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    Slow Pulp
    Yard

    VÖ: 29.09.2023 | Label: Anti-
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 367
    Schönheit
    Slow Pulp - Yard

    Gestatten, eure neue Lieblingsband: Slow Pulp aus Chicago erobern die Indie-Herzen im Sturm.

    Pressetexte sind ein eigener Kosmos, mal adverbial zusammengedrechselt wie von einer KI, die Chucks und Streifen-T-Shirt trägt, dann wieder so persönlich und punktgenau, dass einem nichts anderes übrigbleibt, als zustimmend zu nicken. Das Info zum Slow-Pulp-Album Yard gehört eindeutig zur letzteren Kategorie. Slow Pulp hören, heißt es da, fühle sich an, als befände man sich in einem Raum mit jemandem, der einen schon so lange kennt, dass er jeden noch so kleinen Gesichtsausdruck von einem lesen kann, und schon weiß, wie es einem geht, noch bevor man es selbst weißt. Man könnte es nicht schöner sagen, genauso ist es.

    Dabei wanzen sich Slow Pulp keinesfalls an einen ran, sie wissen auf subtile Art, dass man selbst den ersten Schritt machen wird. „Gone 2“, so der Titel des Openers, läuft keine zehn Sekunden und hat einen schon am Haken. Ein kurzes Einsteiger-Riff, Emily Masseys Stimme mit diesem betörenden, leicht nasalen Swing, die Drums stolpern rein – der perfekte Soundtrack für einen Tag, an dem man fünfe gerade sein lässt, ins schon mal getragene Lieblingsshirt steigt, eine Kippe aus dem Aschenbecher fummelt, sich der Sonne zuwendet und die Schatten hinter einen fallen. Eine audiovisuelle Zeitreise aus dem Herz der 90er geradewegs ins Hier und Jetzt.

    Mit „Doubt“ hinterher gibt es direkt noch einen Lieblingssong in spe, einen Tick kratziger, auf diffuse Art so perfekt austariert zwischen Herz und Härte, dass man sich fragt, wie Slow Pulp das dermaßen gut – und dabei so unangestrengt – hinbekommen. Viel Zeit zum Überlegen bleibt nicht, mit „Cramps“ als drittem Song, einem Riff-Kleinod zwischen Hüsker Dü und frühen My Bloody Valentine, geht es schon um die nächste Kurve.

    Ihre Stücke halten Slow Pulp größtenteils unter drei Minuten, ihr Songwriting ist dabei so ökonomisch wie effektiv. Oftmals reicht ein klangliches Leitmotiv, sei es das Klavier in „Slugs“, die wunderschöne Akustikgitarre in Carina „Phone 1000“, das an die unbesungenen Helden Anastasia Screamed erinnert, die wimmernde Lap-Steel-Gitarre der Country-Miniatur „Broadview“, das von einer fernwehmütig klingenden Mundharmonika vollends verzaubert wird. „Am I wrong? Or is it okay to stay inside and out of love?/ Tell me I’m wrong, I’m just gonna give it a try and hope that it’s enough“, singt Massey im Refrain, voll rätselhafter Widerstandsfähigkeit.

    Wenn „Fishes“ zum Schluss ins Outro poltert, die Playlist wieder an den Anfang springt, zurück zu „Gone 2“, dann fühlt sich das wie das Wiederhören mit einem guten Freund an. Ein kleines Wunder, diese Platte.

    Das steckt drin: Boygenius, Goat Girl, Gurr

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    VÖ: 09.10.2020