Neo-Klassik also. Diesen grotesken Begriff muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Neo-Klassik, das ist wie trockenes Wasser. Wie kalorienreduzierte Sahne. Natürlich wissen wir, was damit gemeint ist: schwer verdauliche, erschreckend unsinnliche Kompositionen im Niemandsland zwischen Freejazz-Frickelei und Orchesterpartituren, dargebracht von bierernsten Kopf-Muckern. Esoterisch verbrämte, meditative Lautmalerei. Nichts, womit man seine sauer verdiente Freizeit vergeuden möchte. “Virginal Co Ordinates” wird an diesem Bild wenig korrigieren: Das fünfte Album von Eyvind Kang, der schon mit Künstlern wie Laurie Anderson, John Zorn oder dem Jazz-Gitarristen Bill Frisell zusammen gearbeitet hat, ist letztlich ein Konzertmitschnitt. Zur Aufführung kam der Zwitter aus Improvisation und ausnotiertem Analog-Ambient-Score anno 2000 im Rahmen des Angelica Festivals zu Bologna. Unter Mithilfe eines 22-köpfigen Ensembles, zweier Soundtüftler sowie dem mit einem Bein in der Hauptstadt der Emilia Romagna lebenden Mike Patton, der ein bisschen singt und diverse Tasten drückt. Relativ spannend sind dann auch vor allem die Stücke, bei denen Pattons Anwesenheit spürbar ist, etwa das dynamisch anschwellende “I Am The Dead” oder “Innocent Eye, Crystal See”. Wird es dagegen allzu abstrakt und zyklisch wie beim 19-Minuten-Langweiler “Doorway To The Sun”, hält sich der Spaß doch sehr in Grenzen. Zwischendurch zerrt schwellendes Gebläse gar richtig fies an den Nerven. Nur was für absolute Freigeister!