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    Dorfdisko
    Viel zu stürmisch, viel zu laut

    VÖ: 25.07.2005 | Label: Motor/Warner

    4-Ohren-Test

    „Viel zu stürmisch, viel zu laut“ ist eine „Darf man das?“-Platte. Darf man „okay“ auf „wiedersäh“ reimen? Darf man mit „Wunderbar“ eine Hymne auf Berlin schreiben, die klingt, als wäre sie von Wowi persönlich gesponsert worden? Darf man Gitarrenpop, Folk, Beat und wohldosierte Portionen von Country, Soul, Slide und einem Hauch Texmex so unverblümt auf Ohrwurm trimmen, dass unsere Eltern sagen würden: Endlich macht hier mal jemand ordentliche Musik? Sind Konjunktive in der Pop-Poesie erlaubt? Dorfdisko sind für den Rock wie die Jazzkantine für den HipHop. Sie haben nichts mit dem Popverständnis deutschsprachiger Indie-Musik zu tun, die Melancholie und Pathos immer durch eine Filtertüte linksgeschulten und selbstreflexiven Bewusstseins laufen lässt. Dorfdisko sind naiv und musikalisch in jenem sorgfältigen, ausgearbeiteten Sinne, für den meist die etwas übrig haben, die Rockmusik nur gelegentlich hören und dann aber auch „Qualität“ mit Schönschrift statt Geschrammel mit Haltung erwarten. Auf dieser Ebene funktioniert dieses Debüt wunderbar, wenn man es reinlässt und nicht instinktiv mit Kitschabwehr belegt. Ob die beiden Refrainwunder „Sample mein Leben“ und „Diskokugelwelt“ in ihrer Heim- und Fernweh-Metaphorik einen politischen Subtext haben, mag jeder selbst beurteilen.

    Oliver Uschmann 8



    Neulich stritt ich, wie schon öfter, mit Indie-Fachmann Jan Wigger – den einige von seinen Rezensionen bei spiegel.de können dürften – über neue deutsche Indiepop-Musik. Wigger hasst zum Beispiel Madsen mit Leidenschaft, mehr als objektiv gerecht wäre. Weil sie, sagt er, Independent-Attitüde missbrauchen, um ihrer Charts-Musik mehr Authentizität und Coolness zu verpassen. Genau das ist jetzt mein Problem mit Dorfdisko: Ich kann ihnen das alles nicht glauben. Weder die um Knuffigkeit bemühte, am Ende aber nur hochnotpeinliche Niedlichkeit der Hanni-und-Nanni-Poesie, noch die (vorsätzlich?) flachbrüstige Produktion, die wohl gern nach muffigem Kellerstudio mit DIY-Charakter klänge, es aber nur auf eine semipotente Demoqualität bringt. Weder die um tumbe Hittigkeit bemühten Melodien, die ähnlich individuell und zwingend sind wie Verkehrslärm, noch den musikalischen Ansatz, der sich gleichzeitig bei Wolf Maahn und Tomte, Virginia Jetzt! und Markus bedient und doch immer nur nach einem Abklatsch klingt. Eine eigene Identität sucht man vergebens, es sei denn, man wollte ihre verzweifelte und doch ergebnislose Melange aus Schlager und Indiepop, aus moralinsaurer Liedermacherei und Schülerlotsen-Rockmusik als eine solche bezeichnen. Das einzige, was ich ihnen glaube, ist ihr Name. Denn dieses Album ist ähnlich provinziell und unterhaltungstechnisch überschaubar wie eine ebensolche Landpomeranzen-Einrichtung. Also weder zu stürmisch noch zu laut, sondern eher: viel zu unstimmig, viel zu unwichtig.

    Sascha Krüger 3

    weitere Platten

    Kurz vor Malmö

    VÖ: 30.06.2006