Boss Keloid
Melted On The Inch

Was noch auf „Herb Your Enthusiasm“ in handlichen Dreiminütern abgehandelt wurde, breitet sich auf ihrem dritten Album in ausschweifenden Konstrukten aus. Stücke zerfasern und lösen sich in komplexen Spielereien auf, schwelgen minutenlang in Folkrock oder türmen sich in Perkussionspassagen zu Ethnosongs auf, um schließlich zu infektiösen Melodien zurückzukehren. Was die Band seit ihrem hochgelobten zweiten Album alles geraucht hat, soll ihr Geheimnis bleiben. Das Ergebnis gibt ihnen Recht. Boss Keloid haben sich in großem Maß einer neuen Form des psychedelischen Progrock zugewandt, der sich konsequent nicht zwischen Opeth und Tool entscheiden will. Was leicht in Blues-Jams enden könnte, holt die Band durch clevere Takt- und Harmonieverschiebungen zurück in ihren Kosmos, der im Urknall aus Sludge und Doom Metal entstanden ist. In Stücken wie „Griffonbrass“, das zwischen hymnischen Metalrefrains und vertracktem 70s-Prog pendelt, kann man die Experimentierfreude des Quintetts aus Wigan fast körperlich fühlen. Wer zudem den Fehler macht, sich den Folk-Prog-Bastard „Tarku Shavel“ einmal zu viel anzuhören, wird mit einem der unwahrscheinlichsten Ohrwürmer des Jahres bestraft. Man kann die Abkehr von griffigen Formaten unsinnig finden, und vielleicht klingen manche Patterns für Hörer, denen der Eklektizismus eines v fremd oder die Verspieltheit von Jethro Tull ein Graus ist, an den Haaren herbeigezogen. Abfahren kann man auf dieses Album trotzdem.