zweiten Mal zuzuhören. Ein guter Deal, findet OBrien, vor allem, wenn er dann noch bescheißen kann: “Before you take this song as truth”, sang er auf dem Villagers-Debüt “Becoming A Jackal”, “you should wonder what Im taking from you.” Auch das zweite Villagers-Album Awayland hat solche Momente, in denen OBrien wie ein Schauspieler ist, der plötzlich in die Kamera blickt und den Zuschauer direkt anspricht. Zwar wollte er eine Platte mit weniger tiefer Furche zwischen den Augenbrauen machen und vor allem seiner mittlerweile vierköpfigen Backingband größere Freiheiten einräumen. Bei aller musikalischen Vielseitigkeit ist “Awayland” aber doch wieder ein Album über aufrichtig nacherzähltes und scheinbar aufrichtig nacherzähltes Unglück, über OBriens Verhältnis zur Wahrheit, die Erwartungshaltungen der Zuhörer und deren Manipulation. “I am thankful for the misery/ From which I stole this grateful song”, lautet diesmal OBriens Go-to-Zeile, und sie klingt nicht mehr nach Bauchschmerzen, sondern nach Sinneswandel. Villagers spielen das Spiel, und hey, sie haben jetzt sogar Spaß daran. “Awayland” überrundet seinen Vorgänger indes vor allem bei der Ausgestaltung von OBriens Geschichten über künstlerische Selbstausbeutung und ihre Verkäuflichkeit. “Rhythm Compose”r hat am Ende Doo-Wop-Klavier, Motown-Bläser und Vergnüglichkeit auf seiner Seite, “Nothing Arrive”d erinnert mit Streicher- und Gitarrensolo-Finale an die plötzlich farbintensiven “Viva La Vida”-Coldplay. Die Platte setzt aber auch eigene Akzente: In “The Waves” spielen Villagers aufwändig arrangierten Elektrofolk mit nervös tackernder Gitarre, Bläsern, Klavier, belegtem Gesang und einem Rockmoment-Abschluss inklusive hysterischer Streicher, der ihre Starbucks-Untauglichkeit sicherstellt. Vor allem vollbringt der Song aber ein Kunststück, das typisch ist für OBrien und sein konfliktreiches Verhältnis zum Platz in der eigenen Musik. Einerseits versinkt hier alles in Krach und Verfolgungswahn, andererseits ist es schon wieder beruhigend, wie The Waves dem Hörer hintenrum ein Versprechen macht: Was auch immer als nächstes passiert, OBrien ist viel zu gefährlich, um der neue Damien Rice zu werden.
weitere Platten
That Golden Time
VÖ: 10.05.2024
Fever Dreams
VÖ: 20.08.2021
Darling Arithmetic
VÖ: 10.04.2014
Becoming A Jackal
VÖ: 28.05.2010