Sister Vanilla
Little Pop Rock
Text: André Boße
Vollkommen zurecht gilt “Psycho Candy” von The Jesus & Mary Chain als eines der wichtigsten Indie-Alben der Geschichte. Selten klang Pop so radikal, selten Krach so süß. Was William und Jim Reid auf den lediglich vier Folgealben ablieferten, erreichte zwar nie mehr das Niveau des Debüts, doch das Talent blieb stets erkennbar – auch beim recht unbeachteten, wuchtig-trägen Spätwerk “Munki”, nach dessen Veröffentlichung sich die Reids komplett zerstritten. Da musste erst die kleine Schwester Linda kommen und das zerschnittene Tischtuch zusammen nähen. Das Familienprojekt nennt sich Sister Vanilla und präsentiert “Little Pop Rock”: Linda darf ein paar Lieder singen – ein schwerer Schnitzer, denn ihre Ausstrahlung tendiert gen Null. Aber wenn es nur das wäre: Die Platte ist in ihrer Gesamtheit unfassbar schwach. Richtig gute Songwriter waren die Glasgower Brüder nie, aber ihre Leidenschaft, Kompromisslosigkeit und das Wissen um Zitate und Zutaten des Rock’n’Roll retteten noch jedes Album. Hier ist alles verloren: Ein Billo-Drumcomputer stolpert hallgetränkt durch die Gegend, die Gitarren (auch die verzerrten) sind harmlos wie Wattestäbchen, der Gesang (egal, von welchem Familienmitglied) kommt von irgendwo her, nur nicht von Herzen. Null Atmosphäre, null Ambition, kein einziger überraschender Einfall. “Can’t Stop The Rock” heißt ein Song – eine Selbstparodie, aber sicher keine gewollte, denn Spaß haben die Reids noch nie verstanden. Der einzige positive Aspekt des total verkorksten Familienprojekts: Gut, dass die Platte wegen des neuen Namens nicht die Diskografie von The Jesus & Mary Chain beschmutzt.