Mouse On Mars
Iahora Tahiti (Platten der Neunziger)
Text: Oliver Cremer | Erschienen in: VISIONS Nr. 88
Das war eine ganz komische Zeit, damals, 1995. Bands wie Sonic Youth oder Girls Against Boys wurden im CD-Player immer öfter von Acts wie Alec Empire oder eben Mouse On Mars verdrängt. Elektrisch reichte nicht mehr. Es musste elektronisch sein. Eine recht radikale Änderung der Hörgewohnheiten, mag man meinen, damals aber schien das selbstverständlich. Abgefahren, cool, wie auch immer, vor allem aber neu klang das, was „Iahora Tahiti” bot. Seinerzeit wurde die Platte in so ziemlich allen relevanten Medien von Fanzines bis Kulturweltspiegel besprochen, kritisiert, vielfach glorifiziert oder schlicht nicht verstanden. Jan Werner und Andi Thoma mussten sich bald wirklich wie Marsmäuse vorkommen, so viele Mikros wurden ihnen unter die Nase gehalten. Auf den Begriff, dass dies die Fortschreibung der abebbenden Techno-Welle unter Zuhilfenahme von Mitteln der Intelligenz sei, konnten sich viele einigen, die pumpende Basslines und knüppelharte 4/4-Bassdrums satt hatten, doch so recht wusste eigentlich niemand, wie „Iahora Tahiti” einzuordnen sei. Mouse On Mars benutzten zwar die gleichen Klangerzeuger, standen aber dem japanischen Sprachsample, Stücktiteln wie „Die innere Orange” und komplexen, variierenden Hooklines näher. Mouse On Mars musizierten einfach zur richtigen Zeit in einer wie auch immer gearteten Schnittmenge aus Avantgarde, Independent und Elektronik. Die Zeit war reif für „Iahora Tahiti”, eine Platte, die viele Zugänge bietet: Zu einigen Stücken kann man sich bewegen, andere sind zum entspannten Zuhören. Die Tracks sind unaufdringlich, man kann sie ignorieren (bis man von einem gemurmelten „Hallo” sehr erschreckt wird) oder sich von ihnen hypnotisieren lassen. „Iahora Tahiti” liegt nach wie vor immer griffbereit in der Nähe meines CD-Players. Bitte zweimal wöchentlich einnehmen.
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