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Michel Gondry - Im Interview

Michel Gondry – Im Interview
Oft gibt es das nicht, aber wenn unser liebster Kino-Magier und Musikvideo-Weirdo Michel Gondry ein neues Kunstwerk ins Kino bringt – "Der Schaum der Tage" -, dann ist uns das auch mal ein online-exklusives Interview wert.

Am Tag der deutschen Einheit ist er im Kino gestartet, „Der Schaum der Tage“ – der neue, immens fantasievoll umgesetzte Film von Kino-Wunderkind Michel Gondry. Durch Filme wie „Eternal Sunshine Of The Spotless Mind“, „Be Kind Rewind“ und „The Science Of Sleep“ hat sich der Franzose längst im Kino etabliert. Die erste Bekanntschaft mit seinem Talent durfte man jedoch auf MTV machen, als dort noch Musikvideos liefen. Die hat er unter anderem für Björk, The White Stripes, Massive Attack, Daft Punk und die Chemical Brothers gedreht. Unser Autor Markus Hockenbrink traf den 1963 in Versailles geborenen Gondry zum Gespräch in Berlin.

Michel, was war es, das dich erstmals auf die Idee brachte Musikvideos drehen zu wollen?

Michel Gondry: Ich kann mich erinnern, dass ich eines Tages Charles Laughtons „Die Nacht des Jägers“ gesehen habe. Der Film war gleichzeitig bösartig und irgendwie magisch. Dieser Film hat mich dazu inspiriert mein erstes Musikvideo zu drehen, „Human Behaviour“ von Björk. Osteuropäische und vor allem russische Trickfilme hatten mich schon vorher sehr inspiriert, und im Grunde wollte ich nur diesen Vorbildern nacheifern. Musikvideos habe ich vor allem deshalb gedreht, weil ich damals selber in einer Band war, und die Welt von „Human Behaviour“ hat sich erst Stück für Stück bei mir breitgemacht.

War das die Musik, die du die privat angehört hast?

Nicht unbedingt. Mit Videos angefangen habe ich schließlich schon ungefähr zehn Jahre früher, von daher ist es schwer zu sagen. Angefangen habe ich mit Videos mit Musik von meiner eigenen Band. Da habe ich Schlagzeug gespielt, also mochte ich die Musik natürlich schon. Danach habe ich meine Arbeit als Musikvideoregisseur vor allem als Job angesehen. Am Schluss mochte ich die Musik sogar, aber in erster Linie habe ich das getan, um ein bisschen Geld zu verdienen und damit meine eigenen Filmprojekte finanzieren zu können. Im Endeffekt war das klasse, aber ich bin darüber nicht zu einem Snob geworden. Man muss sich das so vorstellen: wenn du 25 bist und einen Auftrag angeboten kriegst, ist das auch dann noch ein guter Auftrag, wen du die dazugehörige Musik nicht unbedingt abends selber auflegen würdest.

Woraus bestand damals der Input der jeweiligen Künstler? Haben sie dir bloß die Musik geschickt oder haben sie sich an der kreativen Verwirklichung beteiligt?

Viele von ihnen haben tatsächlich eigene Ideen und wollen die auch berücksichtigt haben. Dann gibt es aber auch Leute wie Beck oder die White Stripes, die gar keine Vorstellungen haben und einem völlig freie Hand lassen. Bei Björk ist es so, dass sie etwa die Hälfte der Ideen zum jeweiligen Video beisteuert.

Deine letzte Musikvideoarbeit ist nun schon eine Weile her. Woran liegt’s?

Naja, mein letztes Björk-Video ist erst zwei, drei Jahre her.

Ist sie deine Lieblingskundin?

Kann man schon so sagen. Sie hat alle meine Videos gesehen. Ich kann mich an ein Mittagessen vor zwanzig Jahren erinnern, wo wir nicht aufhören konnten, über unsere Lieblingsfilme und unsere Lieblingscartoons zu reden, obwohl ich aus Versailles kam und sie aus Island. Wir hatten vieles gemeinsam. Sie gab mir eine Menge Ideen für meine Videos, und ich war immer stolz darauf sie verwirklicht zu haben. Das hat mich in gewisser Weise sehr an die Arbeit mit meiner alten Band erinnert. Da war ich auch nicht der Typ mit den Ideen, sondern vor allem der Typ mit der Kamera. Es gab immer eine Diskussion darüber, was in das Video einfließen sollte, und es war meine Aufgabe, all das zu berücksichtigen und gleichzeitig eine persönliche Note einfließen zu lassen.

Gibt es etwas, das einen als Videoregisseur auf die Karriere als Filmregisseur vorbereitet?

Ja, klar. Vor allem geht es um die Nähe zu den Schauspielern. Musiker sind in der Regel keine Schauspieler und fühlen sich dementsprechend oft unwohl vor der Kamera. Mein Job besteht darin, ihnen diese Angst zu nehmen, damit sie möglichst natürlich wirken. Überraschenderweise gilt das auch für Filmschauspieler. Sie fürchten die Kamera, und es liegt an mir, es ihnen da leichter zu machen. Als Videoregisseur habe ich gelernt Wege zu finden, die es dem Darsteller erleichtern, sich besser in die Story einzufinden oder sich generell so zu verhalten, dass sie sich nicht beobachtet fühlen. Bei meinen Filmen war das genau dasselbe. Viele Schauspieler hatten komplizierte Schedules oder auch komplizierte Egos, so dass man lernen muss, da Kompromisse zu machen. Weil ich daran gewöhnt war, mit berühmten Leuten in meinen Videos zu arbeiten, hat es mich nicht vor Probleme gestellt, das auch in meinen Filmen zu tun. Es geht darum, dass diese Menschen mich nicht bloß als Handlanger sehen.

Dein neuer Film heißt „Der Schaum der Tage“ und basiert auf einem Kultroman von Boris Vian. Wenn es an die Vorbereitung zu so einem Unternehmen geht – wie aufmerksam liest du das Buch?

In diesem Fall sehr. Ich habe das Buch mehrmals gelesen, das erste Mal als Jugendlicher. Boris Vian ist jemand, der ohnehin eine besondere Bedeutung für Jugendliche hat.

Hast du dir beim ersten Lesen schon Gedanken darüber gemacht, wie sich so ein Buch verfilmen ließe?

Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich eines Tages ein Regisseur werden würde. Aber ein paar der Bilder, die ich damals in meinem Kopf hatte, sind durchaus in die Verfilmung eingeflossen. Die Schwarzweißszenen hatte ich zum Beispiel schon als Leser vor Augen. Genau wie die Art und Weise, in der ich das Licht verwende. Als ich mich dazu entschlossen habe die Verfilmung anzugehen, standen diese Eindrücke automatisch fest für mich.

Boris Vian selbst ist ja auch als Musiker in Erscheinung getreten, aber seine Songs spielen in dem Film keine Rolle. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?

Vian schrieb nicht nur Songs, sondern sang auch und spielte Trompete. Aber wir haben uns dagegen entschieden seine Musik zu verwenden, weil wir der Meinung waren, dass sie einen aus der Erzählung reißen würde. Man hätte das Gefühl, in einer Boris-Vian-Verfilmung zu sitzen, und darauf sollte es eben nicht ankommen.

Die visuellen Details deiner Filme sind oft so überwältigend, dass man sich manchmal eine Zeitlupe wünscht, um sie alle wahrnehmen zu können. Hast du manchmal das Gefühl, dass dir das tatsächlich im Wege steht?

Das ist möglich, ja. Ich wusste, dass es Leute geben würde, die mir gerade bei diesem Film genau das vorwerfen würden. Aber ich habe es dennoch getan. In dem Buch gibt es einige Passagen, die nur schwer zu verstehen sind, und meiner Meinung nach löst man das am besten über das Visuelle. Deswegen habe ich versucht, die erste Hälfte des Films als eine Explosion von Details darzustellen, während es danach zunehmend simpler wird. Es kommt auf den Kontrast an: am Anfang ist alles überbordend, am Ende gibt es nur noch sehr wenig zu sehen.

Glaubst du, dass deine Filmversion Boris Vian gefallen hätte?

Ich hoffe es zumindest. Letztendlich kann man das unmöglich beurteilen, schließlich ist er tot. Wäre er noch am Leben, hätte ich so eng wie möglich mit ihm zusammengearbeitet, so waren es lediglich seine Nachlassverwalter. Ich musste viel raten, aber in meinen Gedanken war er stets sehr präsent.

So gesehen ist also auch noch die jugendliche Version von dir am Leben?

Unbedingt. Manchmal ist das ein Problem, aber im Grunde bin ich immer noch derselbe wie damals. Wenn ich das Buch lese fühle ich mich noch genauso wie damals.

Findest du, du hast das Geheimnis des Alterns entschlüsselt?

Ich kann nur sagen, dass ich nie alt werden wollte, es aber trotzdem inzwischen bin. Wenn es also irgendetwas gibt, was mir meine Jugend zurückgibt, werde ich es tun. Außer plastischer Chirurgie natürlich. Ich wünschte natürlich, ich könnte gleichzeitig älter und weiser werden, aber in meinem Kopf bin ich immer noch so wie damals.

Welche Musik hörst du heutzutage?

Ich mag Boards Of Canada sehr. Und Daft Punk natürlich. Und, immer noch: Michael Jackson.

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„Der Schaum der Tage“ – Trailer

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