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Nordische Nachbetrachtungen

Nordische Nachbetrachtungen
Über 60.000 Menschen haben vergangenes Wochenende auf dem neunten Hurricane-Festival zusammen gefeiert, gesungen, gelacht, gestaunt und leider auch ein wenig gefroren. Ein Rückblick.

In Scheeßel, einem sonst verschlafenen Nest zwischen Hannover, Bremen und Hamburg, lockt seit ein paar Jahren das Hurricane tausende von Musikfans an und verwandelt die Idylle für mehrere Tage in geregelte Anarchie. Nachdem der ganze Jubel und Trubel vorbei ist und man die Ereignisse hat sacken lassen, wollen wir ein kleines Resümee ziehen.

Als erstes fallen dieses Jahr zwei Rekorde ins Auge, die besonders herausstechend waren und das Bild des Festivals 2005 entscheidend geprägt haben: Zum einen natürlich der Besucherrekord, was die Veranstalter zwar gefreut, dafür aber so manchen Festivalbesucher sowie überforderte Securities abgeschreckt haben dürfte. Angesichts des merkbar erhöhten Sicherheitsrisikos (umstürzende Wellenbrecher sprechen für sich) sollte man sich für das nächste Jahr ernsthafte Gedanken über eine Geländevergrößerung bzw. Kartenkontingentverkleinerung machen – womit jedem geholfen wäre.

Der zweite Rekord ist wetterbedingt – beschlagene Autofensterscheiben und sichtbarer Atemausstoß sind zu dieser Jahreszeit bisher selten vorgekommen. Was soll’s, man weiß schließlich, worauf man sich einlässt. So wird nach dem Zwiebelprinzip verfahren: Mit dem Verlauf des Tages werden schichtenweiße Shirts, Pullis und Jacken je nach Bedarf hinzugefügt (besonders nachts) oder abgetragen (wenn sich tagsüber kurzzeitig die Sonne erbarmte).

Musikalisch blieb auch 2005 alles beim Alten. Was im Falle des Hurricanes bedeutet, dass qualitativ gesehen wieder mal die ganz große Klasse vertreten war. Sowohl bei kleinen Acts, die noch Insider-Status genießen, als auch bei den renommierten Größen. So sind die beiden Dresden Dolls ein solches Beispiel für eine noch recht unbekannte Formation. Mit ihrem Auftritt zwischen Kurt Weill-Interpretation und Black Sabbath-Cover konnten die beiden Sonderlinge positive Verwirrung stiften. Für Mike Patton und seine Mannen von Fantomas wäre das noch untertrieben – war ihr zelebrierter Experimental-Horrortrip doch wohl mit Abstand die verstörendste halbe Stunde des Festivals. Viele neue Fans hingegen dürfte die bezaubernde Feist mit zartbitterer Stimme und engelsgleicher Gestik hinzugewonnen haben. Ebenso wie die aufstrebenden Wave-Garagen-Rocker The Robocop Kraus, die mit Glitzeranzügen und neuen tanzbaren Songs im Gepäck Gas gaben. Alte Bekannte wie …Trail Of Dead hatten erneut Freude daran, Bühnen-Equipment zu zerschlagen und ihrem Ruf als böse Buben des Rock gerecht zu werden, während bei den Hamburgern Kettcar der Himmel aufriss und die untergehende Abendsonne für einen großartigen Moment sorgte. Das hatten die Queens Of The Stone Age gar nicht nötig; schlugen sie doch mit ihren tonnenschweren Wüstenriffs direkt selbst Löcher in die Atmosphäre. Die Berliner Fraktion in Form der Beatsteaks ließ sich natürlich auch nicht lumpen und avancierte trotz Festival-Omnipräsenz zum wiederholten Male zu einer der Top-Bands in Sachen Körperaktivität bei den Zuschauern.

Die Headliner sorgten schließlich an jedem der drei Abende für das Gefühl, Teil von etwas ganz Großem gewesen zu sein. Ob nun Rammstein, die selbst ärgste Kritiker mit perfekt inszenierter Licht- und Pyroshow unterhalten haben sollten, die armenischen Kreuzüberkünstler System Of A Down, die trotz Tonausfalls (den sie dank funktionierender Monitorboxen gar nicht bemerkten) munter weiter performten, oder – als letzte Band des Festivals – Die Ärzte, bei denen die Massen nochmal alle Kräfte mobilisierte und so die letzten Alkoholreste des Wochenendes ausgeschwitzt wurden. Endorphin-bedingtes Lächeln allerorten. Da konnte auch das Flugzeug nicht viel ausrichten, welches am Samstag Nachmittag mit der Botschaft „Grüsse vom Ring, Still No.1!“ beständig das Gelände umkreiste. Die Besucher des Hurricane wissen, wer ihre Nummer Eins unter den Festivals ist.

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