Oral Flippers
Grüße aus dem Jammertal
Text: Oliver Uschmann
Im Grenzbereich zwischen “klugem Deutschpunk” und “Hamburger Schule” schlägt man die Zelte auf, da, wo auch Bands wie die Boxhamsters, Muff Potter, Kettcar oder Tomte campen. Dabei fehlen trotz Einsprengseln von Trompete und Orgel sowie Verzierungen aus der Gitarrenperl-Schule der seufzenden Herzen die wirklich packenden Songideen und die straffe, selbstbewusste Kompaktheit, welche die Konkurrenz im positiven Sinne professioneller klingen lässt. Was die Band dennoch markant macht, ist ihr Umgang mit Zitaten. Einzelne textliche Tupfer verpflanzen Elemente der Schlager-, Pop- oder Spießerkultur in einen anderen Kontext und werten diese somit fast beiläufig und entlarvend um. In “Hellblaue Tapeten” wünscht man die sexistische Rollenklischees anerziehenden Eltern mit den Worten ihres Helden Wolle Petry dreifach in die Hölle. Das Nena-Zitat “ich werd verrückt, wenn’s heut passiert” offenbart – in einen Porno-Kontext versetzt – den eigentlichen Gehalt des immer als Liebe und Romantik verbrämten Vokabulars des Mainstream-Pops und eine Zeile wie “Dieses Leben ist real” bekommt eine ganz eigene Stimmung, wenn mit “real” hier der Deutschen liebster Supermarkt gemeint ist. So setzen die Flippers mit teils zu enervierend neben der Spur nölender Stimme Akzente, auf deren Ausbau zu hoffen ist und sind auf eine Weise “dagegen”, die immer glaubwürdig und nicht zu oft peinlich ist.