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Blätterrascheln - Neue Bücher

Blätterrascheln – Neue Bücher
Sascha Lehnartz lästert über das Phänomen der Berufsjugendlichen und Greg Graffin macht mit Preston Jones das Erwachsensein vor.

Sascha Lehnartz

Global Players. Warum wir nicht erwachsen werden

Fischer Taschenbuch

Preston Jones/Greg Graffin

Is Belief In God Good, Bad Or Irrelevant?

IVP Books

Sascha Lehnartz ist Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und seiner eigenen Definition nach mit Sicherheit nicht „hip“. Das mag auch der Grund dafür sein, dass sein Buch bei weitem nicht so einschlagen konnte wie die Generationen-Bücher eines Florian Illies oder das neue Zeitgeist-Wunderwerk „Wir nennen es Arbeit“ von Holm Friebe und Sascha Lobo. Dabei hätte „Global Players“ durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient und sei es nur, um Widerspruch hervorzurufen. Denn Lehnartz überfährt uns mit derart treffsicherer „das kenn ich auch!“-Polemik, das man fast vergisst, die richtigen Beobachtungen von den falschen Schlussfolgerungen zu trennen. Seine Hauptthese lautet, dass niemand mehr „erwachsen“ wird, wobei Erwachsensein bei ihm bedeutet, eine Haltung zu haben, klare Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Zerstört wurden diese Verlässlichkeiten laut Lehnartz durch zwei Fliehkräfte, die uns allen den Boden unter den Füßen wegziehen: den Pop und die Globalisierung. Der Pop hat dabei zwei Ausprägungen oder Generationen Ewigjugendlicher hervorgebracht, die Weltverbesserer und die dekadente, konsumfreudige Generation Golf/Ally/iPod. Antriebsmotor dieser Menschen ist in beiden Fällen, den jeweiligen ideologischen oder ästhetischen Hipness-Codes zu entsprechen. Jung, wild, promiskuitiv, launisch, aggressiv und flexibel zu sein ist demnach nicht die Rebellion, die es zu Anfang einmal war oder sein sollte, sondern Grundvoraussetzung für den globalisierten Turbokapitalismus, der uns alle vollkommen kirre macht und eine Flexibilität abverlangt, die es verunmöglicht, ein Rückgrat zu haben. Diese Beobachtungen über die Paradoxien der Jugendkultur und des vermeintlichen Widerstandes verpackt Lehnartz in amüsante, konkrete, zutiefst polemische Beobachtungen über all die Menschen, die bis zur Frührente jugendlich bleiben, transportiert dabei aber zwischen den Zeilen eine Menge simpler Ressentiments. So scheint Reife und Haltung für ihn per se nur mit Familie, Carport, Vorstadthaus und Hinwendung zur klassischen Bildung denkbar. Monogame, mit ihrer Familie auf der Warped Tour reisende, „naiv“ für Tierrechte und Ökologie eintretende und dennoch äußerst geschäftstüchtige und mit den konservativen Eltern ausgesöhnte Männer, wie sie etwa Rise Against darstellen, könnte er nicht erklären – ebensowenig wie eine künstlerisch ernstzunehmende Popkultur oder den Unterschied zwischen kindlich und kindisch.

Vielleicht sollte er sich mal das Leben von Melodycore-Ikone Greg Graffin anschauen, der mit Bad Religion verträgliche Musik für berufsjugendliche Ewig-Punkrocker geprägt hat und darin zugleich eine zutiefst konsequente Haltung vorträgt: Reinen, unironischen, von seiner akademischen Tätigkeit als Biologe geprägten Positivismus. Der Darwinist Graffin hat einen über Monate währenden Mailwechsel mit dem Theologen Preston Jones geführt, den dieser als Buch aufbereitet hat, um den amerikanischen Kids Dialektik beizubringen. Auf 164 Seiten diskutieren die beiden Männer über Glauben, Wissenschaft, Sinn und Unsinn von Religion, die amerikanische Gesellschaft, Darwin, Dawkins, Genetik, Neurowissenschaft, Kierkegaard, Kant und viele andere. Der Mailwechsel verrät mehr über Graffin, als es die meisten Interviews können, und der einzige Nachteil ist auch der Vorteil des bisher nur auf Englisch als Import (über Amazon & Co) erhältlichen Buches: Es ist zutiefst pädagogisch. Preston – selber Dozent – legt es als Lehrbuch für Diskussionen in Schule und Uni an, stellt Aufgaben, wie wir sie aus Schulbüchern kennen und gibt Querverweise zur Literatur. Das ist aufdringlich, macht das Ding aber auch zum guten Startpunkt für weitergehende Studien. Lediglich die recht devote Fan-Art, in welcher der Theologe seinem atheistischen Punkrockhelden abseits der eigentlichen Debatte begegnet, ist unwürdig und unfreiwillig komisch. Der Gottesmann will Greg bekehren, doch der bleibt stoisch wie seine Songs.

Global Players

285 Seiten, Paperback

12,95 Euro

ISBN 3596163684

Is Belief In God Good, Bad Or Irrelevant?

164 Seiten, Taschenbuch

9,45 Euro

ISBN 0830833773

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