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    Slut
    All We Need Is Silence

    VÖ: 06.09.2004 | Label: Virgin/EMI
    Text: Patrick Großmann
    Platte des Monats
    Slut - All We Need Is Silence

    Passé die Tage allzu pathetischer Pop-Epik und hochtrabender Konzept-Ideen: Ingolstadt hat aufgeräumt, entschlackt und macht dem eigenen Frust Luft.

    „Let’s make war instead of love“ fordert Christian Neuburger gleich ganz zu Anfang im ansonsten eher vertraut tönenden „The Beginning“. Ein Satz, der die fünfte Platte der bayerischen Indierock-Institution ziemlich perfekt verortet. Der Titel „All We Need Is Silence“ mag dabei zunächst in die Irre führen, bezieht er sich doch rein auf die inhaltliche Ebene, die sich als entrüstetes Plädoyer wider den grassierenden Medien-Overkill umreißen ließe. Musikalisch nämlich haben Slut unüberhörbar die Lust am Geradeauslauf wiederentdeckt; an knarzigen, auf den Punkt gezimmerten Achtel-Wuchtbrummen, die dir ohne Umschweife in Beine und Herz fahren. Bombastisches Balladen-Kunsthandwerk, welches das überambitionierte „Lookbook“ prägte (manche sagen: trübte), sucht man hier ebenso vergeblich wie anderweitige grobe Ausfälle. Selbst die geliebten Keyboard-Tasten haben die Kollegen René Arbeit(slosen)huber zugeklebt. Gleich „Lost Emotion“, das auf dickem Basspfund, wie mit dem Zirkel gezogenen Grooves und schaufelweise Twang fußt, reitet direkt am Proberaum der Strokes vorbei, ohne vom Gaul zu fallen, bevor im Refrain ganz eigene bunte Oktav-Muster erstrahlen. Nicht nur „Why Pourquoi (I Think I Love You)“ sprintet die Meile in Adrenalin-gepushten drei Minuten. Auf die Slut-typische Melancholie muss trotzdem keiner verzichten: Das emotionale Glanzstück „Staggered And Torn (Let It All Go)“ und „Wasted“ bewältigen die Gratwanderung zwischen anrührender, von Selbstzweifeln geprägter Strophe und majestätisch-erhebender Auflösung per vielstimmig orchestrierter Gitarren-Walze mit links. Wer dazu einsame Landstraßen entlang braust, bekommt nicht bloß vom Fahrtwind feuchte Augen und will plötzlich doch noch sein Leben ändern. Vor der Veränderung kommt indes bekanntlich die Frustration. Der Ärger. Und daran, dass sich Neuburger über bestimmte herrschende Zustände amtlich aufregt, besteht kein Zweifel: Statt erneut Prosafäden zu spinnen, rückt stärker noch als bei „Nothing Will Go Wrong“ ungefiltert die eigene Befindlichkeit in den Mittelpunkt. Es prasselt, stürmt, assoziiert sarkastisch, bis im kratzbürstig pumpenden „Cosmopolite“ schließlich sämtliche Dämme brechen und Neuburger in verzweifelter Agonie Dinge wie „get away“ oder „this is no holiday, baby“ kreischt. Außer sich, nicht bloß „a little bit upset“, wie er im grandios alle Türen zu Kleinholz rockenden Titeltrack vorgibt. Ob er damit eine bestimmte Person, das konstante weiße Rauschen einer zu Tode globalisierten Informationsgesellschaft oder die Heuchelei Amerikas anprangert, ist beinahe zweitrangig. Es geht jedenfalls ums Ohren zuhalten. Darum, dass man genug hat vom allgegenwärtigen Gestammel und Gebrabbel auf allen Kanälen – sei es aus Politikermündern oder denen diverser „Big Brother“-Schwachmaten – und früher oder später zum Misanthropen degeneriert. Selbst die eigene Kaste wird nicht ausgespart: „If I had the decision I would kill all musicians/ We need to set the record straight (…) No more each-other-faking/ Faked polite handshaking (…) Oh, all we need is silence.“ Arschtrockenes Schlagzeug, Gitarren wie Stacheldraht, ein Sänger zwischen wärmender Umarmung, enwaffnender Nonchalance und gelegentlichem handfestem Wutanfall – derart zwingend klangen Slut noch nie. Internationaler als in diesen 37 kurzweiligen Minuten wird deutsche Popmusik nicht.

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