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    Iedereen
    Iedereen

    VÖ: 23.02.2024 | Label: Glitterhouse
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 372
    Schönheit
    Iedereen - Iedereen

    Beinahe hätten die zwei Kindergartenfreunde vom Niederrhein ihre Band wieder begraben. Nach zig Jams und kommenden wie gehenden Mitmusiker:innen stehen sie am Ende wieder zu zweit da. Was bleibt, ist der Mut der Verzweiflung, der Wille zur Verausgabung – und ein sich abzeichnendes Händchen für mitreißende Songs.

    Das war im Herbst 2018, als Schlagzeuger Ron Huefnagels und Gitarrist und Sänger Tom Sinke klar wird, dass es ausreicht, wenn sie zu zweit Musik machen. Das haben schon andere gut hinbekommen. „Cis-Mann“ ist im Oktober 2021 ihr erster Song, verpackt hinter dem Foto einer Unterhose mit Pissfleck. Mit vier weiteren Songs drumherum bildet die EP „Blumenfieber“ die Visitenkarte, die Iedereen zwei Jahre später in die Arme von Glitterhouse und das Studio von Kurt Ebelhäuser treibt.

    Mit dem Rick Rubin von der Mosel haben sie gleich 14 Songs für ihr erstes Album aufgenommen. Die klingen breiter, satter, druckvoller als die der EP. Leerstellen gibt es keine, trotz der minimalen Besetzung. Musikalisch spielt sich das immer wieder im Gestern ab. Wire und Wipers, Devo und Trio, Rio Reiser und Peter Hein schwingen mikrodosiert mit. Gestrig klingen Iedereen trotzdem zu keinem Zeitpunkt. Das liegt auch an ihren Texten, die im Hier und Jetzt verankert sind. Bei „Niki“ hapert es mit der Whatsapp-Kommunikation, in „Autofahren“ wird wunderbar geschmeidig gegendert und „Chauvi“ spinnt den Faden von „Cis-Mann“ weiter und tritt dem „modernen Mann“ in die Eier.

    Klar, es gibt auch mal nostalgischen Kokolores, etwa wenn sie einen Song über Uri Geller „Urinella“ nennen und irgendwo auch noch seinen Zauberspruch „Achad, Shtaim, Shalosh!“ unterbringen. Übrigens aus dem Munde von Huefnagels, der auch mitsingt, obwohl er dafür eigentlich gar keine Puste mehr haben dürfte. In zwei bis drei Minuten preschen Iedereen durch ihre Songs, live derart übergeschnappt, dass man Angst haben muss, sie könnten nach ein paar Songs kollabieren oder explodieren.

    Trotzdem bleibt Zeit für charmante Kleinigkeiten. Etwa wenn man in „Autofahren“ während des Breaks glaubt, im Hintergrund die Gitarrenmelodie von U2s „With Or Without You“ zu hören. Oder wenn die beiden Flitzpiepen im noisig-post-punkigen „Weißes Rauschen“ augenzwinkernd Pur zitieren: „Wer klaut all diese Viagra-Pillen/ Wann verlor das große Spiel den Sinn?“ Für Iedereen hat das große Spiel gerade erst angefangen. Der stürmische Opener „GKO“ mit seinem gnadenlos guten Refrain ist die Ansage, das Fundament, der Auftakt für eine Band, die sich zwischen Indierock und Deutschpunk, Garage Rock und Neuer Neuer Deutscher Welle behaupten kann.

    Das steckt drin: Japandroids, Milliarden, The Thermals

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    Blumenfieber

    VÖ: 12.11.2021