Nach den Untersuchungen folgt nun eine Anklage gegen ein Mitglied des nordirischen HipHop-Trios Kneecap. Rapper Mo Chara, bürgerlich Liam Óg Ó hAnnaidh, wird vorgeworfen, letztes Jahr bei einem Konzert in London eine Hisbollah-Flagge gezeigt zu haben und mit den Worten “Up Hamas, up Hezbollah” den Verdacht erweckt haben, ein Unterstützer der in Großbritannien verbotenen proiranischen Schiitenmiliz im Libanon zu sein, wie die BBC berichtet. Er soll im 18. Juni vor Gericht erscheinen. Auch in Deutschland wird die Hisbollah seit 2019 als Terrororganisation eingestuft.
Heute Morgen haben Kneecap auf Instagram auf die Anklage reagiert und erklärt, dass sie den Vorwurf “bestreiten” und sich “vehement verteidigen” werden. „Das ist politische Polizeiarbeit“, schrieben sie. „Dies ist ein Karneval der Ablenkung. Wir sind nicht die Geschichte. Der Genozid ist es.“ Weiter warfen sie der britischen Regierung vor, mit der Klage, “ihre Reisemöglichkeiten einzuschränken” und sie daran zu hindern, “mit jungen Menschen auf der ganzen Welt zu sprechen”. Die Nordiren verglichen schließlich den Umgang mit der Situation im Gazastreifen seitens “der Mächtigen in Großbritannien” mit der damaligen Situation in Irland. “Damals wie heute behaupten sie, das sei gerechtfertigt.”
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Eklat beim Coachella
Auch wenn sich Kneecap schon lange als offene und vehemente Unterstützer der Palästinenser im Gazakonflikt geben, gerieten sie erst durch ihren Auftritt beim Coachella so konkret in den Fokus der Behörden. Auf der Bühne des US-Festivals präsentierte das Trio in großen Leuchtbuchstaben “Fuck Israel, Free Palestine” und “Die US-Regierung bewaffnet und finanziert Israel trotz der Kriegsverbrechen”. Im Anschluss an den Vorfall, begann die Anti-Terror-Polizei Filmmaterial von ihrem Auftritt im November im O2 Forum Kentish Town in London auszuwerten, bei dem Chara offenbar eine Hisbollah-Flagge schwenkte. Kneecap wird außerdem nachgesagt, dass sie bei vergangenen Konzerten den Tod von konservativen Ministerpräsidenten gefordert hätten.
Seitdem haben Kneecap allerdings bestritten, die Hamas oder die Hisbollah zu unterstützen, und erklärt, dass sie nicht zu Gewalt gegen Einzelpersonen aufrufen würden. Das Videomaterial sei laut Band aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Kneecap-Auftritte abgesagt
Seit Beginn der Ermittlungen wurden mehrere Festivalauftritte von Kneecap gestrichen, darunter auch ihre Auftritte beim Hurricane und Southside Festival. Ihre geplante Deutschland-Tour wurde auch bereits abgesagt. Abgeordnete im UK forderten zudem, sie aus dem Programm von einigen britischen Festivals wie dem TRNSMT oder dem Glastonbury zu entfernen.
Über hundert Künstler:innen solidarisierten sich mittlerweile mit der Band in einem offenen Brief zum Schutz der Meinungsfreiheit, darunter etwa Pulp, Idles, Fontaines D.C., Rage Against The Machine-Gitarrist Tom Morello und Brian Eno. Singer/Songwriter Billy Bragg sprach zwar auch seine Unterstützung für Kneecap aus, kritisierte aber den offenen Brief und forderte differenzierten Lösungsansatz: “In der Praxis bedeutet das, dass wir darauf achten müssen, dass die durchaus durchdachten und stichhaltigen Argumente, die wir vorzubringen versuchen – freies Palästina, Ende des Völkermords – nicht durch leichtfertige Äußerungen untergraben werden, für die wir uns später entschuldigen müssen.”