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    Deafheaven
    Lonely People With Power

    VÖ: 28.03.2025 | Label: Roadrunner
    Text: | Erschienen in: VISIONS Nr. 385
    Schönheit
    Deafheaven - Lonely People With Power

    George Clarke schreit wieder. Eine Black-Metal-Band werden Deafheaven in diesem Leben aber nicht mehr werden. Das waren sie auch noch nie.

    Denn – und das macht der Titel ihres sechsten Albums unmittelbar deutlich – in ihren Songs steht der Mensch im Mittelpunkt. Anders gesagt: Während der Nihilismus des Black Metal den Menschen eigentlich abschaffen will, heben ihn Deafheaven auf einen Thron. Dass er dort, gerade in diesen Zeiten, in einem Sturm aus Blastbeats, Thrash-Riffs und Gekeife steht, ist alles andere als eine Überraschung.

    60 Sekunden nehmen sich Deafheaven, bevor sie den “Doberman” von der Kette lassen und mit dem ersten Song wegwischen, was mancher vielleicht nach “Infinite Granite” befürchtete: Shoegaze ist und bleibt nur eins der vielen Stilmittel, die diese Band virtuos mit anderen verbindet. Was also auf “Infinite Granite” fast bis zum letzten Ton fehlte, ist auf “Lonely People With Power” sofort da. Es dauert bis zu “The Garden Route”, ehe Deafheaven etwas machen, was sie nicht schon auf einem ihrer fünf so verschiedenen und doch so konsistenten Alben gemacht hätten: Sie stellen die Balance in ihrem Sound aufs Spiel. Das Gleichgewicht, das sich hier zwischen Clarkes Gekeife und dem ruhigen, indierockigen Instrumental einstellt, ist prekär. Es fehlt nicht viel, und Deafheaven klängen wie ihre eigene Karikatur.

    Es ist die große Kunst dieser Band, die Balance auch zu halten, wenn sie eigentlich schon beide Beine in der Luft hat. Nicht der einzige Moment, in dem Deafheaven viel wagen und am Ende den Jackpot mitnehmen. Vorab ankündigen, dass Interpols Paul Banks und Jae Matthews von Boy Harsher auf dem Album zu hören sind, und sie dann in je einem Teil der dreiteiligen Interlude “Incidental” zu verstecken, muss man sich erstmal trauen. Für ein Duett braucht Clarke nach “Infinite Granite” sowieso niemanden mehr. Das macht er wie in “Heathen” mit seinem beständigen Wechsel zwischen Klargesang und Gefauche einfach mit sich selbst aus.

    Nichts Neues also aus Kalifornien, wenn es darum geht, sich mit Black-Metal-Dogmatikern anzulegen. Wobei es sinnvoll ist, bei einem Genre, in dessen Namen bereits so viel Mist verübt wurde, nur bestimmte Merkmale zu übernehmen und nicht den ideologischen Überbau. Deafheaven richten lieber den Blick nach innen: Ihre Blastbeat-Gewitter sind genauso wie die elegischen Post-Rock-Momente Ausdruck des Gedankenkarussells, mit dem wir uns jeden Tag herumschlagen müssen. Tausend Einflüsse von außen, auf die wir nur reagieren können, setzen es wieder und wieder in Gang, trotz allem liegt es in unserer Hand, etwas zu ändern – wir “Lonely People With Power”.

    Das steckt drin: Mogwai, Sun Worship, Ultha

    weitere Platten

    Infinite Granite

    VÖ: 20.08.2021

    10 Years Gone

    VÖ: 04.12.2020

    New Bermuda

    VÖ: 02.10.2015

    Sunbather

    VÖ: 11.06.2013

    Roads To Judah

    VÖ: 03.05.2011