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    Karies
    Tagträume an der Schaummaschine I

    VÖ: 10.03.2023 | Label: This Charming Man
    Text: Julia Köhler/Jan Schwarzkamp | Erschienen in: VISIONS Nr. 360
    Karies - Tagträume an der Schaummaschine I

    Nicht jeder in der Redaktion hat „Tagträume an der Schaummaschine“, weshalb sich Karies mit ihrem neuen Album einem Vier-Ohren-Test stellen müssen.

    Karies setzen auf Eskapismus statt Diskurs und fallen so in der düsteren Post-Punk-Bubble positiv auf, sagt VISIONS-Autorin Julia Köhler

    Nein, auch „Tagträume an der Schaummaschine I“ macht keinen großen Bogen um Kitsch. Diesen Hang zur NDW-Textur haben Karies auch schon auf ihren vorhergehenden Alben nicht verbergen können, dieses Mal wird er nur in noch mehr rosarote Watte verpackt. Natürlich kann die Platte auch anders, etwa mit unheimlichem Breitband-Nebel bei „Im Morgenlicht“ oder den tiefen Bässen von „Nicht wir werden“ punkten. Gerade in diesen Momenten fällt der angenehm akzentuierte Sound auf, der bei offenen Ohren runtergeht wie Öl. Insgesamt empfiehlt sich das Album aber vor allem zum Schmunzeln. Man verbeugt sich nur zu gerne gemeinsam mit Karies vor dem Hype um Roy Bianco und seinen Abbrunzati Boys, wenn „Secondigliano“ zum Tanzen animiert, und auch den 80s-Synthies von „Coming Of Age“ kann man nicht böse sein. Gerade zu den großartigen Stakkato-Beats von „Willy“ lässt es sich aber auch ganz ohne Ironie feiern. Eins steht außerdem fest: So bierernst meint die Band Stücke wie „Failed State Of Mind“ gar nicht. Ein bisschen mehr Farbe hat der Post-Punk-Bubble jedenfalls nicht geschadet. Und die kriegen Karies auch ohne die Beteiligung von Max Rieger angenehm zusammengemischt.

    Trockeneismusik für unterkühlte Stunden allein. Karies reisen in die graue BRD der 80er, meint VISIONS-Redakteur Jan Schwarzkamp

    Es soll sie geben, die Neue Neue Deutsche Welle. Auf der sind – meist – deutschsprachige Indie-Künstler*innen unterwegs, die ganz unterschiedliche Herangehensweisen haben. Drangsal mag es poppig und mit großen Refrains, Sofia Portanet denkt Kate Bush und Madonna zusammen, Edwin Rosen gibt den New Romantic – und dann sind da noch Karies. Die mögen es unterkühlt und synthetisch, post-punkig und arty. Diese Stoßrichtung hatten die Stuttgarter bereits verstärkt auf ihrem dritten Album „Alice“ von 2018 anklingen lassen. Jetzt hat das Trio seinen Sound noch weiter runtergekühlt. Der Synthesizer steht im Mittelpunkt, programmierte Beats zischeln durch die Stücke. Wenn es in „Failed State Of Mind“ heißt „Sommersand/ Ganz entspannt/ Sonne strahlt/ Hirn verbrannt“, in „Laguna Seca“ die „Krähen überm Strand“ fliegen und „Karibik“ lethargisch vor sich hin schlurft, fühlt sich das alles nach einem Anti-Urlaubs-Album an, nach einem deprimierenden Herbsttag am vermüllten Strand bei eisigen Temperaturen. Also nicht angenehm. Das geshuffelte „Willy“ in der Mitte von „Tagtraum an der Schaummaschine I“ gibt sich als eine Art Clash zwischen Joy Division und Trio aus – und das ist noch das größte Kompliment, das man der Platte machen kann.

    Das steckt drin: Drangsal, Jens Friebe, Joy Division

    weitere Platten

    Alice

    VÖ: 12.10.2018

    Es geht sich aus

    VÖ: 04.11.2016