Tragischer Realismus ist, wenn der verletzte Liebhaber keine Träne vergeudet, obwohl die Ex vom Zug überrollt wird. Oder wenn der verletzte Liebhaber, in einem ganz anderen Lied, stets der Letzte ist, der von all der Untreue seiner direkten Umwelt erfährt. Tragischer Realismus ist so ziemlich die letzte Wahrheit, die man wissen möchte. Es ist die Wahrheit in den Liedern von LD Beghtol, einem kindsköpfigen Schrat mit langem Bart und dickem Bauch. Wir kennen ihn als Sänger einiger Lieder auf dem Dreifachset “69 Love Songs” von Stephen Merritts Magnetic Fields, einem der essenziellen Indie-Alben der letzten Jahre. Jetzt gibt es LD auch abendfüllend mit eigenem Werk, und zusammen mit seiner rührend aufspielenden Begleitband The New Criticism und all ihren Banjos, Posaunen oder Akkordeons spielt der Kauz eine wunderbare Revue zwischen Drama und Komik. Aus LDs Sicht bedeutet Glück, sich auf der Hochzeit eines Freundes beim Tanz mit der Angebeteten verarschen zu lassen und es selber nicht zu merken. Immer dann geht der Trend zur großen Hymne, zur weltumarmenden Geste. Ein Augenblick der Unschuld, bevor keine Minute später die Gewissheit zurückkehrt, dass die Lieder über all die hübschen Frauen zwar unschlagbar sind, am Ende aber doch die anderen knutschen. LD spielt den Kindskopf, den Spielplatz-Sinatra, und weil alte Helden wie They Might Be Giants (in ihren ersten Momenten), The Pogues (wenn einigermaßen nüchtern) oder The Band Of Holy Joy längst keine so herzzerreißenden Lieder mehr aufnehmen, ist dieser traurige Hofnarr der neue Liebling der tragischen Realisten.