Eigentlich machen sie also nur, was in den 60ern auch schon The Shangri-Las gemacht haben. Die unterwanderten damals den artigen Girl-Group-Zirkus von Motown und Spectors Philles Records mit Schreckensgeschichten über Frauen, die sich vom ersten Date auch mal etwas mehr als einen Blumenstrauß erhofften, und verzichteten sogar auf die sonst serienmäßige Hochglanzpolierung ihrer Musik. 1964 klangen The Shangri-Las deshalb regelrecht beunruhigend, und ein bisschen was davon lässt sich sogar heute noch aus ihren Songs heraushören. Vivian Girls hingegen können niemanden mehr schocken. Lippenstift schmieren sie zwar lieber auf Badezimmerspiegel als ins eigene Gesicht, und HiFi ist ihre dritte Platte „Share The Joy“ auch höchstens verhältnismäßig. Das aber haben sie schon immer so gemacht, und die größte Überraschung hier ist deshalb, dass das Album mit den sechsminütigen Gitarren-Jangles von „The Other Girls“ beginnt, in dem selbst noch der komisch verbogene Gesang von Cassie Ramone mehr an die Motown-unverdächtigen Built To Spill als irgendjemanden sonst erinnert. Danach werden die Songs kürzer und klappriger und die Gitarren natürlich nicht nachgestimmt – Vivian Girls finden wieder zusammen und mit dem Sprechgesang von „Take It As It Comes“ auch zum Höhepunkt ihrer Shangri-Las-Verehrung. Ramone verteilt Ratschläge unter betrogenen, verlassenen und unentschlossenen Mädchen, das Schlagzeug hoppelt ihr treudoof nach, und rechtzeitig zum Refrain stürzt alles ein. Könnte Spector nicht gutheißen, aber der ist ja eh längst weggesperrt.
