Albertine Sarges
Girl Missing

“The Sticky Fingers”, das Debütalbum von Sarges, war 2021 eine derart erfreuliche Überraschung, dass es an dieser Stelle nochmal hervorgehoben werden soll: eine Zusammenstellung kunstvoll gearbeiteter Popsongs, substanziell, eingängig, vielseitig und zugleich vollkommen zeitlos. Ein Album von einer Güte, die man aus Deutschland nur höchst selten zu hören bekommt.
Ähnliches lässt sich nun über den Nachfolger “Girl Missing” sagen, auch wenn Sarges ihren künstlerischen Ansatz deutlich weiterentwickelt hat. Das Album besitzt ein Grundthema: Eine Freundin entzieht sich ohne jede Vorwarnung plötzlich jeglichen Kontaktaufnahmeversuchen. Das ist der emotionale rote Faden, auf dessen Basis die Berlinerin Songs und Skizzen zu einem Album verknüpft.
Die Stücke auf “Girl Missing” klingen häufig eine Spur treibender als zuvor und teilweise funky, bleiben aber rhythmisch an frühem Post-Punk orientiert trocken und frei von effektheischenden Moden arrangiert. Erneut verblüfft, wie entschieden und unbeirrbar sich Sarges dank ihrer vielfältigen Ideen für Songs und Arrangements von den landläufigen dramaturgischen Schemata des Pop entfernt, ohne zu abstrakt zu sein und an emotionaler Kraft einzubüßen. Trotz des verzweifelten thematischen Hintergrunds wirkt dieses Album erfrischend und ansteckend kreativ.
Das steckt drin: Fiona Apple, Gang Of Four, Neil Young